Hängematte oder Durchstarten?

Hängematte oder Durchstarten?

Last Updated on 2020-01-20
Dr. Christine Domforth

Dass die (Früh)Pension nicht unbedingt glücklich macht und man sich für den „Herbst des Lebens“ eine sinnvolle Beschäftigung suchen sollte: darauf verweist Leopold Stieger in seinem Buch „Pension – Lust oder Frust?“.

Bei Pensionsantritt haben die Menschen heute noch ein Viertel ihres Lebens vor sich, manche sogar noch ein Drittel. In seinem Buch „Pension – Lust oder Frust?“ rät Leopold Stieger, die Phase nach dem Ende des „offiziellen“ Berufslebens bewusst zu gestalten und sich für eine sinnvolle Beschäftigung – bezahlt oder ehrenamtlich – zu entscheiden.

Prof. Dr. Leopold Stieger, Jahrgang 1939, war einer der Pioniere der Personalentwicklung in Österreich. Nachdem er sein Unternehmen GfP (Gesellschaft für Personalentwicklung GmbH) an seine Söhne übergeben hatte, konzentrierte er sich auf die Zielgruppe „Menschen rund um die Pensionierung“. Er gründete seniors4success (www.seniors4success.at), eine Plattform für die ältere Generation, veranstaltet Seminare und schreibt regelmäßig Bücher.

Dank der steigenden Lebenserwartung tut sich für die jetzt in Pension gehenden Menschen eine neue Lebensphase auf, die 20 Jahre und mehr Jahre dauern kann. In dieser Phase – eine „zündende“ Bezeichnung dafür fehlt derzeit noch – ist vom Marathonlauf und der Großglocknerbesteigung bis zur Firmengründung noch alles möglich. Stieger bezeichnet die Zeit, die nach der Berufstätigkeit kommt, als Freitätigkeit. Es geht dabei auch um eine Tätigkeit, aber nicht unter Zwang, sondern selbstbestimmt. Change-Management in eigener Sache, also eine gründliche Vorbereitung auf den Umstieg in die neue Lebensphase, ist dabei durchaus sinnvoll und sollte schon Jahre vor der Pensionierung angegangen werden.

In Österreich wollen viele Menschen noch immer möglichst früh in Pension gehen. Sie freuen sich auf den „wohlverdienten Ruhestand“ und das süße Nichtstun. Dabei gilt das Sprichwort „Wer rastet, der rostet“ auch für den Menschen. Wer sich im Ruhestand eine Aufgabe sucht und etwas Sinnvolles tut, lebt meist länger und bleibt auch länger gesund als jene, die sich für die Hängematte entscheiden.

Firmen negieren derzeit das Potenzial, das ältere Mitarbeiter haben, bedauert Stieger. Man schickt Mitarbeiter möglichst früh in Pension und gibt Älteren bei Neueinstellungen kaum Chancen. Dabei zeigen Untersuchungen, dass altersgemischte Teams meist effektiver sind. Diversität bedeutet eben mehr als die Einhaltung einer Frauenquote. Wichtig wäre es, so Stieger, sich vom grassierenden Jugendwahn zu verabschieden und vor allem auch die Stärken der Senioren zu nutzen. Frei nach der Devise „die Jungen laufen schneller, aber die Älteren kennen die Abkürzungen“. Manche Vorurteile, etwa dass ältere Beschäftigte öfter krank sind, sind auch schlicht und einfach falsch.

Schon jetzt fehlen landauf, landab Facharbeiter, Lehrer, Ärzte usw. und durch den Pensionsantritt der Babyboomer wird sich der Fachkräftemangel weiter verschärfen. Das dürfte die österreichische Wirtschaft mittelfristig zum Umdenken zwingen. Dann wird man versuchen, Ältere länger im Unternehmen zu halten bzw. ihr Potenzial auch noch im Ruhestand für Projekte etc. zu nutzen. Dies umso mehr, als die heutigen Senioren meist weit fitter und tatkräftiger sind als die Oldies von einst. 60 ist das neue 50 heißt es nicht umsonst. Selbst mit den neuen Technologien können viele Senioren heute problemlos umgehen, manche sind sogar echte IT-Freaks.

Im internationalen Vergleich gehen die Österreicher nach wie vor sehr früh in Pension. Die Politiker fassen das „heiße Eisen“ Pensionsthema nur ungern an, sie wollen wohl die Wähler nicht vergraulen. Die an sich nötige Reform wird deshalb auf die lange Bank geschoben. Dabei bescheinigen internationale Organisationen wie etwa die EU oder die OECD dem österreichischen Pensionssystem in ihren Berichten immer wieder, dass es nicht nachhaltig ist. Durch die nun anlaufende Pensionierungswelle bei den Babyboomern – Stieger verweist darauf, dass bis zum Jahr 2034 rund 750.000 Menschen in Pension gehen werden – wird sich das Problem dramatisch verschärfen, der Staatszuschuss zu den Pensionen massiv steigen. Mögliche Lösungsansätze wären Pensionskürzungen, also Altersarmut, oder deutlich steigende Pensionsbeiträge, sprich eine massive Belastung der nächsten Generation und der Wirtschaft. Die dritte Option lautet einfach länger arbeiten.