13 Sep Hybrides Arbeiten – gekommen, um zu bleiben
Last Updated on 2021-09-13
Dr. Christine Domforth
Abwechselnd im Büro, zu Hause oder unterwegs arbeiten: dieses Modell dürfte sich in Zukunft auf breiter Basis durchsetzen. Damit es gut funktioniert, braucht es freilich klare Strukturen und Regeln. Gefordert sind vor allem die Führungskräfte, sie müssen umdenken.
Der hybride Büroalltag – also die Kombination von Büropräsenz und Home-Office – wird das dominierende Arbeitsmodell der Zukunft sein. Während in der Corona-Pandemie die Arbeit komplett ins Home-Office verlegt wurde, holen viele Unternehmen die Mitarbeiter nun teilweise wieder ins Büro zurück. Zwei Tage von zu Hause aus arbeiten, drei Tage im Büro – so lautet eine von vielen Chefs angepeilte Lösung. Auch die Mehrzahl der Mitarbeiter schätzt, wie man aus zahlreichen Studien weltweit erkennen kann, solche flexiblen Modelle. Vor allem für die jüngere Generation, um die es künftig am Arbeitsmarkt ein heftiges Gerangel geben wird, ist es alles andere als attraktiv, jeden Tag ins Büro zu fahren, dort fixe Arbeitszeiten abzusitzen und dann wieder nach Hause zu fahren. Experten schätzen, dass in einigen Jahren eine Aufteilung von 60 Prozent Büro und 40 Home-Office oder Halbe-Halbe-Lösungen Standard sein werden.
Gut für die Produktivität
Hybrides Arbeiten hat viele Vorteile. Die Büroflächen können verkleinert werden, was Kosten spart. Fahrtwege werden reduziert, die Arbeit kann familienfreundlicher organisiert werden. Weil es Präsenztage im Büro gibt, bleibt der soziale Zusammenhalt innerhalb der Belegschaft ebenso erhalten wie eine gewisse Struktur. Die Produktivität steigt in den meisten jener Firmen, die bereits hybride Arbeitsmodelle praktizieren. Nicht zuletzt kann relativ schnell und einfach wieder in den Home-Office-Modus gewechselt werden, sollte es erneut zu einem Lockdown kommen.
Natürlich bringt es auch Herausforderungen mit sich, wenn nur ein Teil des Teams tatsächlich am Arbeitsplatz anwesend ist, während andere zu Hause, im Café, im Park oder in einem Coworking Space arbeiten. Betroffen von den Herausforderungen sind die Führungskräfte ebenso wie die Mitarbeiter. Und auch die Organisation des Unternehmens muss an das Hybrid-Modell angepasst werden.
Kernarbeitszeiten definieren!
Schon beim Umstieg auf Home-Office mussten sich Manager davon verabschieden, ihre Mitarbeiter permanent zu kontrollieren. Statt der physischen Präsenz zählte die erbrachte Leistung, es ging um Inspiration und Motivation statt Überwachung. Dazu braucht es Vertrauen von Seiten der Vorgesetzten und mehr Autonomie für die Mitarbeiter. Das gilt ebenso, wenn nur ein Teil der Arbeitsleistung im Büro erbracht wird und die restliche Zeit remote gewerkt wird.
Wird hybrid gearbeitet muss im Vorfeld genau festgelegt, welche festen Termine es gibt und wann die Anwesenheit der Mitarbeiter erforderlich ist. Wichtig ist auch die Definition von Kernarbeitszeiten und Phasen der Erreichbarkeit, damit Teammitglieder einander verlässlich kontaktieren können, egal wo sie gerade arbeiten.
Mit einer gut funktionierenden Kommunikation – über welche Kanäle und wie oft kommuniziert wer mit wem? – steht und fällt jedes hybride Arbeitsmodell. Das Management muss verhindern, dass die Mitarbeiter im Büro und jene außerhalb auseinanderdriften, gar eine Zweiklassengesellschaft entsteht. Meetings ausschließlich virtuell abzuhalten wäre deshalb einer Überlegung wert, denn damit kann verhindert werden, dass sich die Team-Mitglieder, die nicht im Konferenzraum sitzen, ausgeschlossen fühlen. Eine Agenda im Vorfeld und eine ausführliche Dokumentation nach dem Meeting müssen sicherstellen, dass alle Mitarbeiter den gleichen Informationsstand haben und sich auch alle persönlich einbringen können.
Bei der Sicherheit darf es auch beim hybriden Arbeiten keine Abstriche geben. Wer also gerade im Café oder Park werkt, muss sich ebenso an die Datenschutzregeln halten wie sie im Büro gelten und darf nur sichere Internetverbindungen – also kein öffentliches Gratis-WLAN – nutzen.
Ganz besonders wichtig ist Fairness gegenüber allen Mitarbeitern. Wer nicht im Büro präsent und daher nicht im Blickwinkel des Vorgesetzten ist, darf in seinen Karrierechancen nicht benachteiligt werden. Bei diesem Punkt werden Führungskräfte künftig viel Fingerspitzengefühl beweisen müssen.
Manager müssen mehr motivieren
Manche Mitarbeiter empfinden hybride Arbeitsmodelle ebenso wie das reine Home-Office als problematisch. Man vermisst die Motivation durch den Kollegen am benachbarten Schreibtisch, muss erst lernen, sich die Arbeit selbst zu organisieren oder tut sich schwer damit, Arbeit und Privatleben voneinander abzugrenzen. Motivation durch das Management ist hier besonders wichtig, damit alle Team-Mitglieder – egal wo sie gerade arbeiten – sich für das Unternehmen wichtig und geschätzt fühlen.
Entsprechende technische Ausstattung inklusive guter Internetverbindung sowie technischer Support im Bedarfsfall erleichtern das Arbeiten fernab vom Büro ebenso wie ein ergonomisch einwandfreier Arbeitsplatz und sollten vom Arbeitgeber organisiert werden. Wenn das Wohnumfeld beengt ist, bietet sich eventuell das Ausweichen in ein Coworking Space an, von denen es vor allem in größeren Städten immer mehr gibt.
Wie man neue Mitarbeiter integriert
Ist ein Teil der Belegschaft im Home-Office, wird die Integration neuer Mitarbeiter zur besonderen Herausforderung. Einarbeitung virtuell über Video-Calls ist zwar möglich, aber schwierig. Wenn irgendwie möglich sollte man Kennenlern-Termine organisieren, bei denen das gesamte Team persönlich anwesend ist.
Während immer mehr Firmen hybride Arbeitsmodelle überlegen oder bereits eingeführt sind, schwimmen in den USA die Tech-Giganten – etwa Google, Facebook und Twitter – gegen den Strom und sorgen damit für Schlagzeilen. Sie überlegen nämlich, Mitarbeitern die Gagen spürbar zu kürzen, wenn diese dauerhaft von zu Hause aus arbeiten. Begründung: die Zeit fürs Pendeln fällt weg und die Mitarbeiter können in weniger teure Wohngegenden umziehen. In Österreich wäre so etwas rechtlich nicht zulässig.
Agile Führung bzw. agile Organisation liegt derzeit stark im Trend. Ursprünglich kommt der Begriff aus der Software-Entwicklung, ein Beispiel für eine agile Methode ist Scrum. Hybrides Arbeiten passt perfekt in das Konzept der Agilität, weil es im Kern darum geht, sich schnell und erfolgreich an ein sich ständig verändernden Umfeld anzupassen.