Die vergessene Klimapionierin

Die vergessene Klimapionierin

Last Updated on 2022-03-18
Eunice Foote, geboren 1819, war die erste Person, die Kohlendioxid mit der Erderwärmung in Verbindung brachte. Dass sie bis heute fast völlig vergessen ist, liegt wohl daran, dass lange Zeit Frauen wissenschaftliche Erkenntnisse nicht zugetraut und ihre Arbeiten nicht ernst genommen wurden. Ein – natürlich fiktives – Interview mit einer vielseitig begabten Frau.

INARA: Mrs. Foote, Sie waren offenbar ein Multitalent: Sie haben gemalt, sich stark in der Frauenbewegung engagiert und waren Erfinderin. Bitte erzählen uns zunächst etwas über Ihre Lebensumstände.
Eunice Foote: Ich wurde 1819 als Eunice Newton in einem kleinen Ort in Connecticut geboren. Die Familie meines Vaters war entfernt mit dem berühmten englischen Physiker Isaac Newton verwandt und recht wohlhabend. Ich besuchte wie damals üblich eine Mädchenschule. Man hat uns dort aber ermutigt, auch Vorlesungen an einem nahegelegenen naturwissenschaftlichen College zu hören und dort im Labor zu experimentieren. Das hat mein Interesse geweckt und ich wollte mich weiter mit naturwissenschaftlichen Themen beschäftigen. 1841 heiratete ich den Anwalt Elisha Foote. Er hatte sich auf Patentrecht spezialisiert, war aber auch Mathematiker und Naturwissenschaftler. Wir bekamen zwei Töchter und später sechs Enkel. Gestorben bin ich 1888.

INARA: Können Sie uns ihre Entdeckung, für die Sie heute als Mutter des Klimawandels gelten, kurz erläutern?
Foote: Meine Arbeit hatte den Titel „Umstände, die die Hitze der Sonnenstrahlen beeinflussen“. Einfach erklärt funktioniert mein Experiment so: Ich füllte Glaszylinder mit verschiedenen Gasen, stellte sie ins Sonnenlicht und maß in bestimmten Zeitabständen, auf welche Temperatur sich die jeweiligen Gase erhitzt hatten. Eindeutig am höchsten stieg die Temperatur im Glas mit dem Kohlendioxyd. Damit hatte ich mit einfachen Mitteln den Beweis erbracht, dass Kohlendioxyd bei dem, was heute als Treibhauseffekt bezeichnet wird, eine entscheidende Rolle spielt.

INARA: Wann und wie wurden Ihre Erkenntnisse der Öffentlichkeit präsentiert?
Foote:  Mein Aufsatz wurde 1856 auf der 10. Jahrestagung der American Association for Advancement of Science vorgestellt. Es war damals nicht üblich, dass Frauen ihre wissenschaftlichen Arbeiten präsentieren. Daher übernahm das Professor Joseph Henry, ein angesehener Wissenschaftler, der sich auch für die Rechte von Frauen in der Wissenschaft einsetzte. In seiner Einführung sagte er, „Die Wissenschaft hat kein Land und kein Geschlecht. Die Sphäre der Frau umfasst nicht nur das Schöne und Nützliche, sondern auch das Wahre.“ Im Tagungsband wurde meine Arbeit nicht erwähnt, aber später als kurzer Artikel im American Journal of Science and Arts veröffentlicht. Ich habe dann noch einige Abhandlungen zu wissenschaftlichen Themen veröffentlicht und auch mehrere Patente angemeldet – teilweise unter dem Namen meines Mannes, weil verheiratete Frauen damals Patente nicht vor Gericht verteidigen durften.

INARA: Bis vor wenigen Jahren galt der irische Naturwissenschaftler John Tyndall als Entdecker des Zusammenhangs von Kohlendioxid und Treibhauseffekt. Was sagen Sie dazu?
Foote: Tyndall entdeckte den Effekt erst drei Jahre nach mir, das wurde dann sofort als bahnbrechende wissenschaftliche Erkenntnis erkannt und Tyndall dafür gefeiert. Ob er meine Arbeiten gekannt hat, lässt sich nicht eindeutig sagen. Er hatte auf jeden Fall erheblich mehr Ressourcen zur Verfügung als ich und besaß eine wissenschaftliche Ausbildung. Tyndall war übrigens ein Gegner des Frauenwahlrechts und glaubte, Frauen seien Männern intellektuell unterlegen …

INARA: Haben Sie eine Erklärung dafür, dass Ihre Erkenntnisse total in Vergessenheit geraten sind?
Foote: Darüber kann ich nur spekulieren. Es lag sicher in erster Linie daran, dass ich eine Frau war. Vor allem die Naturwissenschaften waren zu meiner Zeit eine Männerdomäne und ich fürchte, da hat sich bis heute nicht viel geändert. Außerdem hatte ich keine wissenschaftliche Ausbildung, daher nahm man meine Arbeit nicht ernst. Und in der Welt der Wissenschaft waren die USA damals noch nicht so angesehen wie andere Länder.

INARA: Wie und wann kamen Ihre Leistungen dann doch ins Bewusstsein der Öffentlichkeit?
Foote: Erst im Jahr 2010, als bereits weltweit heftig über den Klimawandel, seine Folgen und seine Ursachen diskutiert und geforscht wurde, hat der Geologe Raymond Sorensen zufällig meine Publikationen entdeckt und im Journal Annual Scientific Discovery veröffentlicht. Damit bekam sie erstmals größere Aufmerksamkeit. 2018 wurde mein Beitrag zur Klimatologie dann auf einem Symposium der University of California, Santa Barbara, erstmals in großem Stil gewürdigt. Dabei kam auch meine lange Ausgrenzung aus der Wissenschaftsgeschichte zur Sprache. Der Wissenschaftshistoriker John Perlin hat dann begonnen, ein Buch über mich zu schreiben. Er meint, ich sollte in Erinnerung bleiben, „als die Person, die die Steine für unser Verständnis des Klimawandels gelegt hat.“

INARA: Sie haben sich ja auch in der Frauenrechtsbewegung engagiert. Können Sie uns darüber etwas erzählen?
Foote: Ich habe mich stark in der amerikanischen Frauenrechtsbewegung engagiert und u. a. 1848 ein Manifest für die Gleichberechtigung der Frau unterzeichnet. Darin haben wir verlangt, dass Frauen nicht nur wahlberechtigt, sondern auch in allen Berufen gleichberechtigt sein sollten. Ich hatte ja selbst erfahren müssen, wie Frauen in der männerdominierten Wissenschaft diskriminiert wurden. Neben meinem grundsätzlichen Interesse haben mich auch die Erfahrungen in der Frauenrechtsbewegung dazu motiviert, mich verstärkt mit Naturwissenschaften zu beschäftigen und zu experimentieren. In meiner Freizeit habe ich gemalt, vor allem Porträts und Landschaften.

INARA: Wie stand eigentlich Ihr Ehemann zu Ihren Aktivitäten?
Foote: Mein Ehemann, der ebenfalls eine fortschrittliche Schule besucht hatte, hat mich tatkräftig unterstützt. Er setzte sich auch mit mir gemeinsam für Frauenrechte ein. So etwas war damals für Männer alles andere als selbstverständlich.

INARA: Von ihren Zeitgenossen wurden Ihre Erkenntnisse ignoriert. Was wäre anders, würde heute eine Frau eine dermaßen wichtige wissenschaftliche Entdeckung machen?
Foote: Das ist für mich natürlich schwer einzuschätzen. Immerhin sind Frauen seit langem zumindest in der westlichen Welt an allen Universitäten zugelassen und „dürfen“ auch wissenschaftlich arbeiten. Das war im 19. Jahrhundert völlig anders. Inzwischen haben Forscherinnen sogar Nobelpreise in naturwissenschaftlichen Sparten bekommen, angefangen von Marie Curie, die sowohl für Physik als auch Chemie ausgezeichnet wurde. Wäre ich 100 Jahre später zur Welt gekommen, hätte man meine Entdeckung vermutlich ernst genommen und mir für meine Arbeit auch bessere Bedingungen zugestanden. Vielleicht hätte ich sogar den Nobelpreis bekommen, wer weiß? Aber von einer völligen Gleichstellung sind wir noch immer weit entfernt und Erfinderinnen haben es im wissenschaftlichen Establishment wohl auch heute noch schwerer als ihre männlichen Kollegen.