Der kleine Unterschied beim Älterwerden

Der kleine Unterschied beim Älterwerden

Last Updated on 2020-01-20
Dr. Christine Domforth

Wie sich das Leben der Menschen in der zweiten Lebenshälfte im Langzeitvergleich verändert, geht aus dem Deutsche Alterssurvey (DEAS) hervor. Er zeigt auf, ob und in welchen Bereichen Frauen und Männern unterschiedlich altern und bei welchen Punkten eine sinnvolle Seniorenpolitik ansetzen sollte.

Seit mehr als 20 Jahren wird in regelmäßigen Abständen der Deutschen Alterssurvey (DEAS) erstellt, gefördert wird die Studie vom Bundesfamilienministerium. Jetzt liegen die Ergebnisse für 2019 vor. Der DEAS analysiert, welche Auswirkungen das Älterwerden bei Frauen und Männern auf verschiedene Lebensbereiche – etwa körperliche und seelische Gesundheit oder ehrenamtliches Engagement – hat. Die Untersuchung soll vor allem die Basis für eine zielgerichtete Gleichstellungs- und Seniorenpolitik liefern. Laut Familienministerin Franziska Giffey geht es um Rahmenbedingungen dafür, dass Frauen und Männer gleichermaßen „erfolgreich altern“ und möglichst „gut“ ins hohe und sehr hohe Alter kommen.

Befragt werden für den DEAS jeweils Menschen über 40, die ältesten Personen in der Umfrage sind inzwischen an die 90 Jahre alt. Schon bei der durchschnittlichen Lebenserwartung gibt es Unterschiede, für Frauen liegt sie in Deutschland bei der Geburt heute bei 88 Jahren, bei Männern bei 84 Jahren. Die Langzeitstudie zeigt auf, dass der Alterungsprozess bei Frauen und Männern in einigen Lebensbereichen unterschiedlich verläuft, in anderen hingegen fast ident. Untersucht wird weiters nach Alterskohorten (also unterteilt in die Geburtsjahrgänge 1930 bis 1939, 1940 bis 1949 und 1950 bis 1959), welche konkreten Auswirkungen der gesellschaftlichen und sozialen Wandel über die Jahrzehnte hinweg gehabt hat. Erfreulich ist für Familienministerin Giffey die Tatsache, dass sich in allen Altersgruppen weniger als zehn Prozent der Befragten einsam fühlen.

Gleichheit nur bei der subjektiven Gesundheit

Hier eine Zusammenfassung der Unterschiede zwischen Frauen und Männern: Sie zeigt, dass die beiden Geschlechter tatsächlich unterschiedlich altern. Die funktionale Gesundheit (definiert durch Alltagsmobilität und die Fähigkeit zu selbständiger Lebensführung) ist bei Frauen über die gesamte zweite Lebenshälfte hinweg stärker eingeschränkt als bei Männern. Mit steigendem Alter nimmt dieser Unterschied noch zu. Bei der subjektiven Gesundheit (hier geht es darum, wie die Menschen ihren eigenen Gesundheitszustand bewerten) gibt es keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den Geschlechtern. Das gilt sowohl beim Ausgangsniveau als auch im Altersverlauf.

Im mittleren Erwerbsalter sind Frauen mit ihrem Leben zufriedener als Männer, sie bewerten also ihre eigene Lebensqualität als gut. Mit steigendem Alter werden die Frauen dann aber unzufriedener. Frauen zeigen mehr depressive Symptome als Männer und diese nehmen im Alter noch zu. Die Palette reicht dabei von depressiver Verstimmung, wenig Lebensfreude über Schlaflosigkeit bis zum Gefühl, von anderen nicht gemocht zu werden.

Frauen sind bis etwa 80 weniger sozial isoliert – definiert wird soziale Isolation als Mangel an Kontakten zu anderen Menschen – als Männer, haben danach aber ein größeres Risiko. Das Einsamkeitsrisiko – hier geht es um das subjektive Empfinden – der Frauen ist bis ins siebente Lebensjahrzehnt geringer als jenes der Männer, danach steigt es.

In der zweiten Lebenshälfte betreuen Frauen Enkelkinder früher und häufiger als Männer. Im Alternsverlauf wird dieser Unterschied kleiner, ab etwa 70 ist er nicht mehr signifikant. Frauen sind früher und häufiger in der Pflege und Unterstützung von kranken Menschen engagiert als Männer. Erst ab dem achten Lebensjahrzehnt gibt es hier zwischen den Geschlechtern kaum noch einen Unterschied. Männer betätigen sich stärker als Frauen ehrenamtlich. Mit dem Älterwerden nimmt dieser Unterschied ab, ab dem neunten Lebensjahrzehnt ist er kaum noch vorhanden.

Über Jahrzehnte hinweg kaum Veränderungen

Die Geschlechterunterschiede verändern sich trotz des sozialen Wandels von Kohorte zu Kohorte kaum: Bei der funktionalen Gesundheit bleibt der Unterschied zwischen Männern und Frauen gleich, egal ob man die Jahrgänge 1930 bis 1939, 1940 bis 1949 oder 1950 bis 1959 untersucht. Keine Geschlechterunterschiede und keine Veränderung in den einzelnen Altersgruppen gibt es auch bei der subjektiven Gesundheit.

Gleich bleibt der Unterschied zwischen Männern und Frauen weiters bei der Lebenszufriedenheit, beim Depressionsrisiko, bei der sozialen Isolation, bei der Einsamkeit sowie beim ehrenamtlichen Engagement. Nur bei der Betreuung von Enkelkindern wird die Differenz im Lauf der Jahrzehnte kleiner. Zusammenfassend kann man feststellen, dass es beim Alterungsprozess Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt und der Geschlechterunterschied im Langzeitvergleich fast konstant bleibt.

Politische Implikationen der Studie

Sorgetätigkeiten – sei es für Enkelkinder oder für kranke bzw. pflegebedürftige Personen – sind laut DEAS noch immer überwiegend „Frauensache“. Gleichstellungspolitische Maßnahmen sollten hier zu einer gerechteren Aufteilung führen, sodass letztlich mehr Männer derartige Tätigkeiten übernehmen.

Dass es mit fortschreitendem Alter mehr gesundheitliche Einbußen gibt, ist eine Tatsache. Das Gesundheitssystem sollte künftig stärker auf die „Zielgruppe“ ältere Menschen zugeschnitten werden. Als besondere Risikogruppen werden hier Menschen mit ausgeprägter depressiver Symptomatik sowie chronisch einsame alte Menschen definiert. Eine zielführende Maßnahme wäre etwa eine Sensibilisierung der Allgemeinmediziner für das Thema Depression. Bei Psychologen und Psychiatern sollte die noch immer weit verbreitete Denkweise überwunden werden, dass bei älteren Menschen eine Psychotherapie kaum noch wirkt.

Immer mehr Hochbetagte

Soziale Isolation und Einsamkeit sind vor allem Probleme der Hochbetagten und werden aufgrund der demografischen Entwicklung zunehmen. Hier ist ein weiterer Ausbau von wohnortnahen Unterstützungssystemen nötig. Dabei muss auch auf die Autonomie und Privatsphäre der Betroffenen geachtet werden, die auf eine Kontaktaufnahme anfangs oft misstrauisch oder sogar ablehnend reagieren. Essentiell, so die Studie, wäre es, Interventionen gegen Einsamkeit nicht einseitig auf das hohe Alter auszurichten, sondern alle Altersgruppen einzubeziehen, um ein negatives „Image“ des Alters zu vermeiden.

Für wichtig halten es die Studienautoren schließlich, die gesellschaftliche Teilnahme älterer Menschen zu unterstützen, die ja heute deutlich gesünder und aktiver sind als noch vor einigen Jahrzehnten. Beim Ehrenamt haben die Frauen „Nachholbedarf“, hier sollte angesetzt werden.

Generell bleibe es auch weiterhin eine Aufgabe der Seniorenpolitik, die Gleichstellung zwischen Frauen und Männern im Alter voranzutreiben, so das Fazit.

Die ganze Studie entnehmen Sie bitte der Beilage frauen-und-maenner-in-der-zweiten-lebenshaelfte-data