16 Feb Wie ein Aufsichtsrat angreifbar wird
Last Updated on 2018-02-16
Dr. Brigitta Schwarzer, MBA
Vergangene Woche wurde der Aufsichtsrat der ÖBB-Holding AG neu besetzt. Das mediale Echo auf diese erste große Personalrochade unter der türkis-blauen Regierung war groß. Dass nach einem politischen Machtwechsel schon in der Vergangenheit des Öfteren ganze Führungsriegen in staatsnahen Unternehmen ausgetauscht wurden, macht die Sache nicht besser.
Von insgesamt acht Kapitalvertretern im ÖBB-Aufsichtsrat mussten sieben den Hut nehmen bzw. kamen ihrer Abberufung durch Rücktritt zuvor. Ein derartiges Vorgehen ist ungewöhnlich. Praktiziert wird so etwas in der Regel nur dann, wenn ein Unternehmen insolvenzgefährdet ist oder sich in einer sonstigen außergewöhnlichen wirtschaftlichen Situation befindet, nicht jedoch bei gewöhnlichem Geschäftsgang, wie das bei der ÖBB zurzeit der Fall ist. Auch ein Fehlverhalten des „alten“ Aufsichtsrats scheidet als Motiv für die Rochade aus. Da alle Mitglieder bis dato Jahr für Jahr entlastet worden sind, haben sie ihre Aufgaben wohl ordnungsgemäß erledigt.
Wenn in einem Aufsichtsratsgremium mit einem Mal die meisten Kapitalvertreter neu sind, beeinträchtigt das sowohl nach innen als auch nach außen die Kontinuität, die gerade in einem Unternehmen mit Öffentlichkeitswirksamkeit das Um und Auf ist. Dass ein Eigentümer(vertreter) im Aufsichtsrat auf einige Personen seines Vertrauens zählen möchte – vor allem den Vorsitzenden des Gremiums – ist verständlich. Behutsames Vorgehen und Fingerspitzengefühl bei Umbesetzungen haben sich jedoch alle betroffenen Personen verdient. Niemandem gebührt aus diesem Grund eine schlechte Nachrede oder ein mangelnder Vertrauensvorschuss.
International sind bei den Laufzeiten für Aufsichtsräte zwei Modelle üblich: Entweder „Staggered Boards“, also Gremien mit gestaffelten Vertragslaufzeiten, oder – wie das beispielsweise bei einigen großen börsenotierten Unternehmen praktiziert wird – es laufen zwar alle Aufsichtsratsmandate in einem bestimmten Jahr ab, durch Wiederbestellung einiger Aufsichtsräte wird aber für eine gewisse Kontinuität gesorgt.
Welche Kriterien bei der Besetzung eines Aufsichtsrates beachtet werden sollen, wurde in Deutschland im Vorjahr im Deutschen Corporate Governance Kodex neu geregelt. Die führenden Aufsichtsrats-Vereinigungen AdAR, ArMiD und die Financial Experts Association e.V. (FEA) haben dazu einen Praxisleitfaden zusammengestellt. Auch wenn der heimische Corporate Governance Kodex so etwas (noch) nicht festschreibt, könnte man sich hier durchaus an den Überlegungen beim deutschen Nachbarn orientieren.
Beginnen sollte man mit einem detaillierten Kompetenzprofil des Aufsichtsrats, Kandidaten sollten auf Basis eines konkreten Anforderungsprofils ausgewählt und zur Fortbildung verpflichtet werden sowie eine langfristige Nachfolgeplanung etabliert werden. Die deutschen Experten sprechen sich auch deutlich für die gestaffelte Aufsichtsratswahl aus.
Eine ausgewogene Besetzung von Aufsichtsratsmandaten erfordert u.a. die Bedachtnahme auf unternehmerische Erfahrung, Finanz- und BWL-Know-how, strategische Fähigkeiten und Internationalität der Kandidaten. Diese sollten auch über mehrjährige Führungserfahrung mit Budgethoheit verfügen.
Inwieweit diese Kriterien bei der Neubesetzung des ÖBB-Aufsichtsrats eine Rolle gespielt haben, wurde nicht kommuniziert. Der Anschein der politischen „Farbenlehre“ bewirkt jedenfalls eine schlechte Optik, auch wenn jeder der Neo-Bahnkontrollore fachliche und persönliche Reputation aufweist. Ob auch alle neuen Aufsichtsräte über die nötige Unabhängigkeit gegenüber dem Eigentümervertreter verfügen, die kritische Diskussion nicht scheuen und zur richtigen Zeit die richtigen Fragen stellen – auch wenn diese unbequem sind – wird die Zukunft weisen.
Nach der ÖBB stehen in nächster Zeit bei zahlreichen weiteren staatsnahen Betrieben oder Institutionen wie Asfinag, ORF, Nationalbank sowie den börsenotierten Unternehmen OMV und Verbund usw. Entscheidungen über Spitzenpositionen (Aufsichtsräte oder Vorstände) an. Es wäre wünschenswert, dass die Regierungsparteien hier nach international üblichen transparenten Besetzungsprinzipien vorgehen.