70 ist das neue 50

70 ist das neue 50

Last Updated on 2021-03-27
Warum Arbeiten im Alter sowohl für Wirtschaft und Gesellschaft als auch für die SeniorInnen selbst von Vorteil ist: Das war Thema beim Jubiläumssymposium der ASEP. Der Austrian Senior Experts Pool unterstützt seit 30 Jahren Österreichs Wirtschaft mit Knowhow und Erfahrung.

Dr. Christine Domforth

Gegründet wurde die ASEP vor 30 Jahren von Mitgliedern des WdF. „Die Idee war, nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben noch weiter produktiv tätig zu sein”, erläuterte Mag. Gerhard Hirt, eins der drei ASEP-Präsidiumsmitglieder, zu Beginn der Veranstaltung. Sie fand am 25. März 2021 im Spiegelsaal der Industriellenvereinigung statt, coroanabedingt allerdings online, das Motto lautete „Arbeiten im Alter – Last oder Lust?“. Angemeldet hatten sich rund 130 Teilnehmer, Dr. Brigitta Schwarzer fungierte als Moderatorin. Hirt verwies zunächst auf die steigende Lebenserwartung und die Tatsache, dass rund ein Drittel der PensionistInnen in Österreich noch beruflich tätig sein wollen. „Viele von ihnen macht ihre Arbeit glücklich”, so Hirt. Im Vorjahr hat ASEP 224 Projekte erfolgreich abgeschlossen. Ganz wichtig sei auch die Kooperation der Senior ExpertInnen mit jungen Unternehmern.

IV-Generalsekretär Mag. Christoph Neumayer betonte in seiner Grußbotschaft, dass die Erfahrung der Älteren für Österreichs Wirtschaft ein echter Erfolgsfaktor sei und in Zukunft – Stichwort Fachkräftemangel ­ – noch viel wichtiger sein werde. Eine weitere Grußadresse kam von einem Vertreter der chinesischen Botschaft. China war in den 90er- Jahren eines ersten Einsatzgebiete der Senior Experts.

„Wir müssen damit aufhören, mit 60 in Pension zu gehen”, forderte Dr. Franz Schellhorn von der Agenda Austria unter Verweis auf die demografische Entwicklung. Die steigende Zahl von PensionistInnen zu finanzieren werde für die Jüngeren eine immer schwerere Belastung. Allerdings packe die Politik dieses Problem nicht an. Ein weiteres Argument für Arbeiten im Alter ist laut Schellhorn der Fachkräftemangel vor allem im Produktionsbereich, der sich in den kommenden Jahren noch verstärken wird, wenn die Babyboomer nach und nach in Pension gehen. Wenn Ältere weiterarbeiten, nehmen sie jüngeren Menschen keine Jobs weg, so Schellhorn: „Heute wird nur noch einer von 7 Jobs klassisch nachbesetzt.“

Für Margarete Kriz-Zwittkovits, einzige Frau unter den Rednern, ist Arbeit ein wesentlicher Bestandteil des Lebens und wichtig für das Selbstwertgefühl. Wer arbeitet, bleibt fitter, agiler und wirke jünger. Die Pensionen werden wegen der Pensionsreform künftig magerer ausfallen. Arbeiten über das offizielle Pensionsalter hinaus sei eine Möglichkeit, den Lebensstandard zu halten und Altersarmut, die vor allem Frauen droht, zu vermeiden.

Für die Gesellschaft sei es ein enormer Vorteil, wenn ältere Menschen noch arbeiten. „Die Senioren und Seniorinnen haben ein enormes Knowhow, ihre Verlässlichkeit ist ebenso hoch wie ihre Verfügbarkeit”, betonte die Präsidentin von Frau in der Wirtschaft, die selbst eine engagierte Unternehmerin ist. Insgesamt sei es eine Win-win-Situation, wenn Menschen sich nicht zu früh zur Ruhe setzen.

Prof. Dr. Christoph Gisinger ist Mediziner und an der Donau-Uni Krems als Altersforscher tätig. Er verwies darauf, dass die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland 1916 bei 55 Jahren lag. Damals wurde das Rentenantrittsalter mit 65 Jahren festgelegt, nur 30 Prozent der Erwerbstätigen „erlebten“ die Pension. Heute werden mehr als 90 Prozent der Menschen älter als 65, die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei weit über 80 Jahren – am Rentenantrittsalter hat sich aber seit mehr als 100 Jahren nichts geändert.

„Die Pension ist nicht das Paradies”, betonte Gisinger. Viele PensionistInnen seien depressiv, weil Selbstwertgefühl stark mit Arbeit und Beruf verknüpft ist und in der Pension oft die Vereinsamung droht. Der oft zitierte Spruch „Die Jungen rennen zwar schneller, aber die Älteren kennen die Abkürzungen”, habe durchaus einen wahren Kern, meint der Altersforscher. Vielfach werden SeniorInnen bzw. deren Intelligenz unterschätzt. Gisinger rät, unsere Denkmuster bezüglich Pensionsantritt bzw. Arbeit im Alter zu hinterfragen, die Arbeitswelt müsse sich entsprechend anpassen.

Wenn in Österreich nur sechs Prozent der Männer und gar nur drei Prozent der Frauen im Pensionsalter weiterarbeiten, liegt das vor allem an diversen rechtlichen Hindernissen. ASEP-Vorstandsmitglied Mag. Walter Tancsits erläuterte, dass bei der Korridorpension die gesamte Pension gestrichen wird, wenn man nur einen (!) Cent über der Geringfügigkeitsgrenze verdient. Hier sei eine Einschleifregelung dringend nötig. Weiters wünscht man sich bei ASEP weniger Bürokratie für arbeitswillige SeniorInnen und eine Entlastung bei Sozialversicherung und Krankenversicherung. „Das wären keine Senioren-Privilegien, würden aber das Wieder-Hochfahren der Wirtschaft nach der Corona-Pandemie deutlich erleichtern”, so Tancsits abschließend.

www.asep.at

v.l.n.r.: Christoph Gisinger, Margarete Kriz-Zwittkovits, Franz Schellhorn


v.l.n.r.: Brigitta Schwarzer, Gerhard Hirt, Walter Tancsits

Beide Fotos: @Foto Alexander Müller