Die Herausforderung Transformation unter Unsicherheiten

Die Herausforderung Transformation unter Unsicherheiten

Last Updated on 2024-02-21
Mag. Manfred Kainz

Ein seltener Gast in Wien, obwohl er Österreicher, genauer Oberösterreicher, ist. Nun war er prominenter Sprecher beim 14. Österreichischen Aufsichtsratstag * an der Wirtschaftsuniversität Wien: Hans Dieter Pötsch, Aufsichtsratsvorsitzender des Volkswagen Konzerns. Vor ausgebuchtem Saal sprach Pötsch im Dialog mit Co-Veranstalterin Univ.-Prof. Susanne Kalss (Institut für Unternehmensrecht) über zentrale Herausforderungen für den Aufsichtsrat eines global tätigen Unternehmens.

Als größte Herausforderung nannte Pötsch das Thema „Transformation“: Dem Pariser Klimaschutzabkommen folgte der EU-„Green Deal“, an dem nun zahlreiche Regularien anknüpfen – auch für die Automobilindustrie. Der „Flottenverbrauch“ sei das prägende Kriterium. Da die Vorgabe 95g CO2/gefahrener Kilometer verbrennerseitig allein nicht erreichbar sei, müsse die Autoindustrie ihren „Manufacturing Footprint fundamental verändern“. Da VW an 120 Orten der Welt Fabriken baue, sei der Konzern sehr investitionsintensiv. Da gehe es im Fünfjahreszeitraum um kumulierte 180 Mrd. Euro, davon 120 Mrd. für Digitalisierung und Elektrifizierung.

Kompetenz abliefern

Als zweite Herausforderung sieht der VW-Aufsichtsratsvorsitzende, dass sich „Risikoprofil und Unsicherheit“ in den letzten Jahren dramatisch erhöht haben. Da müsse der Aufsichtsrat „Kompetenz dokumentieren und abliefern“: Wenn er es richtig macht, könne er einen wesentlichen Beitrag leisten im Umgang mit den gestiegenen Risiken. Aktuell heißt das etwa massive Überzeugungsarbeit, denn die Nachfrage nach E-Autos sei derzeit schwach. Außerdem gebe es Themen betreffend „Grüner Energiepotenziale“, welche die Industrie nur zum Teil beeinflussen könne, bei denen vielmehr auch der Staat mitwirken müsse, der aber langsam sei.

Als Aufsichtsrat Entscheidungen mit zu treffen und mit zu tragen erfordere „Kompetenz und Gut-vorbereitet-sein“ sowie eine „längere Anflugzeit“ im Dialog Vorstand – Aufsichtsrat. Wenn man über zweistellige Milliardenbeträge rede, ist die „Anflugzeit“ in Jahren bemessen. Meinungsbildung etwa zur globalen Wertschöpfungskette von Batteriezellen sei extrem zeitaufwendig: „Den fetten Elefanten muss man in Scheiben schneiden und Schritt für Schritt vorgehen.“ Für die komplexe Struktur des Konzerns seien „saubere Prozesse aufgesetzt“ zur Information für die Unternehmen selbst und deren Aufsichtsrat.

Arbeitsweise

Für die „Querschnittstechnologie“ Batteriezellen habe man sich für „Generalisten statt Spezialisten“ im AR entschieden. Mit der Riesen VW-Forschungsabteilung für Batteriezellen werde man nicht nur Mitläufer sein; Und der Aufsichtsrat holt sich externe Experten, technische Sachverständige, sehr gezielt herein, um punktuell ad hoc deren Perspektive zu „Meilensteinen“ zu hören.

Das Verhältnis des Aufsichtsrats zum Vorstand funktioniere „auf Basis von Transparenz“ und mit dem Offenlegen, wer mit wem spricht, so Pötsch. Denn es gehe im AR nicht ohne „tiefes Verständnis für die Spielregeln der Branche“. Vor den Sitzungen brauche es „intensive Befassung“ für eine „harmonische Entscheidungsfindung“ im Gesamt-AR.

Im „Onboarding“ in den AR gehe es um Persönlichkeit und „supplementäre“ Fachkompetenz. Neue Mitglieder bekommen ein gefertigtes „Programm“, um die Prozesse und Arbeitsstrukturen im AR kennenzulernen. „Das wird gerne angenommen und das dafür Investierte kommt mehrfach zurück.“ Auch die Arbeitnehmervertreter im AR seien in den Onboarding Prozess eingebunden, um die Kapitalvertreter über deren Sicht der Prozesse und deren Zeiterfordernis zu informieren.

CSRD

Das „neue Monster“ CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive), mit denen die EU „ihren Wertekanon“ in die Welt tragen wolle, bedeutet laut Pötsch für die VW AG, mit 2000 „Einzelzielen“ umgehen zu müssen. Mit dem Problem, dass man an spezifische Daten nicht herankomme. Beispiel: Quantifizierung der biochemischen Prozesse des Reifenabriebs. Leider seien in den EU-Gremien für diese Regularien die Industrieunternehmen unterrepräsentiert und die Politik sehr ideologiegetrieben…

* INARA war Partner des Österreichischen Aufsichtsratstages