Startup300 vor Kapitalerhöhung mit neuen Investoren – alles auf Wachstum?

Startup300 vor Kapitalerhöhung mit neuen Investoren – alles auf Wachstum?

Last Updated on 2020-01-20
Wiener Börse / Börsenradio 14.05.2019: Michael Eisler im Gespräch mit Sebastian Leben B.A.

Das Investorennetzwerk startup300 mit Sitz in Linz notiert seit Jänner 2019 im „direct market plus“ an der Wiener Börse. Damit ist erstmals eine Start-up-Aktie am heimischen Kurszettel vertreten. Mit dem „Börsenradio“ spricht Michael Eisler, Vorstand und Mitbegründer von startup300, über die geplante Kapitalerhöhung, den Einstieg neuer strategischer Investoren und die ambitionierten Wachstumspläne des Unternehmens.

Die neuen Segmente „direct market plus“ und „direct market“ im Dritten Markt der Wiener Börse, die im Jänner 2019 mit zunächst acht bzw. 23 Titeln starteten, sollen wachstumsstarken österreichischen Klein- und Mittelbetrieben sowie expandierenden Jungunternehmen den Gang an die Börse ermöglichen. Die Firmen können ihre Eigenkapitalbasis stärken und damit die Basis für künftiges Wachstum schaffen, ihren Bekanntheitsgrad steigern und erste Erfahrungen am Börseparkett sammeln. Die Gebühren sind in diesen Einsteiger-Segmenten deutlich niedriger als etwa im (Top-)Segment prime market, die Informationspflichten weniger streng. Um nachhaltig Erfolg zu haben, brauchen Firmen aber auch hier eine gesunde und nachhaltige Grundlage sowie eine überzeugende Börsen-„Story“.

Startup300 war Ende 2015 als Business Angels Netzwerk gestartet, heute entwickelt und betreibt das Unternehmen ein Ökosystem für Start-ups und innovative Unternehmen. Ihnen werden Räume, Netzwerke, Kapital und Know-how zur Verfügung gestellt sowie Events veranstaltet. Start-ups werden mit startup300 schneller und mit höherer Wahrscheinlichkeit erfolgreich. Etablierte Unternehmen können mit der Unterstützung von startup300 die digitale Transformation besser bewältigen. „Unser Geschäftsmodell besteht vereinfacht gesagt darin, interessante Unternehmen zu suchen, ihnen zu helfen und sie zu entwickeln, um sie später einmal hoffentlich gut verkaufen zu können“, erläutert Michael Eisler, Vorstand und Mitbegründer des Unternehmens, im „Börsenradio“-Interview.

Umfassendes Netzwerk

2018 betrug der Umsatz etwa vier Millionen Euro, für 2019 werden sechs bis sieben Millionen Euro angepeilt. Zu startup300 gehören u.a. die factory300 GmbH, ein Start-up-Campus in der Linzer Tabakfabrik, die think300 GmbH, die Unternehmen bei der digitalen Transformation begleitet, und der Venture Capital Fonds capital300. Schließlich ist startup300 auch Host des Pioneers Festivals, des mit rund 2500 Besuchern größten Start-up- und Technologie-Festivals Österreichs, sowie Gesellschafter der Talent Garden Austria GmbH, deren erster Campus in Österreich Anfang 2019 in Wien eröffnete.

Beim Börsenstart im Jänner 2019 hat man sich u. a. deshalb für ein Listing und nicht für einen IPO entschieden, weil damals ausreichend Kapital vorhanden war. Die Eigenkapitalquote der startup300 AG liegt bei fast 70 Prozent und ist damit überdurchschnittlich. Doch nun ist eine Kapitalerhöhung geplant, bei der auch zwei neue strategische Investoren mit rund einer Million Euro einsteigen sollen: der bekannte „Sanierer“ Erhard Grossnigg und Hannes Niederhauser, Gründer und CEO von S&T. Niederhauser zieht auch in den Aufsichtsrat von startup300 ein. Man werde von seinem Know-how als profitieren, so Eisler, aber auch von seiner breiten Kapitalmarkterfahrung. Die bringe er als Chef der an der Börse Frankfurt notierten S&T mit und sie habe im Aufsichtsrat bisher gefehlt. Bei Business Angels sei das Unternehmen bereits gut verankert, doch nun strebe man verstärkt den Zugang zu institutionellem Kapital an. Dabei werden die Erfahrung und Kontakte von Grossnigg und Niederhauser sicher hilfreich sein.

Zur weiteren Umsetzung des Wachstums und der M&A Strategie sollen durch weitere Ausnutzung des genehmigten Kapitals oder im Wege der Durchführung einer ordentlichen Kapitalerhöhung, die im Zuge einer noch einzuberufenden außerordentlichen Hauptversammlung zu beschließen wäre, bis zu drei Millionen Euro aufgenommen werden. Es ist nicht beabsichtigt, das Bezugsrecht der Aktionäre auszuschließen.

„Unser Ziel ist es, unsere M&A-Strategie sowie unser Ökosystem weiter auszubauen und zwar sowohl entlang der Wertschöpfungskette als auch regional“, so Eisler zu den Motiven für die bevorstehende Kapitalerhöhung. Dazu passt, dass es derzeit Gespräche über einen neuen Standort in Budapest gibt.

Gekommen, um an der Börse zu bleiben

Die Aktie der startup300 AG notiert jetzt seit rund vier Monaten an der Börse. „Wir haben in der Startphase einiges erlebt und viel gelernt. Mittlerweile ist uns das Procedere in Fleisch und Blut übergegangen“, betont Eisler. Man fühle sich an der Börse und im „direct market plus“ wohl, wolle dort bleiben und vielleicht später einmal in ein höheres Börsesegment aufsteigen. Dass der Aktienkurs seit der Erstnotiz erheblich nachgegeben hat, nimmt Eisler nicht allzu tragisch. Das liege teilweise auch an der Aktionärsstruktur. Rund 50 Prozent der Aktien gehören den Kernaktionären, darunter sind auch die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats. Diese wollen ihre Anteile langfristig halten. Der Rest sei Streubesitz, der sich auf etwa 200 Aktionäre verteilt, und da haben eben manche verkauft. „Ich bin aber stolz darauf, dass bisher über zwei Millionen Euro gehandelt wurden. Und die Aktien, die verkauft wurden, haben ja Leute gekauft, die an unser Unternehmen und unser Geschäftsmodell glauben“, so Eisler.

Zu den aktuellen Akquisitionen von startup300 gehört die Übernahme des Beratungsunternehmens The Minted, das vor allem Start-ups hilft, sich im bestehenden Förderdschungel in Österreich und auf EU-Ebene zurechtzufinden und mit dem es schon länger eine gute operative Zusammenarbeit gab. Die Akquisition von The Minted hat startup300 mit eigenen Aktien bezahlt. „Wir haben schon beim Börsenstart überlegt, dass wir die Aktie künftig verstärkt als Akquisitionswährung nutzen wollen“, betont Eisler. Durch die Akquisitionswährung Aktie werde man für so manches Unternehmen zum interessanten Ansprechpartner. Derzeit sei die Liquidität des Papiers noch überschaubar, man werde aber in jedem Fall dafür sorgen, dass künftig immer ausreichend genehmigtes Kapital vorhanden ist. In Ungarn ist beabsichtigt, die Mehrheit an der Plattform Be-novative zu übernehmen, die ein Software-Tool für Großunternehmen entwickelt hat und mit der startup300 schon bisher erfolgreich zusammengearbeitet hat.

Ambitionierte Pläne

Laut Eisler will sich das Unternehmen künftig nicht bloß auf die Beteiligung an Start-ups konzentrieren, sondern nehme auch „gestandene“ Unternehmen ins Visier und plane den Aufbau einer umfassenden Technologieplattform. „Dadurch soll unser Geschäftsmodell skalierbar werden“, sagt er. „Längerfristig wollen wir allen Firmen eine umfassende Begleitung bei der Digitalisierung anbieten und damit Geld verdienen.“ Man müsse bloß die Liste der wertvollsten Unternehmen der Welt ansehen, die fast ausnahmslos digitale Geschäftsmodelle haben. Bei den Firmen im heimischen ATX – der heimische Leitindex wird von Industriefirmen und Banken dominiert – ist das hingegen völlig anders. „Unser – ambitioniertes – Ziel ist es, dass in den nächsten zehn Jahren alle im ATX vertretenen Unternehmen von uns mitgestaltet werden und wir teilweise daran auch beteiligt sind“, so Elsler.

Im laufenden Jahre wolle man den Wachstumskurs fortsetzen. Derzeit bieten alle großen internationalen Beratungsfirmen wie Accenture, PwC oder KPMG ihren Kunden an, sie in Richtung Digitalisierung zu begleiten. Startup300 wolle da ein authentischer Ansprechpartner – auch für große Firmen – sein und müsse deshalb weiter stark auf Wachstum setzen.

Das Ergebnis im Geschäftsjahr 2018 war wegen der Übernahmen und der nötigen Firmenwertabschreibungen negativ. Ob Wachstum für startup300 wichtiger sei als Gewinn? „Schon bei unserem Börsestart haben wir im Gespräch mit Privatanlegern und anderen betont, dass wir noch keine Renditeaktie sind und offen ist, ob und wann wir einmal eine Dividende zahlen werden. Wir peilen auch für das laufende Jahr ein starkes Wachstum an, vor allem durch M&A-Transaktionen. Das Ergebnis wird dafür erst einmal hintangestellt“, betont Eisler.

Quelle: Börsen Radio Network AG

Hier kommen Sie zum Börsenradio Video: https://www.wienerborse.at/news/boersenradio/detail/?radio=35722

Redaktion: Dr. Christine Domforth