13 Apr Climate Governance: Auch Wirtschaftlichkeit muss sein
Last Updated on 2023-04-13
Brigitta Schwarzer
Unternehmen sind gut beraten, bei ihrer Nachhaltigkeitsstrategie nicht zu „Gutmenschen“ zu mutieren, die Maßnahmen sollen vielmehr auch ökonomisch tragfähig sein. Eine Gratwanderung? Nicht, wenn der Aufsichtsrat seiner Rolle gerecht wird.
ESG ist mittlerweile endgültig in den Unternehmen angekommen und damit auch das Thema Climate Governance. Man versteht darunter kurz gesagt alle gesetzlichen Regelungen, die Unternehmen, Institutionen und Staaten einhalten müssen, um dem Klimawandel zu begegnen. Darüber hinaus sind auch diverse Empfehlungen und Standards zu beachten, die dazu beitragen sollen, Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu fördern. Beispiele dafür sind etwa das Pariser Klimaabkommen sowie CO2 -Abgaben und Emissionshandelssysteme.
Was die EU verlangt
Die EU will bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein („Green Deal“) und hat im Bereich der Climate Governance eine Reihe von verbindlichen Maßnahmen und Regelungen beschlossen. So wurden 2020 in der Taxonomie-Verordnung Kriterien festgelegt, welche wirtschaftlichen Aktivitäten und Investitionen als nachhaltig gelten und welche als schädlich im Sinne der Nachhaltigkeit klassifiziert werden. Gerade in der „heißen Phase“ sind die Beratungen zum EU-Lieferkettengesetz. Unternehmen sollen dadurch verpflichtet werden, entlang ihrer gesamten globalen supply chains Verantwortung für menschenwürdige und ökologische Standards zu übernehmen. Der finale Gesetzestext dürfte demnächst vorliegen, es wird bereits heftig lobbyiert. Das Gesetz soll noch heuer beschlossen und wird dann zwei Jahre später in Kraft treten. In Deutschland gibt es bereits ein derartiges Gesetz, das aber nur für große Unternehmen gilt.
Die Nicht-Finanzielle-Berichterstattungsrichtlinie der EU verpflichtet große Unternehmen, in ihren Geschäftsberichten über ihre Nachhaltigkeitsbelastungen und -risiken zu informieren. Ab 1. Jänner 2024 wird diese Verpflichtung auch auf kleinere Unternehmen ausgedehnt. Nur Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern sind davon ausgenommen, über die Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf Umwelt und Gesellschaft Rechenschaft ablegen zu müssen.
Exkurs: Österreich ist bei der Gesetzgebung in Sachen Klimaschutz bisher trotz anderslautender Bekenntnisse mancher Politiker relativ lax vorgegangen. Wichtige Regelungen fehlen, darunter das Energieeffizienz- und das Klimaschutzgesetz. Zurückzuführen ist das auf Differenzen zwischen ÖVP und Grünen, für Unternehmen wird dadurch die Planbarkeit erschwert.
Hier ist der Aufsichtsrat gefordert
Die gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich Climate Governance sind zum größten Teil operativer Natur und richten sich daher in erster Linie an den Vorstand der Unternehmen. Doch auch der Aufsichtsrat ist hier in mehrfacher Weise gefordert. Zum einen muss er im Rahmen seiner Kontrollfunktion überwachen, ob der Vorstand die relevanten Nachhaltigkeitskriterien einhält und für eine angemessene Nachhaltigkeitsberichterstattung sorgt. Tut der Vorstand das nicht, muss der Aufsichtsrat eingreifen. Im Extremfall kann das bis zur Abberufung des Vorstands gehen. Zum anderen ist gerade bei einem so sensiblen Thema wie dem Klimaschutz die strategische Ausrichtung besonders wichtig. Hier kann der Aufsichtsrat den Vorstand intensiv unterstützen und beraten – besonders auch im Hinblick auf eine langfristige Nachhaltigkeitsstrategie.
Weiters ist es Aufgabe des Aufsichtsrats, der Geschäftsführung als Sparringpartner zur Verfügung zu stehen – auch zum Thema Nachhaltigkeit. Der Aufsichtsrat kann Chancen und Risken in diesem Bereich identifizieren und sicherstellen, dass der Vorstand darauf angemessen reagiert. Bei der Auswahl von Beratern für Climate Governance kann er sich ebenfalls einbringen. Und schließlich muss der Aufsichtsrat bereits bei der Auswahl der Vorstandsmitglieder darauf achten, dass diese die erforderlichen Kompetenzen im Bereich Nachhaltigkeit haben.
Bei der Erfüllung dieser Aufgaben ist es von Vorteil, wenn der Aufsichtsrat möglichst divers zusammengesetzt ist. Je mehr fachliche Expertise und Übersicht im Kontrollorgan vertreten sind, desto besser kann der Aufsichtsrat seine Aufgaben wahrnehmen und den Vorstand bei allen nötigen Schritten unterstützen. Gerade im Bereich Umweltschutz rächen sich Versäumnisse oft nicht unmittelbar, sondern werden erst später schlagend und wirken dann noch lange nach. Das sollte der Aufsicht bei seiner Tätigkeit stets im Hinterkopf haben.
Climate Governance definiert, welche Anforderungen Unternehmen im Bereich Umwelt und Gesellschaft zu erfüllen haben. Sie verpflichtet Unternehmen allerdings nicht dazu, „Gutmenschen“ zu sein. Es geht vielmehr um wirkungsvolle Maßnahmen, die sowohl positiv für Umwelt und Klima als auch wirtschaftlich sind. Die Nachhaltigkeitsstrategie muss also nicht nur den Anforderungen an Umwelt und Gesellschaft gerecht werden, sondern auch eine ökonomisch tragfähige Basis haben.
Climate Governance ist kein Buch mit sieben Siegeln, sondern eine Richtschnur für pragmatisches und vernünftiges Handeln auf wirtschaftlicher Grundlage. Derzeit drängt hier eine Vielzahl von Beratern auf den Markt, die ihre teils überschießenden Empfehlungen abgeben. Dabei sind die Ausführungen dieser Experten oft so komplex, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. In der Unternehmenspraxis kommt man damit oft nicht weit. Es geht vielmehr darum, dass der Aufsichtsrat eine Art Leitfaden hat, was zu einer guten Governance, hier konkret eben Climate Governance, gehört. Dazu braucht er Berater auf Augenhöhe, die ihm Sparringpartner sind.
Was im Kodex steht
Bereits Eingang gefunden hat die Climate Governance in die Regelwerke für börsenotierte Unternehmen in Deutschland, der Schweiz und Österreich. Am weitesten geht hier der Swiss Kodex. Er betont die Bedeutung von Nachhaltigkeit und Umweltschutz in der Unternehmensführung. Der Verwaltungsrat solle sicherstellen, dass das Unternehmen geeignete Maßnahmen ergreift, um die Umweltauswirkungen zu minimieren. Weiters wird von den Unternehmen die Entwicklung einer nachhaltigen Geschäftsstrategie sowie eine umfassende Informationspolitik zum Thema Umwelt gefordert.
Ähnliche Bestimmungen zu Climate Governance gibt es im deutschen Corporate Governance Kodex. Besonders betont wird, dass die Aufsichtsratsmitglieder unabhängig und objektiv bleiben müssen, um die Geschäftsentscheidungen des Vorstands einschließlich Nachhaltigkeitsstrategie und ökologischer Auswirkungen des Unternehmens kritisch hinterfragen zu können. Der österreichische Corporate Governance Kodex enthält ähnliche Empfehlungen und rät den Unternehmen auch zu einer transparenten Informationspolitik über ökologische Auswirkungen sowie Bemühungen zur Vermeidung von Umweltbelastungen.
„Climate Governance – Rolle und Verantwortung des Aufsichtsrates“: Das ist das Thema eines gemeinsam von Female Board Pool und INARA veranstalteten Netzwerk Events. Es findet am 24. April 2023 online für die Female Board Pool Mitglieder aus Österreich und Deutschland statt. Nach einem Impulsvortrag, der eine Einführung in das komplexe Thema bietet, werden die Teilnehmerinnen in Kleingruppen Aufsichtsratssitzungen simulieren. Dabei werden vorgegebene Nachhaltigkeits-Cases besprochen, wobei in jeder Gruppe eine Nachhaltigkeits-Expertin mitwirkt. Die Fälle samt den in den Gruppen getroffenen Entscheidungen werden dann im Plenum vorgestellt und diskutiert.