Weltfrauentag: Ein Brief an meine Töchter

Weltfrauentag: Ein Brief an meine Töchter

Last Updated on 2018-03-15

LinkedIn Beitrag von Gudrun Herrmann, 07.03.2018

Liebe Töchter

Die eine von Euch ist ein Kindergartenkind, die andere noch nicht geboren – drei Monate noch! Die Welt der Arbeit ist noch so weit weg für euch beide. Vorher müssen Abenteuer bestanden, Sandburgen gebaut, Bäume erklettert und zuviel Süsses gegessen werden. Trotzdem möchte ich Euch heute zum Weltfrauentag schreiben, was ich mir für Euch wünsche, wenn Ihr in 20 Jahren einmal mit dem Arbeiten anfangt.

Lasst Euch nicht in Euren Zielen beirren

Mein Vater starb, als ich zehn Jahre alt war und meine Familiensituation war danach mehr als schwierig mit einer alkoholkranken Mutter. Mir wurde mehrfach gesagt, dass ich den Schulabschluss unter diesen Umständen nicht schaffen könne. Die Geschichte wiederholte sich auf der Uni – wie willst Du das schaffen ohne Unterstützung der Familie? Und natürlich kam ich mit fünf Jahren Berufserfahrung auch noch auf die Idee, einen Executive MBA im Ausland zu absolvieren. Auch das habe ich geschafft – trotz meines damaligen Bosses, der mir gesagt hat, dass ich das nicht durchziehen kann. Meine Botschaft an Euch beide, meine Töchter: Ihr könnt alles schaffen, was Ihr Euch vornehmt. Viel wichtiger ist, ob ihr es wirklich wollt und ob es euch weiterbringt. 

Macht das, was Euch weiterbringt

Was wird Euch weiterbringen? Diese Frage ist unglaublich schwer zu beantworten. Für mich war es immer wichtig, Spaß in meiner Arbeit zu haben – das hat mich weitergebracht. Ich habe auch Privatleben und Arbeit nie streng getrennt – viele meiner heutigen engen Freunde sind frühere Arbeitskollegen. Freunde auf der Arbeit zu haben, hilft, auch schwierige Situationen zu durchstehen. Und hört nie auf zu Lernen. Den Geist rege zu halten und sich immer wieder neue Dinge einzulassen ist die Voraussetzung, geistig fit zu bleiben – auch wenn der Körper nachlässt. Und falls Arbeit oder Lernen auf Dauer keinen Spass macht – seht zu, dass ihr etwas anderes macht.

Arbeit sollte Spass machen – aber nicht immer

Manchmal muss man aber auch Zeiten durchstehen, in denen Lernen oder Arbeit keinen Spass macht. Es ist gut auch in solchen Zeiten zu wissen, dass es ein Licht am anderen Ende des Tunnels gibt. Wichtig ist dabei Gleichmut, Durchhaltevermögen und eine positive Einstellung sowie die Erkenntnis, dass sich neue Türen öffnen – während andere zugehen. Als ich mich während meines MBA selbstständig gemacht habe, lag ich nächtelang wach im Bett und habe mir Gedanken darüber gemacht, wie ich meine Miete zahlen soll. Gezahlt habe ich sie immer, und nach einem halben Jahr lief auch das Geschäft. Spaß gemacht hat dieses halbe Jahr trotzdem nicht. Aber das Durchhalten hat sich gelohnt.

Hört nie auf zu Netzwerken

Wir Frauen sind sehr gut darin, in der Arbeit äußerst fleißig zu sein, aber unsere Netzwerke nicht zu pflegen. An dieser Stelle der Appell an Euch – ähnlich dem Lernen – nie aufzuhören, neue Menschen kennen zu lernen. Ihr könnt von wirklich fast jedem etwas Spannendes lernen. Und ihr wisst nie, wer letztendlich zu der nächsten Chance verhelfen könnte, die Euch den entscheidenden Schritt im Leben weiterbringt. Möglichkeiten kommen in allen Farben und Formen – lasst euch keine entgehen. Und wenn ihr Verabredungen trefft, haltet euch daran. Männer sind so viel besser in der Arbeit, Seilschaften zu bilden. Macht das auch.

Sagt ‚nein’, wenn ihr nicht respektvoll behandelt werdet

Zu Beginn meiner Karriere habe ich zu wenig häufig ‚nein’ gesagt. ‚Nein’ zu dem Boss, der mich zum Kunden schickte, da er ‚auf blonde Frauen steht’. ‚Nein’ zu dem Mitarbeiter, der nach einem Wiesnbesuch unbedingt einen Kuss wollte. Heute weiß ich das besser – nette Mädchen kommen nicht weiter, nette Mädchen werden ausgenutzt. Ich sage nicht, dass ihr respektlos sein sollt – aber sagt ein klares ‚Nein’, wenn ihr respektlos behandelt werdet. Kein Job der Welt ist es wert, ein solches Verhalten zuzulassen.

Soweit meine Gedanken zum heutigen Weltfrauentag. Ich hoffe sehr, dass ich euch beide noch ganz lange begleiten kann und miterlebe, wie ihr mit der Arbeit anfangt. Aber gleichgültig, was ihr macht – ich bin unglaublich stolz auf euch, meine beiden Mädchen.

Quelle: https://www.linkedin.com/pulse/weltfrauentag-ein-brief-meine-t%C3%B6chter-iwd2018-gudrun-herrmann?trk=eml-email_feed_ecosystem_digest_01-recommended_articles-4-Unknown&midToken=AQG6HgszQKIbIQ&fromEmail=fromEmail&ut=3cOVRqX5r3Ro81