Die künftige Versicherbarkeit von Cyberrisiken

Die künftige Versicherbarkeit von Cyberrisiken

Last Updated on 2023-07-06
versicherungsjournal.at / Emanuel Lampert, 20.06.2023

Das Bild einer sich schnell verändernden Sparte hat ein „Experten-Panel“ des VersicherungsJournals gezeichnet. Prognosen für die Cyberversicherung sind mit Unsicherheit behaftet. Dennoch ist Zuversicht zu hören, dass Cyberrisiken auch in Zukunft versicherbar sind – wenn auch nicht zwangsläufig so, wie es heute der Fall ist. An der Fragerunde teilgenommen haben Rene Besenbäck (Wefox), Natascha Jäger (Cogitanda Dataprotect), Joe Kaltschmid (Infinco), Benjamin Schilling (R+V) und Risikoexperte Helmut Tenschert.

 Wir haben sie darüber hinaus um ihre Einschätzung gebeten, wie sie die künftige Versicherbarkeit (neuer) Cyberrisiken einschätzen. Rene Besenbäck, Head of Sales bei Wefox Österreich, sieht darin „eine sehr philosophische Frage“, die so einfach nicht zu beantworten sei.

Welche Cyberrisiken sind künftig versicherbar?

Vermutlich, so Besenbäck, werden insbesondere Eigenschaden-Komponenten – Forensik und Wiederherstellung – sowie Haftpflicht- und Betriebsunterbrechungskomponenten nach wie vor versicherbar bleiben.

„Allerdings wohl in stark veränderter Form.“ Das sich verändernde Risikobewusstsein werde wohl dazu führen, dass sich Unternehmer in Zukunft stärker mit der Wurzel des Übels auseinandersetzen müssen, um eine gewisse „Attraktivität“ mit sich zu bringen.

Gleichzeitig müsse sich aber der Versicherungsmarkt auch der Tatsache öffnen, dass nicht jeder Unternehmer durch den Abschluss einer Cyberversicherung „automatisch ‚lockerer‘ im Umgang“ damit wird.

„Wenn man den jüngsten Diskussionen zu KI ein wenig gefolgt ist, lässt sich erahnen, dass sich natürlich auch die Cyberkriminalität verändern wird“, meint Besenbäck. „Ob und wie der Markt reagiert, wird sich weisen.“

Prognose schwierig

Für den Risikomanagementexperten Helmut Tenschert hängt die Antwort auf die Frage nach der künftigen Versicherbarkeit „entscheidend von der Entwicklung der Schadenszahlen“ ab. Eine Voraussage sei schwierig.

„Es wird nicht einfacher werden, größere Unternehmen in der optimalen Form versichern zu können“, so Tenschert weiter. „Ich rechne auch damit, dass die präventiven Sicherheitsanforderungen mehr werden.“

Die Entwicklung der Schadensstatistiken werde zweifellos eine entscheidende Rolle spielen.

„Mit der laufenden Zunahme an neuen Risken werden die Herausforderungen groß, mit einer darauf ausgerichteten Produktwelt Schritt zu halten. Man wird sehen wie das weitergehen wird, eine Prognose wage ich da nicht zu stellen.“

Investorenblicke auf die Cyberversicherung

In puncto Versicherbarkeit werden die Risiken Kumul und Ransomware am stärksten diskutiert“, sagt Joe Kaltschmid, Geschäftsführer des Versicherungsmakler-Unternehmens Infinco GmbH & Co.KG.

„Aus unserer Sicht bleiben Cyberrisiken versicherbar. Denn es drängen viele Investoren in den Versicherungsbereich, weil es immer noch schwieriger wird, für zu viel Kapital eine entsprechende Rendite zu erreichen.“

Diese Rendite, so Kaltschmid, suchen viele Investoren im Bereich der Cyberversicherung. „Dies äußert sich in der Neueröffnung zahlreicher Cyber-MGAs und in der Platzierung neuer Cyber-Versicherungsverbriefungen.“

Versicherbarkeit bei risikoadäquater Prämie

Neue Technologien und Entwicklungen werden Chancen und Herausforderungen mit sich bringen, die es im Einzelnen zu berücksichtigen und bewerten gilt, sagt Natascha Jäger, CEO Austria der Cogitanda Dataprotect AG.

Grundsätzlich seien Risiken jeweils versicherbar, solange das Risiko für einen Schaden abschätzbar ist, betont Jäger.

Natürlich bei einer Bemessung des Preises, der die Eintrittswahrscheinlichkeit für einen Schaden widerspiegelt“, ergänzt Jäger.

Modell Allgefahrendeckung

 Benjamin Schilling vom Underwriting Cyberrisk der R+V Allgemeine Versicherung AG Österreich verweist auf das bestehende Bedingungswerk des Unternehmens. Dabei handle es sich um eine Allgefahr-Deckung mit konkret benannten Ausschlüssen.

Die Definition der schadenauslösenden Ereignisse stelle zusammengefasst auf die Veränderung von Daten durch den Gebrauch oder den Zugang von Informations- und Telekommunikationsgeräten des Versicherungsnehmers ab.

Dadurch sind grundsätzlich auch neu auftretende Risiken mitversichert, solange diese nicht explizit ausgeschlossen sind“, erklärt Schilling.

Eine Sparte in Entwicklung

Hat sich das Cyberversicherungsangebot in jüngster Zeit verändert? Sind Veränderungen zu erwarten?

„Wie in jeder sich erst noch entwickelnden Sparte, gibt es über die Zeit Änderungen hinsichtlich des Marktangebots und der daran teilnehmenden Akteure“, stellt Jäger fest.

Aus unserer Sicht werden sich jene Anbieter langfristig durchsetzen, welche das Thema Cyber in seiner Gesamtheit beherrschen und es schaffen, ihre Kunden nachhaltig auf ein angemessenes Sicherheitsniveau zu begleiten.“

Die Position der Rückversicherer

„Der Wandel ist in dieser jungen Versicherungsform die Regel“, beschreibt Tenschert die Entwicklung ähnlich.

Das Angebot verändere sich ebenso wie die Herausforderungen, „Anbieter verlassen den Markt und es ist zu hoffen, dass möglichst viele kommen werden, schließlich belebt Konkurrenz das Geschäft. Die Risikobereitschaft werde sich, wie Tenschert sagt, wenig überraschend an den Schadenzahlen und -leistungen orientieren.

Rückversicherer haben jetzt schon „ein scharfes Auge“ auf die Sparte, „das wird sich intensiv weiter fortsetzen und maßgeblichen Einfluss auf das Verhalten der Erstversicherer haben“.

Risikobereitschaft restriktiver, Risiko-Assessment intensiver

„Die Risikobereitschaft der Versicherer bei der Zeichnung von Unternehmen mit mehr als 50 Millionen Euro Umsatz wird zunehmend restriktiver und die entsprechenden Risiko-Assessments intensiver“, sagt Schilling.

Dies liege unter anderem „an der allgemein steigenden Schadenfrequenz und den hohen Wiederherstellungs- und Betriebsunterbrechungskosten“ in diesem Umsatzbereich.

Viele Änderungen in den letzten zwei Jahren

„Wenn man an die Anfänge in den Jahren 2015/16 zurückdenkt“, resümiert Besenbäck, sei die rasante Veränderung der Risikolandschaft nicht von der Hand zu weisen.

„Damals war es beinahe undenkbar, Betriebsunterbrechungen in der Cybersparte zu decken, weil eine solche Deckung beispielsweise in der Maschinenbruchversicherung gegeben war.“

Auch die letzten zwei Jahre habe es „vielerlei Klarstellungen, Ergänzung von Ausschlüssen und – ganz wichtig – eine massive Reduktion von Kapazitäten in den Versicherungssummen“ (Limits) gegeben.

Dies liege aber nicht unbedingt am Schadensbild, „eher noch am unsicheren Risikobild“. Spätestens mit Beginn der Covid-Krise sei es zu einer Transformation zu einem „voll digitalen Zeitalter“ gekommen, mit, aus Sicht des Versicherers, entsprechenden Folgen für die Unsicherheit der Risikoeinschätzung. „Dem zollt natürlich der ganze Markt Tribut.“

Cyberportfolio-Sanierungen

Das Cyberversicherungsangebot sei gerade erst dabei sich zu verändern, sagt Kaltschmid. Er sieht mehrere Risikoträger in den österreichischen Markt drängen und erwartet eine Entspannung für den Fall, dass die Anbieter auf dem Markt erfolgreich sind.

„Denn gerade größere Unternehmen und Branchen wie Produktion, Energie oder Banken hatten Schwierigkeiten, ihren Versicherungsbedarf in Cyber einzudecken, weil die Versicherer sehr restriktiv agierten“, so Kaltschmid.

„Nachdem einige der großen Player ihre Cyberportfolios saniert haben, sind sie auch wieder mehr bereit ins Risiko zu gehen und fahren beispielsweise Eigenbehalte zurück oder erhöhen Sublimits, dies betrifft vor allem das Thema Ransomware.“

Sehen derzeit keine Knappheit des Angebots“

„Insgesamt“, fährt Kaltschmid fort, „sehen wir, dass Versicherer, die Cyber nachhaltig betreiben wollen, wieder etwas aktiver ins Risiko gehen. Wir sehen derzeit keine Knappheit des Angebots.“

Im Bereich der Rückversicherung gebe es in Sachen Cyber nur wenige sehr große Player. „Da die Rates in den letzten Jahren recht stark anstiegen, rechnen wir mit weiterhin hohem Interesse der Rückversicherer an der Sparte.“

Quelle: Die künftige Versicherbarkeit von Cyberrisiken – VersicherungsJournal Österreich

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