30 Jul Auch Fashionistas werden „grün“
Last Updated on 2021-08-02
Dr. Christine Domforth zu Five Minutes for Finance NL 24.07.2021
Wegwerfmode ist angesichts von Klimakrise und steigendem Umweltbewusstsein nicht mehr zeitgemäß. Dass Mode auch nachhaltig sein kann, haben vor allem die internationalen Luxusmarken längst erkannt. Und Second-Hand-Mode wird vor allem bei der Jugend immer beliebter.
Die Modebranche gilt als gigantische Dreckschleuder. Sie verursacht mehr CO2-Emissionen als Seeschifffahrt und Luftfahrt zusammen, haben die Vereinten Nationen errechnet. Dazu kommen oft miese Löhne und problematische Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie bis hin zur Kinderarbeit, weiters synthetische Materialien, die nicht verrottbar sind, und sehr oft giftige Farbstoffe. Besonders problematisch ist dabei die fast fashion, wie sie beispielsweise in den Läden von H&M, ZARA oder KiK hängt. Fast fashion ist ein ungesunder Trend, betont etwa Heidrun Kopp in einem Beitrag für den aktuellen Newsletter Five Minutes for Finance.
Getragen werden viele dieser spottbilligen Kleidungsstücke übrigens nicht unbedingt. Laut einer Greenpeace Studie besitzen die ÖsterreicherInnen im Alter zwischen 14 und 69 im Schnitt 85 Kleidungsstücke, wobei Unterwäsche und Socken nicht mitgerechnet wurden. Und jedes achte (!) dieser insgesamt 547 Millionen Kleidungsstücke wird so gut wie nie angezogen. Demnach liegen bzw. hängen allein in Österreich 72 Millionen Kleidungsstücke ungetragen im Kasten. Dass viele Billiganbieter unverkaufte Stücke einfach vernichten, beweist ebenfalls, dass die internationale Modeindustrie – so das Urteil der Vereinten Nationen – ein ökologischer und sozialer Notfall ist.
Galionsfigur Stella McCartney
Doch die Gegenbewegung hat als Folge des generellen gesellschaftlichen Wertewandels längst eingesetzt. „Mode geht auch nachhaltig,“ betont Astrid Valek und verweist darauf, dass mit der Shopping-Scham die nächste große Trendwende in unserem Konsumverhalten ansteht. Ein Role Model und der Branche weit voraus war und ist Stella McCartney, Tochter von Beatle Paul McCartney. Zu einer Zeit, als in der Modewelt Nachhaltigkeit noch süffisant belächelt wurde, setzte sie bereits voll darauf. Sie verwendet seit Jahren kein Leder, stellte auf organische Baumwolle um, produziert generell umweltfreundlich und hat vor kurzem auch PVC ganz aus ihrer Kollektion verbannt. 2001 gründete McCartney ihr eigenes Label, heute ist es eine weltweit begehrte Luxusmarke.
Noch früher als die Beatle-Tochter hatte ein Italiener auf Mode mit gutem Gewissen gesetzt. Bruno Cuccinelli begann vor mehr als 40 Jahren im Dörfchen Solomeo in Umbrien mit der Produktion exklusiver Kaschmirpullover. Er propagierte einen „humanitären Kapitalismus“, zahlt seinen Mitarbeitern bis heute deutlich mehr als die Konkurrenz und beteiligt sie am Unternehmensgewinn, achtet generell auf gute Arbeitsbedingungen und engagiert sich im Umweltschutz. Früher belächelt ist Cuccinelli heute Partner von Kaderschmieden wie der Harvard- University oder dem MIT, die ihre Studenten zu ihm schicken. Er ist einer der reichsten Männer Italiens, der Umsatz seines Unternehmens hat sich seit dem Börsengang 2012 in etwa verdoppelt.
Luxusmarken setzen auf Öko
Während Billiganbieter wie H&M oder Zara sich bei der Abkehr von billiger Wegwerfmode schwertun – allerdings haben viele von ihnen mittlerweile eine Öko-Linie in ihrem Angebot – setzen Luxuskonzerne bereits stark auf das Thema Nachhaltigkeit. Man achtet beim Rohstoffeinsatz ebenso darauf wie bei den Verpackungen, holt sich dafür Experten, setzt auf Recycling und versucht verstärkt, regional zu produzieren.
Der Luxuskonzern LVMH, zu dem u. a. Marken wie Louis Vuitton, Dior, Givenchy, Bulgari und Tiffany gehören, holte deshalb im Vorjahr Stella McCartney und machte sie zur obersten Nachhaltigkeitsbeauftragten. Zuvor hatte die britische Designerin mit Kering – zu diesem von Francois Pinault gegründeten Luxuskonzern gehören unter anderem Gucci, Bottega Veneta, Saint Laurent, Brioni und Alexander McQueen – zusammengearbeitet. Kering war 2019 als umweltfreundlichstes Luxusunternehmen ausgezeichnet worden.
Für Schlagzeilen sorgte die Tatsache, dass sich LVMH vor kurzem bei Birkenstock, dem mit insgesamt vier Milliarden Euro bewerteten deutschen Hersteller von Gesundheitssandalen, einkaufte. Das Luxus-Imperium von Bernard Arnault wird damit „grüner“ und stellt seine Neupositionierung unter Beweis.
Auch der Aktienkurs profitiert
Der Imagewandel, den viele Luxusmarken derzeit anpeilen oder schon vollzogen haben, macht sich nicht nur beim Image bezahlt, er hat auch den Aktien von LVMH, Kering Richemont, Hermès & Co. durchwegs getan. Die Titel dürften auch in Zukunft noch Potenzial haben, meinen Analysten. „Luxus goes Öko – das bringt Kursphantasie,“ bringt es Elisabeth Wolfbauer-Schinnerl auf den Punkt.
Exklusive Vintage Mode gab es schon immer, jetzt gewinnt Second-Hand-Mode generell mehr Bedeutung. Der Aspekt der Nachhaltigkeit ist hier vor allem für jüngere Menschen noch wichtiger als der meist günstige Preis. Eine Handtasche aus Vorbesitz verursacht zum Beispiel um 90 Prozent weniger CO2-Emissionen als eine nagelneue. Und eine gebrauchte Birkin- oder Kelly Bag von Hermès ist nicht nur ein ansprechender Anblick, sondern – das beweisen Auktionsergebnisse immer wieder – auch eine gute Geldanlage.
Quelle: Five Minutes for Finance NL 24.07.2021; HerausgeberInnen Karin Kisling, Heidrun Kopp, Peter Krutina, Astrid Valek, Elisabeth Wolfbauer-Schinnerl