250 Jahre Wiener Börse

250 Jahre Wiener Börse

Last Updated on 2021-10-18
Dr. Christine Domforth

Die Gründung im Jahr 1771 unter Maria Theresia fiel in eine politisch und wirtschaftlich spannende Zeit. Die neue Börse sollte die notorischen Finanznöte des Habsburgerreiches lindern. Gehandelt wurden noch keine Aktien, sondern vor allem Staatsanleihen.

Schuld war schlicht und einfach Geldmangel: Der Siebenjährige Krieg gegen Preußen (1756 bis 1763) hatte die Staatskasse des Habsburgerreiches geleert, es waren riesige Schulden angehäuft worden. Darum verfügte Maria Theresia durch kaiserliches Patent im Jahr 1771 die Gründung der Wiener Börse nach französischem Vorbild. An der Wiener Börse wurden aber zunächst keine Aktien gehandelt (das passierte erst ab dem Jahr 1818 und dann im großen Stil ab der Gründerzeit), man konzentrierte sich in den ersten Jahren auf den Handel mit Anleihen, Wechseln und Devisen. Die mit Abstand wichtigste Aufgabe war es, Staatsanleihen unters Volk zu bringen. Auch sollte mit der Einrichtung eines streng geregelten Marktes, zu dem Frauen damals natürlich keinen Zugang hatten, der unkontrollierbare Handel im Kaffeehaus und an diversen Winkelbörsen unterbunden werden.

Jahre des „Nomadendaseins“

Ihren ersten offiziellen Standort hatte die Wiener Börse am Kohlmarkt 12, es folgte im Lauf der Jahre ein „Nomaden-Dasein“, insgesamt sind mehr als 15 Standorte in der Wiener Innenstadt überliefert. Erst in der Gründerzeit wurde von Theophil Hansen das Börsengebäude am Wiener Schottenring errichtet. Heute logiert die Wiener Börse im Palais Caprara-Geymüller in der Wallnerstraße.

Die Gründung der Wiener Börse, die zu den traditionsreichsten der Welt gehört, fiel in die Zeit des Aufgeklärten Absolutismus. Es war eine Phase, in der die Monarchen zwar die absolute Macht behielten, aber bereits soziale und humanitäre Verbesserungen für ihr Volk durchführten. Der Trend ging weg von Willkür und hin zu mehr Rechtsstaatlichkeit. Eine Mitbestimmung des Volkes war allerdings nicht vorgesehen. Als wichtigste Herrscher dieser Periode gelten der Preußenkönig Friedrich II, Zarin Katharina die Große sowie Maria Theresia, vor allem in den späteren Jahren ihrer Regierungszeit, als sie unter dem Einfluss von Josef II, ihrem Sohn und Nachfolger, stand.

Reformen in allen Bereichen

Maria Theresia ist bis heute für zahlreiche von ihr verfügte Reformen bekannt. Wichtige Rollen kamen dabei Staatskanzler Wenzel Anton Kaunitz, Joseph von Sonnenfels, der die Wirtschaftspolitik mitbestimmte, sowie im Bereich der Medizin Gerard van Swieten zu. Bis heute wissen fast alle in Österreich, dass unter Maria Theresia die allgemeine Unterrichtspflicht eingeführt wurde. Wegen der ständigen Finanzknappheit – die vielen Kriege kostete sehr viel Geld und der Verlust Schlesiens war eine enorme wirtschaftliche Belastung für das Habsburgerreich – wurde eine allgemeine Steuerpflicht verfügt, auch Adel und Klerus mussten erstmals ihren Obulus leisten. Das Heer wurde ebenso umfassend reformiert wie die Justiz, ein Höchstgericht etabliert.

Außenpolitisch war Preußenkönig Friedrich II das erklärte Feindbild der Herrscherin, mit Frankreich wurde hingegen – anders als in früheren Epochen – eine Annäherung angestrebt. Unter anderem sollte die Heirat von Marie-Antoinette, einer Tochter Maria Theresias, mit dem französischen Thronfolger dieses Bündnis festigen. 1789 zerstörte die Französische Revolution, die auch Marie-Antoinette das Leben kostete, diesen Plan. Bereits am 4. Juli 1776 war mit der Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung die Geburtsstunde der Vereinigten Staaten von Amerika gekommen – ein Umbruch auch jenseits des Atlantiks. Und schon 1770 hatte James Cook Australien für die britische Krone in Besitz genommen.

Erste Schritte der Industrialisierung

Wirtschaftlich herrschte in jener Zeit, als die Wiener Börse ihre Tätigkeit aufnahm, eine gewisse Aufbruchsstimmung. So wurde das aus dem Mittelalter stammende Zunftwesen reformiert und zurückgedrängt. Einige Binnenzölle zwischen den einzelnen Teilen der Habsburgerreiches wurde aufgehoben, es entstand ein großes einheitliches Wirtschaftsgebiet. Die industrielle Revolution – maßgeblich bestimmt durch Erfindungen wie die Dampfmaschine – nahm zwar in Großbritannien ihren Anfang. Aber auch in den Kronländern Böhmen und Mähren entstanden in dieser Phase bereits zahlreiche Textil-Manufakturen.

Bereits seit 1741 wurde der silberne Maria-Theresien-Taler mit dem Bild der Regentin geprägt. Für Sammelzwecke wird er bis heute produziert, in einigen Ländern des östlichen Mittelmeers, des arabischen Raums, in Nord- und Nordostafrika ist er teilweise noch immer in Verwendung. In Hamburg entstand 1778 die erste Sparkasse, die nicht nur Wohlhabenden, sondern auch der ärmeren Bevölkerung ihre Dienste anbot. Das Österreich-Pendant, Vorläuferinstitut der Erste Bank, wurde 1819 gegründet.

Trotz des ständigen Geldmangels wurde auch unter Maria Theresia viel gebaut, vor allem natürlich in Wien. Es entstand u. a. das Schloss Schönbrunn als Sommerresidenz der kaiserlichen Familie, die Karlskirche nach Plänen von Johann Bernhard Fischer von Erlach sowie die Hofbibliothek am Josephsplatz, wo heute die Nationalbibliothek untergebracht ist. Das dafür nötige Geld wurde vor allem über sogenannte „Hofjuden“ aufgebracht. Sonst gab es aber unter Maria Theresia keinerlei Toleranz gegenüber Nicht-Katholiken. Und mittelalterliches Denken wirkte in Europa noch lange nach. So fand in Deutschland erst im Jahr 1775 der letzte Hexenprozess statt.

Kulturelle Blütezeit

Kulturell war die Periode, in der die Wiener Börse ihren Betrieb aufnahm, sehr fruchtbar, einige „Klassiker“, die in Theatern, Opern- und Konzerthäusern bis heute präsent sind, entstanden damals. Johann Wolfgang von Goethe veröffentlichte 1773 das Drama „Götz von Berlichingen“, kurze Zeit später den Briefroman „die Leiden des jungen Werther“. Eine Vorstudie zum „Faust“ schrieb er schon 1772, der „Faust I“ entstand dann ab 1797. Das Drama „Die Räuber“ schrieb Friedrich Schiller um 1779, es folgten in den Jahren darauf „Don Carlos“, „Wallenstein“ und 1799 „Maria Stuart“. Zahlreiche Kompositionen von Joseph Haydn, der u. a. zahlreiche Sinfonien hinterließ, entstanden in den Jahren 1761 bis 1790, als Haydn Kapellmeister bei den Fürsten Esterhazy war. Wolfgang Amadeus Mozart, der mit Haydn befreundet war, schrieb bereits 1768 das Singspiel „Bastien und Bastienne“ und die Waisenhausmesse. Zwischen 1786 und 1791 entstanden die „Die Hochzeit des Figaro“, „Don Giovanni“, „Cosi fan tutte“ und „Die Zauberflöte“.