14 Apr Beratung gibt es nicht zum Nulltarif
Last Updated on 2021-04-15
Brigitta Schwarzer
Mit billigen Prämien lassen sich D&O-Versicherungen heute nicht mehr verkaufen. Der Vertrieb muss den Kunden vermitteln, wie wichtig dieser „Manager-Schutzschirm“ gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist und warum umfassende Beratung ihren Preis hat.
Die D&O-Versicherung ist heute in der Wirtschaft bestens etabliert. Genutzt wird dieser „Schutzschirm“ für Manager nicht nur von börsenotierten Großunternehmen, sondern immer stärker auch von Mittelbetrieben, öffentlichen Unternehmen, Vereinen, Stiftungen und sonstigen Institutionen. Das liegt nicht nur an einigen spektakulären Affären wie etwa dem VW-Dieselskandal, sondern auch an den Medien, die Manager heute oft schon prophylaktisch an den Pranger stellen. Natürlich warben auch Versicherer und Makler intensiv für eine Absicherung von Führungskräften.
In den vergangenen zehn Jahren wurden die Prämien und Polizzenbedingungen in der D&O-Sparte immer günstiger. So hat man „Zuckerln“ eingebaut, etwa ein Medikamentenservice für inhaftierte Manager. Aber auch die Kernelemente der Terms & Conditions wurden immer „kundenfreundlicher“, beispielsweise durch Erweiterung des Kreises der versicherten Personen, Mitversicherung der operativen Tätigkeit, Auffüllung der Versicherungssumme im Schadenfall oder Verlängerung der Nachhaftungsfrist.
Das ging lange gut, der Markt boomte, über Schadenquoten wurde eisern geschwiegen. Während die D&O-Spezialversicherer auf den Economies-of-Scale-Effekt setzten, hofften die Kompositversicherer auf hohe Cross-Selling-Raten. Und auch bei den meisten vermittelnden Maklern stimmte die Kosten-/Nutzenbilanz, zumindest im „Standardgeschäft“.
Böses Erwachen nach intensivem Preiskampf
Doch nach und nach kippte die Situation: Versicherer und Makler nutzten die „günstigen“ Prämien als Verkaufsargument und lieferten einander einen erbitterten Preiskampf. Das böse Erwachen kam in Form von stark wachsenden Schadenmeldungen. Versicherungsnehmer, versicherte Personen und im Pleitefall auch die Insolvenzverwalter zeigten immer mehr Versicherungsfälle an. Die Versicherungen versuchten zwar, viele Inanspruchnahmen abzuschmettern oder außergerichtlich durch Vergleich beizulegen. Dennoch wurde die D&O-Sparte für sie immer unwirtschaftlicher.
In der Folge begannen immer mehr Versicherer damit, sukzessive die Prämien zu erhöhen, Deckungsanfragen abzulehnen und die Bedingungswerke zurückzufahren. Ist ein Unternehmen in einer „heiklen“ Branche tätig oder hat es schwache Bilanzzahlen, bekommt es nur mehr schwer ein taugliches D&O-Offert. Corona hat diese Situation sowohl für Bestands- als auch für Neukunden weiter verschärft.
Was Managern droht
Wenn die „günstige“ Prämie als Verkaufsargument wegfällt, ist der Versicherungsvertrieb – Außendienst, Makler, Agent – natürlich besonders gefordert. Inhaltliche Argumente und eine intensive Beratung bekommen nun mehr Gewicht. Es gilt, dem Kunden die benefits des Produkts vor Augen zu führen. Manager haften für Fehlentscheidungen unbeschränkt und auch mit ihrem Privatvermögen. Deshalb ist ein „Schutzschirm“ in Form einer D&O-Versicherung unerlässlich – und ganz besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.
Die D&O-Versicherung ist zwar eine kompakte, jedoch äußerst komplexe und juristisch höchst anspruchsvolle Sparte. Fachexpertise in diesem Bereich gehört eindeutig nicht zur Allgemeinbildung, auch guter Hausverstand hilft hier meist nicht weiter. Das macht die Beratung zu einer echten Herausforderung. Wie kann man einem potenziellen Kunden den Unterschied zwischen Organtätigkeit und operativer Tätigkeit oder zwischen Pflichtverstoß und unternehmerischem Ermessen erklären, wenn man selbst zwar viel darüber gelesen hat, aber in der Materie doch nicht ganz sattelfest ist?
Diffizile Rechtsfragen
Wenn es sogar für gelernte Juristen nicht leicht ist, in einfachen Worten die bei der D&O-Versicherung wichtigen Unterschiede zwischen grober Fahrlässigkeit, Wissentlichkeit, bedingtem und unbedingtem Vorsatz zu erklären, dann sind Nichtjuristen damit noch viel eher überfordert. Erschwert wird die Sache dadurch, dass weder der Verkäufer noch der Käufer sich eine Blöße geben wollen oder können. Dann reden möglicherweise zwei Blinde von der Farbe und schnell aneinander vorbei …
Haben Versicherer bzw. Makler einschlägige Juristen im Haus, tun sie sich leichter. Das gilt aber nur bedingt, weil die Rechtsexperten normalerweise nicht im Vertrieb tätig sind. Hier wären Versicherer und Makler gefordert, entsprechende Modelle zu entwickeln, die kostenneutral sind, jedoch dem Kunden einen Mehrwert bringen. Ob Erklärvideos funktionieren, könnte man auf breiterer Basis zumindest erproben. Auch eine übergreifende Initiative des Versicherungsverbandes VVO könnte hier ev. der Sache dienlich sein.
Die oft sehr zeitintensive Beratung in der D&O-Versicherung ist natürlich auch ein Kostenfaktor, der durch die Prämie nicht gedeckt wird. Wenn Versicherer Prämienerhöhungen vornehmen, dienen diese als Risikoprämie im Schaden- bzw. Deckungsfall, sie sollen nicht den Aufwand vor Vertragsabschluss abfedern.
Keine Gratisberatung!
Zu denken geben sollte eine Fehlentwicklung, die immer öfter zu beobachten ist. Bestehende oder künftige Versicherungsnehmer bombardieren den Versicherer oder Makler oft mit Detailfragen, für die normalerweise ein Anwalt zuständig wäre. Oft sagen die Fragesteller völlig ungeniert, sie wollen sich das Anwaltshonorar ersparen, indem sie sich anderweitig und „kostenfrei“ die benötigte Auskunft holen. Da ist ein Umdenken nötig. Der Makler darf zwar keine Rechtsberatung machen, als Berater in allen Versicherungsbelangen darf er bzw. ein Spezialist für dieses Fachgebiet sehr wohl Kunden – bestehenden und potenziellen – das D&O-Produkt und seine komplexe Funktionsweise erklären und dafür auch ein gesondertes Honorar verrechnen.
Früher war von Maklern und Versicherungsberatern gegenüber ihren Kunden vor allem Verhandlungsgeschick gefragt, es ging dabei in erster Linie um die günstigste D&O-Prämie. Jetzt gilt es, die Kunden davon überzeugen, dass der zusätzliche D&O-Beratungsaufwand sinnvoll und notwendig und dafür auch ein angemessenes Honorar zu zahlen ist. Wer wagt, gewinnt.
Dieser Beitrag ist auch im VersicherungsJournal vom 29.03.2021 erschienen: Beratung gibt es nicht zum Nulltarif – VersicherungsJournal Österreich