Das Zinshaus ist kein Sparbuch

Das Zinshaus ist kein Sparbuch

Last Updated on 2020-01-20
Dr. Christine Domforth, 18.04.2019

Zinshäuser sind trotz relativ bescheidener Rendite nach wie vor sehr gefragte Anlageobjekte. Wie sehr das geltende Mietrecht Hauseigentümer diskriminiert und wie es mit den Immobilienpreisen weitergehen könnte, wurde von einer hochkarätigen Runde in der Schoellerbank diskutiert.

 „Alternative Zinshaus“ lautete der Titel einer Veranstaltung am 11. April 2019 im ehrwürdigen Rothschild-Saal der Schoellerbank. Eingeladen hatten die Schoellerbank, die ÖRAG und die INARA, moderiert wurde der Abend von INARA-Geschäftsführerin Dr. Brigitta Schwarzer, die selbst auch Immobilien-Expertin ist. Nachdem Direktor Dr. Raphael Hartl von der Schoellerbank die Teilnehmer begrüßt hatte, präsentierte zunächst Mag. Kaspar Erath, Zinshausbesitzer und Obmann des Vereins zur Revitalisierung und architektonischen Aufwertung der Wiener Gründerzeithäuser, Daten und Fakten zum Thema Zinshaus. Dieses sei „in die Knochenmühle der Politik geraten“. Das österreichische Mietrecht habe seine Wurzeln in der Notsituation nach dem Ersten Weltkrieg und sei heute nicht mehr zeitgemäß. Besonders stört Erath, dass in Wien der zweitniedrigste Richtwert von ganz Österreich gilt, was absolut nicht gerechtfertigt und nur durch juristische „Kunstgriffe“ zustande gekommen sei.

Jede Immobilie habe Emotion und sie gelte nach wie vor als konservative Veranlagungsform, betonte Mag. (FH) Norbert Prenner, Head of Wealth Advisory in der Schoellerbank. Für spitze Rechner sei die Immobilie aber nicht mehr so attraktiv wie früher, so Prenner unter Verweis auf die zahlreichen steuerlichen Verschlechterungen, die es in den vergangenen Jahren gegeben hat. Die Rendite für ein Zinshaus liege heute meist unter zwei Prozent p.a., am Bankkonto bekomme man derzeit allerdings gar keine Zinsen. Prenner betonte, dass es bei jeder erfolgreichen Veranlagung auf eine entsprechende Streuung ankommt, die Bewirtschaftung eines Zinshauses aufwendig sei und Erben oft lieber Geld als Immobilien wollen. Während Kunden bei Spesen für die Vermögensverwaltung ganz genau hinsehen, würden sie bei Immobilien oft auf die recht beträchtlichen Nebenkosten vergessen.

Ausländische Investoren sind laut ÖRAG-Vorstand Mag. Johannes Endl irritiert über das österreichische Mietrecht, sie verstehen es einfach nicht. „Internationale Kunden haben Renditevorstellungen, die hierzulande bei einem Zinshaus meist nicht realistisch sind“, so Endl. Deshalb liege der Ausländeranteil an den Zinshaustransaktionen unter zehn Prozent.

Erath betonte, dass die Zahl der Zinshäuser in Wien pro Jahr um rund 150 bis 200 sinkt. Er spricht von einer „stillen Verrostung“ des Marktes. Mit den gegenwärtigen Richtwertmieten könne man Häuser nicht erhalten, viele – vor allem außerhalb des Gürtels – verfallen. Und die Stadtpolitik schaue dabei einfach zu. Rechnen kann sich der Kauf eines Zinshauses laut Erath nur für Projektentwickler bzw. wenn man parifiziert und dann die Eigentumswohnungen verkauft. Diese fehlen dann als Mietwohnungen. Dabei kommen schon jetzt pro Jahr in Wien rund 5.000 Wohnungen zu wenig auf den Markt, da sei ein Preisanstieg unvermeidbar. Insgesamt gibt es in Wien noch rund 15.000 Zinshäuser, 9.000 davon liegen in Schutzzonen. Trotz Sonderauflagen etwa beim Fenstertausch oder bei Farben gelte auch hier der Richtwert.

Die aktuelle Niedrigzinsphase und die hohen Immobilienpreise hängen ursächlich zusammen. Wie lange diese Situation noch anhalten wird und wann man auch an den Verkauf von Immobilien denken sollte, wollte Schwarzer von den Diskussionsteilnehmern wissen. Prenner betonte, er habe „keine Glaskugel“. Wenn sich aber das Zinsumfeld ändert, könnten die Immobilienpreise auch wieder einmal fallen. Dass der Anstieg so weitergeht wie in den vergangenen Jahren, glaubt er jedenfalls nicht. Wenn jemand viele Immobilien hat, sei zu überlegen, das eine oder das andere Objekt zu den aktuell sehr guten Preisen zu verkaufen.

„Bei einem moderaten Zinsanstieg wird sich bei den Zinshäusern preislich nicht viel tun“, meinte Endl. Die Ballungszentren wachsen – und genau dort stehen die Zinshäuer. Dazu komme der Zuzug in die Städte. Das Zinshaus sei weiter sehr begehrt, weil knapp und nicht vermehrbar. „Bei den Preisen wird also nicht viel passieren. Große Renditeerwartungen darf man allerdings auch nicht haben“, lautete der Befund von Endl.

Generell, ganz besonders aber bei Immobilien, sollte man sich rechtzeitig überlegen, was später mit dem Vermögen passiert. Notar-Substitut Mag. Andreas Tschugguel empfiehlt, sich umfassend beraten zu lassen und ein hieb- und stichfestes Testament zu machen, um Erbstreitigkeiten zu vermeiden.

Erath führt seit längerem einen juristischen Kampf gegen das heimische Mietrecht, das Hauseigentümer, besonders jene in Wien, massiv diskriminiert. „Man muss bei einem Zinshaus auch einen Ertrag erwirtschaften können, um die Objekte erhalten zu können“, verlieh er seiner Forderung Nachdruck, die er auch bei den politischen Entscheidungsträgern deponiert hat. Beschwerden beim heimischen Verfassungsgerichtshof sowie beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg blieben bisher erfolglos. Doch Erath betont: „Ich bohre weiter!“

Beim Buffet wurde von den Gästen – darunter zahlreiche Vertreter der Immobilienbranche – noch lange und eifrig weiter diskutiert.

Mehr zum Verein zur Revitalisierung und architektonischen Aufwertung der Wiener Gründerzeithäuser: www.zinshauszukunft.wien

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