22 Aug Der Kampf ums billige Schnitzel
Last Updated on 2019-08-22
Interview von Lena Langbauer in „Der Standard“ 17. August 2019, kommentiert von INARA
Wiesbauer-Chef Thomas Schmiedbauer: „Fleischsteuer ist eine interessante Idee“. Der Geschäftsführer des heimischen Fleisch-Verarbeiters Wiesbauer plädiert für ein Umdenken beim Umgang mit Fleisch. Nachhaltigkeit und bessere Fleischqualität sollten das Ziel sein, Lockangebote im Handel eingedämmt werden. Fleisch müsse in den nächsten Jahren spürbar teurer werden, meint er. Von der derzeit vieldiskutierten Alternative Laborfleisch hält er wenig.
Kommentar INARA: Fleisch hat fraglos eine schlechte Klimabilanz: Um das notwendige Tierfutter – meist Soja – herzustellen wird massiv Regenwald abgeholt, der Wasserverbrauch für die Viehzucht ist ebenso ein Problem wie der Co2-Ausstoss der Tiere. Von Tierwohl kann vor allem in der Massentierhaltung keine Rede sein. Während die einen nun die Einführung einer Fleischsteuer fordern, verlangen andere, dass niemand den Bürgern ihr billiges Schnitzel verwehren dürfe.
STANDARD: Sie sind seit über zehn Jahren in der Branche tätig. Was hat sich im Umgang mit Fleisch geändert?
Schmiedbauer: Zuallererst hat Fleisch heutzutage einen ganz anderen Stellenwert. In meiner Kindheit war das schon eine Besonderheit, wenn es überhaupt einmal in der Woche Fleisch gegeben hat. Da gab es den klassischen Sonntagsbraten, und der wurde dann auch viel mehr geschätzt.
STANDARD: Wie sieht das heutzutage aus?
Schmiedbauer: Jetzt kriegst du ja wirklich an jeder Ecke eine Schnitzelsemmel oder sonst irgendein billiges Fleisch.
STANDARD: Woher bekommt die Firma Wiesbauer ihr Fleisch?
Schmiedbauer: Unsere Rohstoffe, wobei es sich hauptsächlich um Rind- und Schweinefleisch handelt, kommen zu 85 Prozent aus Österreich, genauer gesagt aus Oberösterreich und der Steiermark. Durch den großen Exportanteil an Fleisch, den Österreich hat, ist es für uns leider nicht möglich, nur österreichisches Fleisch zu verarbeiten.
STANDARD: Ist Fleisch aus dem Ausland schlechter?
Schmiedbauer: Nein, das kann man so überhaupt nicht sagen. Schlachthöfe im Ausland haben genauso strenge Auflagen. In Deutschland, Holland oder Dänemark gibt es auch gute Schlachthöfe. Da muss man keine Bedenken haben, dass die Qualität des Fleisches vermindert wird. Ich verurteile auch keine österreichischen Unternehmen, die ihr zu verarbeitendes Fleisch aus dem Ausland beziehen. Es ist ja doch um ein paar Cent günstiger und das summiert sich dann schon.
STANDARD: Das heißt, die Nachfrage nach günstigem Fleisch ist noch immer groß?
Schmiedbauer: Die Nachfrage der Händler nach günstigeren Aktivitäten ist immer da. Und das wird sie auch immer sein. Großkunden orientieren sich immer noch an möglichst günstigeren Rohstoffen, damit eben auch mehr produziert werden kann. Da leidet dann aber auch die Qualität darunter.
STANDARD: Bekommen auch Sie solche Angebote?
Schmiedbauer: Ja, auch der Firma Wiesbauer werden solche Angebote gemacht. Ich lehne so etwas aber immer ab. Dann nimmt das eben mein Konkurrent an, damit muss ich leben können. Natürlich ist es verlockend, diese Richtung einzuschlagen, ich weiß aber nicht, ob das der richtige Weg ist.
STANDARD: Was wäre der richtige Weg?
Schmiedbauer: Ein bewussterer Umgang beim Thema Fleisch wäre schon wichtig. Ich finde es sinnvoll, wenn man sich einmal in der Woche ein teureres Markenprodukt kauft und die Qualität dahinter dann auch genießt und schätzt. Man muss auch nicht bei allen Angeboten im Lebensmittelhandel zugreifen, besonders nicht bei der Wegwerfkultur, die in unserer Gesellschaft noch immer ein großes Problem darstellt. Aber solange es im Geschäft die 50-Prozent-Rabatte auf Fleisch gibt, wird der Mensch sie auch wahrnehmen. Man muss also wo ganz anders ansetzen.
STANDARD: Wo wäre das?
Schmiedbauer: Der Weg, wo wir hingehören, ist der, dass man sich bei einem qualitätsvollen und dementsprechend teureren Stück Fleisch denkt: Das gönn ich mir jetzt einmal. Der Mensch braucht gar nicht jeden Tag sein Schnitzerl auf dem Teller. Fleisch wird auf lange Sicht gesehen sowie teurer werden, das aber auch zu Recht.
STANDARD: Wieso zu Recht?
Schmiedbauer: Wenn man ein gutes Stück Fleisch kaufen möchte, dann hat das natürlich seinen Preis. Für die, die sich das leisten können, ist Fleischkonsum schon wieder ein ganz anderes Thema. Da wird das immer größer werdende Bewusstsein bemerkbar, somit ist in diesen Segmenten schon eine positive Entwicklung sichtbar. Eine Entwicklung, die weg vom Billigfleisch geht. Bei der Schicht, die sich dieses bewusste Einkaufen von Qualitätsfleisch vielleicht nicht so leisten kann, ist ein nachhaltigerer Umgang mit Fleisch nicht so leicht umsetzbar.
STANDARD: Zeigt sich die klimawandelbedingte Fleischdebatte bei Ihren Umsätzen?
Schmiedbauer: Das hätten wir nicht bemerkt, die Umsätze sind auf jeden Fall nicht zurückgegangen. Was aber schon mehr wird, sind die Fragen, was wir für die Umwelt machen und wie genau unser Fleisch hergestellt wird.
STANDARD: Und was machen Sie bei der Firma Wiesbauer für die Umwelt?
Schmiedbauer: Wir beschäftigen uns ja nicht erst seit gestern mit den Themen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Beim Thema Umwelt sind beispielsweise die Verpackungsmaterialien ein Riesenthema. Hier haben wir bereits die Folienstärke reduziert, damit wir weniger Entsorgungen haben. Eine gewisse Dicke in den Plastikverpackungen ist jedoch unumgänglich, damit das Fleisch konserviert werden kann. Es wurde auch vieles von Kunststoff auf Papier umgestellt Wir sind uns der aktuellen Debatten sehr bewusst und stellen, wo es eben möglich ist, auf umweltfreundliche Alternativen um.
STANDARD: Ist Fleisch Ihrer Ansicht nach ein Auslaufprodukt?
Schmiedbauer: Nein. Ich bin der Meinung, dass Fleisch immer gegessen werden wird. Ich kann aber nicht verneinen, dass der Konsum zurückgehen wird. Allerdings nicht gravierend. Wenn aber ein sehr großer Anteil der Bevölkerung beschließt, nur mehr einmal die Woche Fleisch essen zu wollen, dann bekommt unsere Branche natürlich auch ein Problem. Aktuell mache ich mir da aber keine Sorgen.
STANDARD: Hat künstlich hergestelltes Fleisch das Potenzial, sich durchzusetzen?
Schmiedbauer: Ich denke, dass auch jedes künstlich hergestellt Fleisch seine Probleme und Themen hat. Das würde auf jeden Fall noch dauern, bis sich das ganz durchsetzt, falls es überhaupt so kommt. Ich frage mich aber auch, ob wir unsere Kinder wirklich mit Laborfleisch großziehen wollen.
STANDARD: Wieso glauben Sie, dass Fleisch in den nächsten Jahren spürbar teurer wird?
Schmiedbauer: Das wird aus zwei verschiedenen Gründen dazu kommen. In einigen Ländern, in denen aktuell noch nicht so viel Fleisch konsumiert wird, geht der Konsum noch nach oben. Außerdem wird Fleisch durch die Nachhaltigkeitsthematik teurer werden, weil da dann einfach mehr investiert werden muss. Um welche Größenordnungen es da geht, kann und will ich zurzeit gar nicht sagen.
STANDARD: Das ist ja ein ganz konträres Bild, das sich beim Thema Fleisch auftut. Auf der einen Seite wird gute Qualität und Nachhaltigkeit gepredigt und auf der anderen Seite will man als Großkunde noch immer möglichst günstige Ware einkaufen.
Schmiedbauer: Ja absolut. Das Thema mit dem Billigfleisch gibt es schon immer, die Nachhaltigkeit wird erst jetzt thematisiert. Das ist noch immer ein schleichender Prozess. Das merkt man daran, dass in Prospekten von Supermärkten auf der einen Seite für nachhaltige Produkte geworben wird, und auf der darauffolgenden Seite gibt es die günstigen Angebote für Wurstprodukte. Diesbezüglich gehört noch viel mehr gemacht.
STANDARD: Was würden Sie von einer Fleischsteuer halten, wie sie die Liste Jetzt auch für Österreich vorgeschlagen hat?
Schmiedbauer: Wenn das dann so gehandhabt werden würde, dass man die eingenommenen Steuergelder wieder sinnvoll in Umweltthemen einsetzt, halte ich das für eine interessante Idee. Da müsste dann aber auch wer dahinter sein, der das politisch kontrolliert, sonst funktioniert das nicht. Ich hätte jedoch Riesenbedenken, dass es lediglich eine weitere Steuer werden würde und das Produkt einfach nur teurer wird.
Zur Person:
Thomas Schmiedbauer (Jahrgang 1975) ist seit 2008 Geschäftsführer des Wiener Wursterzeugers Wiesbauer. Aufgewachsen ist er im neunten Wiener Gemeindebezirk, Alsergrund, als Sohn einer „Urwiener Familie“, wie er selbst sagt. Nachdem er die Handelsakademie in Wien erfolgreich absolviert hatte, lernte er den Beruf des Fleischhauers. Im Jahr 2006 übernahm er die Verkaufsleitung bei Wiesbauer.
Zum Unternehmen:
Wiesbauer Das Unternehmen wurde 1931 von Franz Wiesbauer gegründet. 1976 übernimmt Karl Schmiedbauer die Geschäftsführung. 2010 übernimmt Thomas Schmiedbauer die Leitung von seinem Vater. Ziel ist es, den Betrieb weiterhin in Familienhand zu behalten. So wird Thomas Wiesbauers Neffe Benjamin bereits in alle Bereiche des Unternehmens eingeführt. Wiesbauer hat über 800 Mitarbeiter und einen jährlichen Umsatz von rund 190 Millionen Euro.
Das Interview finden Sie auch auf https://www.derstandard.at/story/2000107484586/wiesbauer-chef-schmiedbauer-der-fleischkonsum-wird-sicher-zurueckgehen