20 Apr Die Rolle des Aufsichtsrats bei der D&O-Versicherung der Aktiengesellschaft
Last Updated on 2024-04-21
Brigitta Schwarzer
Hauptaufgabe des Aufsichtsrats nach dem Aktiengesetz ist die Überwachung und Kontrolle des Vorstands, wobei er sich in allen Belangen am Unternehmenswohl zu orientieren hat. Dazu gehört auch, dafür Sorge zu tragen, dass bei Fehlverhalten eines oder mehrerer Vorstandsmitglieder ein daraus resultierender Schaden für die Gesellschaft (Vermögensschaden, Reputationsschaden etc.) so gering wie möglich gehalten wird. Zu seinen Pflichten gehört es daher, dafür zu sorgen, dass die Gesellschaft über einen angemessenen D&O-Versicherungsschutz verfügt.
Bei der überwiegenden Zahl der Organhaftungsansprüche handelt es sich um Innenansprüche der Gesellschaft gegen einzelne Vorstandsmitglieder. Sie müssen vom Aufsichtsrat geltend gemacht werden. Dieser ist hier in der Pflicht und hat im Hinblick auf das ggf. überwiegende Interesse an der Wahrung der Reputation der Gesellschaft nur einen sehr eingeschränkten Ermessensspielraum. Unterlässt es der Aufsichtsrat, einen Schaden gegenüber dem Vorstand geltend zu machen, kann er selbst von der Gesellschaft in Anspruch genommen werden.
Der Aufsichtsrat hat daher sorgfältig zu beobachten, ob die Mitglieder des Vorstands ihre Aufgaben ordnungsgemäß wahrnehmen, und unverzüglich zu handeln, wenn sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dies nicht der Fall ist.
Dazu gehört, dass nicht nur der/die Aufsichtsratsvorsitzende, der/die über den/die Vorstandsvorsitzende/n in ständigem Kontakt mit dem Unternehmen steht, sondern auch seine/ihre Kolleg:innen auf wesentliche Abweichungen von den Rules & Regulations achten und Fragen – auch kritische und unangenehme – an den Vorstand und gegebenenfalls an die nächste Führungsebene stellen, sich nicht mit oberflächlichen Antworten zufrieden geben, Berichte anfordern und – routinemäßig – Einsicht in die Bücher nehmen. Dies erleichtert die Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten und Missständen und wirkt auch präventiv.
Auch wenn das Vertrauen des Aufsichtsrats in die einzelnen Vorstandsmitglieder oberste Priorität hat, darf es kein „blindes“ Vertrauen sein. Bei Verdachtsmomenten gehört es zu den Sorgfalts- und Kontrollpflichten des Aufsichtsrats, wachsam zu sein, ob beispielsweise unzulässige Spesenabrechnungen vorliegen, Geschäfte im Eigeninteresse getätigt oder befreundete Berater:innen beauftragt wurden. Oft gibt es dabei kein Schwarz oder Weiß, Handeln zum Wohle des Unternehmens und Handeln im Eigeninteresse sind nicht immer klar voneinander abzugrenzen.
Wichtig ist, dass der Aufsichtsrat in solchen Fällen aktiv wird und „Augen und Ohren offen hält“.
Zu den Pflichten des Aufsichtsrats gehört es auch, den Vorstand regelmäßig zu sensiblen Themen wie Korruption, Preis- und Kartellabsprachen sowie zu den getroffenen Compliance-Maßnahmen zu befragen. Um die Rechtmäßigkeit prüfen zu können, muss sich der Aufsichtsrat mit diesen Themen intensiv auseinandersetzen.
Die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen ein Vorstandsmitglied ist im Vorfeld sorgfältig zu prüfen. Selbst wenn die Pflichtverletzung im Einzelfall keinen Abberufungsgrund darstellt, ist mit der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme stets ein Vertrauensentzug verbunden, der wohl überlegt sein will.
Typische Vermögensschäden, für die Vorstandsmitglieder haften, entstehen beispielsweise durch
- Auswahl-, Organisations- und Überwachungsverschulden (z.B. Aufnahme von „nahestehenden“, jedoch nicht entsprechend qualifizierten Mitarbeiter:innen in Schlüsselpositionen)
- Verstöße gegen Gesetz, Satzung, Vorstandsvertrag, Geschäftsordnung und/oder unternehmensinterne Richtlinien (z.B. Abschluss von genehmigungspflichtigen Geschäften ohne Zustimmung des Aufsichtsrats)
- falsche Darstellung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens (z.B. Bilanzkosmetik zur Verschleierung von Verlusten)
- Mängel im Rechnungswesen, im Risikomanagementsystem und im internen Kontrollsystem (z.B. kein durchgängiges Vier-Augen-Prinzip)
- Unzureichende Sicherheitsvorkehrungen zur Verhinderung von Cyber-Angriffen, die zu Betriebsunterbrechungen, Datenverlusten und anderen schwerwiegenden Nachteilen für die Gesellschaft führen können
- Insolvenzverschleppung
Der Aufsichtsrat nimmt daher gegenüber dem Vorstand eine proaktive Rolle beim Abschluss der – in Hinblick auf seine eigene Deckung üblicherweise in der Satzung der Gesellschaft vorgesehenen – D&O-Versicherung ein. Dazu gehören insbesondere
- die Genehmigung von bzw. Mitentscheidung über eine dem Risikoprofil des Unternehmens entsprechende angemessene Versicherungssumme
- die Auswahl des Versicherers / Maklers
- eine marktgerechte Versicherungsprämie
- state-of-the-art Versicherungsbedingungen („best practice D&O-Versicherung“)
- die Aktualisierung der D&O-Versicherung, wenn erforderlich
Zur Erfüllung der eigenen Sorgfaltspflicht ist daher jedes Aufsichtsratsmitglied einer Aktiengesellschaft gehalten, sich mit der D&O-Versicherung der Gesellschaft so eingehend zu befassen, dass es selbst beurteilen kann, ob eine adäquate Deckung vorliegt.