ESG und die Rolle der Versicherer bei der Erreichung von Nachhaltigkeitszielen

ESG und die Rolle der Versicherer bei der Erreichung von Nachhaltigkeitszielen

Last Updated on 2024-02-21
axaxl.com, 08.07.2022

 ESG ist auf der Unternehmensagenda nach oben gerückt und hat nun für Unternehmen aller Art und in allen Branchen eine sehr hohe Priorität. Mit den Veränderungen, die für nachhaltigere Geschäftsmodelle notwendig sind, gehen auch veränderte Risiken einher. Luis Prato, Chief Underwriting Officer, UK & Lloyd’s, erörtert die Rolle der Versicherer und die Auswirkungen auf die mit diesem Wandel einhergehenden Risikoprofile und die Preisfindung.

Der Wandel zu einer umweltfreundlicheren Energieversorgung und einer nachhaltigeren Unternehmensführung ist eine gemeinsame Verantwortung – sowohl in ethischer als auch in finanzieller Hinsicht. Die Handlungen des Individuums und/oder der Verbraucherinnen und Verbraucher werden bei diesem Übergang eine entscheidende Rolle spielen, da sie sich auf die Strategien und Geschäftsmodelle der Unternehmen auswirken werden. In der Zwischenzeit müssen wir als Versicherer unseren Teil dazu beitragen. Wir müssen uns mit der globalen Herausforderung des Klimawandels auseinandersetzen und den wachsenden Wunsch unserer Kunden, Kollegen und Aktionäre erkennen, mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, die ihre Geschäfte auf nachhaltigere Weise betreiben.

Die Prioritäten in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) sind zunehmend zu einem strategischen Bestandteil der Planung und Tätigkeit von Unternehmen geworden. Unsere Kunden teilen heute im Rahmen ihrer Risikoberichte ihre ESG-Pläne mit uns. Die Veröffentlichung von ESG-Zielen wird immer üblicher und Interessenvertreter erwarten Informationen über ESG-Ziele von den Unternehmen, für die sie arbeiten, mit denen sie zusammenarbeiten und bei denen sie einkaufen.

Wir als Versicherer haben die Aufgabe, unsere Kunden beim Übergang zu diesen neuen Geschäftsmodellen zu unterstützen. Dies ist sogar im AXA Purpose festgeschrieben: „To act for human progress by protecting what matters” (Fortschritt ermöglichen, indem wir schützen, was wirklich wichtig ist). Für unsere Kunden wollen wir ein langfristiger Partner sein, der ihnen auch bei der Umstellung zu mehr Nachhaltigkeit zur Seite steht.

Die Versicherungswirtschaft kann zwar als Wegbereiter fungieren und unsere Kunden bei diesen Veränderungen unterstützen, den Übergang jedoch nicht finanzieren. Künftig könnte es möglich sein, dass gute ESG-Standards bei der Preisgestaltung für Versicherungen belohnt werden. Aber zum jetzigen Zeitpunkt bedeutet der Übergang eine Veränderung der Risikoprofile. Folglich können die Prämien für einige Geschäftsbereiche unserer Kunden steigen – während sie in anderen Bereichen natürlich sinken können. Die Versicherungsbedingungen können sich ändern und Selbstbehalte können sich erhöhen.

Entscheidend wird sein, dass wir mit unseren Kunden und allen anderen Beteiligten (z.B. Risikoingenieuren) zusammenarbeiten, um die Veränderungen ihrer Risiken zu verstehen und sie bei deren Bewältigung unterstützen zu können.

Was ist Nachhaltigkeit?

Dazu müssen wir uns zunächst die Frage stellen, was wir eigentlich unter Nachhaltigkeit verstehen, da es keine allgemeingültige Antwort hierfür gibt. Für verschiedene Wirtschaftszweige und sogar für Unternehmen derselben Branche hat Nachhaltigkeit eine unterschiedliche Bedeutung. Deshalb müssen wir eng mit unseren Kunden zusammenarbeiten, um ihre Ambitionen, Ziele, Herausforderungen – und natürlich ihre Risiken – besser zu verstehen.

ESG-Konzepte werden allgemein als die Evaluierung des kollektiven Verantwortungsbewusstseins eines Unternehmens für soziale und ökologische Belange verstanden. Es gibt noch keine internationalen, standardisierten Bewertungsmaßstäbe für ESG. Diese wären zwar zu begrüßen und zweifellos nützlich, aber wir können nicht darauf warten, dass sie entwickelt und verabschiedet werden. Um die spezifischen Risiken heute zeichnen zu können, müssen wir zunächst das ESG-Ethos unserer Kunden gut verstehen – jetzt und in den kommenden Monaten und Jahren.

Hierzu benötigen wir von unseren Kunden aussagekräftige Angaben darüber, wie gut sie vorankommen – und wie weit sie noch gehen müssen. Wir wollen die wichtigsten Leistungsindikatoren verstehen, die unsere Kunden für ihre ESG-Strategien angesetzt haben, und wir müssen wissen, wie sie ihre Leistung im Vergleich zu anderen Unternehmen ihrer Branche bewerten und vergleichen.

Es gibt bereits ESG-Ratings und Datenbewertungsmechanismen, die bei der Entscheidungsfindung für Investitionen und Unternehmensstrategien helfen. Viele Kunden arbeiten an wissenschaftlich fundierten Emissionszielen und veröffentlichen beispielsweise Informationen im Rahmen der Taskforce on Climate-Related Financial Disclosures.

Einige Unternehmen verwenden andere Indikatoren und Datenwerte, um sich mit anderen zu vergleichen. Diese Bewertungen können wir verwenden, um die finanzielle Wertentwicklung zu betrachten. Wir müssen hier aber weiter gehen und verstehen, wofür sie verwendet werden und was sie für einen bestimmten Kunden und sein Risikoprofil aussagen. Ohne Kontext und differenziertes Verständnis sind die Werte bedeutungslos.

Wie können Versicherer den Wandel unterstützen?

Wenn wir uns als Versicherer mit dem Thema ESG befassen, ist es wichtig, die damit verbundenen Chancen zu sehen. Anstatt beispielsweise darüber nachzudenken, welche der in diesem Zusammenhang aufkommenden Risiken wir nicht versichern wollen, sollten wir den Wandel positiv angehen und uns überlegen, wie wir unsere Kunden hierbei unterstützen können.

Es gibt einige Wirtschaftsbereiche, in denen für Unternehmen der Übergangsprozess aufgrund der Art ihrer Tätigkeit schwieriger sein wird als in anderen. Auch gibt es Unternehmen, die auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft weiter zurückliegen als ihre Wettbewerber. Diese brauchen unsere Unterstützung noch mehr als jene Kunden, die in ihrer ESG-Transformation schon weit fortgeschritten sind.

Jeder Wandel birgt Risiken in sich. Unsere Aufgabe als Versicherer ist es, diese Risiken anzugehen und den Übergang zu unterstützen, indem wir gemeinsam mit unseren Kunden Wege finden, diese zu quantifizieren, zu mindern und zu übertragen. Ein verstärkter Einsatz von Risk Engineering und innovativen Ansätzen wie Strukturierte (Rück-)Versicherungslösungen kann Unternehmen helfen, einige der mit den Veränderungen verbundenen Risiken zu übertragen.

Wir müssen den Austausch zwischen Kunden und Versicherern so gestalten, dass alle Beteiligten genau analysieren, wo sie heute stehen, wo sie in 18 Monaten sein werden und was ihnen möglicherweise auf dem Weg dorthin widerfährt.

Dies ist eine Reise. Und jede Reise muss irgendwo beginnen. Jetzt ist es an der Zeit, diese sich entwickelnden Risiken zu verstehen und langfristige Partnerschaften aufzubauen, um sicherzustellen, dass wir unsere ESG-Ziele gemeinsam erreichen.

Erstveröffentlichung in The ESG Insurer

Quelle: https://axaxl.com/de/fast-fast-forward/articles/esg-und-die-rolle-der-versicherer-bei-der-erreichung-von-nachhaltigkeitszielen