„I trust in you“

„I trust in you“

Last Updated on 2020-08-27
Dr. Christine Domforth / Dr. Brigitta Schwarzer

Vertrauen ist der „Kitt“ unserer Gesellschaft. Im Wirtschaftsleben ist es vielfach wichtiger als die hard facts. Ohne Vertrauen gibt es auch keine Innovation und keine Kreativität.

Vertrauen ist ein vielschichtiger Begriff:  Man kann anderen Menschen, aber auch Institutionen vertrauen, künftig vielleicht auch Maschinen. In Österreich rangieren laut APA-OGM-Vertrauensindex die Polizei, der Verfassungsgerichtshof und der Bundespräsident ganz oben, am wenigsten Vertrauen werden Medien und Versicherungen entgegengebracht. Wer absolut unfähig ist, jemandem zu vertrauen, dem bescheinigt die Psychologie eine Persönlichkeitsstörung. „Blindes“ Vertrauen kann aber auch problematisch sein und ein gesundes Misstrauen ist oft durchaus angebracht.

In der Wirtschaft ist Vertrauen ganz zentral. So sind unsere Banknoten nur bedrucktes Papier, ihren Wert gewinnen sie erst, weil wir darauf vertrauen, heute und auch morgen bestimmte Güter und Dienstleistungen dafür eintauschen zu können. Weil Wirtschaft zu einem erheblichen Teil auf Psychologie beruht, ist das Vertrauen der Akteure – seien es Unternehmen oder Konsumenten – oft wichtiger als die hard facts. Sentiment-Indizes werden deshalb heute in der Wirtschaftsberichterstattung viel beachtet.

Homeoffice: ohne Vertrauen geht es nicht

Gerade in der Wirtschaft wurde und wird Vertrauen oft enttäuscht. Das war beispielsweise in der Finanzkrise der Fall, als so manche erstklassigen Ratings von Wertpapieren oder die top-bewertete Bonität von großen Geldinstituten, auf die man sich verlassen hatte, sich plötzlich als Schimäre erwiesen. Wie sehr es beim Vertrauen auf den einzelnen Menschen ankommt, zeigte sich während der Finanzkrise auch ganz deutlich. Während das Vertrauen in die Banken generell in den Keller rasselte, vertrauten viele Menschen ihrem persönlichen Bankberater, den sie seit Jahren kannten und von dem sie sich immer gut betreut fühlten, auch weiterhin.

Im betrieblichen Alltag hat Vertrauen durch die Coronakrise einen noch höheren Stellenwert bekommen. Konnten Führungskräfte bisher gut überblicken, wer wann wo arbeitete, hat sich das durch die Umstellung auf Homeoffice völlig geändert. Statt um die Arbeitszeit geht es nun nur mehr um die erbrachte Leistung. Wichtig ist es in dieser Situation, den Mitarbeitern einen Vertrauensvorschuss sowie die nötige Unterstützung entgegenzubringen. Nicht ständig zu kontrollieren, sondern loszulassen – das fällt vielen Managern enorm schwer. Es zeigt sich aber immer wieder, dass mehr Autonomie für die Mitarbeiter positiv ist, sie kooperieren dann freiwillig, die Produktivität steigt. Diese auf Vertrauen basierende Führungskultur ist das Modell der Zukunft, denn Homeoffice wird bleiben, auch wenn wir die Coronakrise eines Tages hinter uns lassen.

Den technischen Fortschritt können wir gutheißen oder nicht, wir können uns ihm nicht entziehen. Eine Welt ohne Flugzeuge, Autos, Telefon, Computer und Internet ist heute undenkbar. Das bringt uns in Summe viele Vorteile, aber natürlich auch Nachteile. Jeder Industrialisierungsschritt kostet Arbeitsplätze, trotzdem möchte z. B. heute niemand mehr als Mitarbeiter der seinerzeitigen Österreichischen Post- und Telegraphenverwaltung (1866 – 1996) manuell Telegramme versenden. Es liegt an uns, ob wir mit der zunehmenden Digitalisierung hadern oder darauf vertrauen, dass auch jeder Einzelne davon profitiert, und die damit verbundenen Vorteile zu unserem Besten nutzen. Wie alles im Leben ist das Glas halb voll oder halb leer. Und ehrlicherweise, wer von uns würde sein Handy heute missen wollen?

Was Jung & Alt voneinander lernen sollten

Corona hat viele Arbeitsplätze gekostet und zahlreiche Unternehmen, ja ganze Branchen in enorme Schwierigkeiten gestürzt. Sie alle müssen sich nun neu orientieren, Firmen oft sogar ihr Geschäftsmodell ändern oder neu „erfinden“. Dazu braucht es neben vielen anderen Dingen auch eine gehörige Portion Vertrauen – Vertrauen in die künftige Wirtschaftsentwicklung ebenso wie Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, sprich Selbstvertrauen.

Vertrauen spielt auch in den Familien eine wesentliche Rolle. Kleinkinder haben zunächst ein „Urvertrauen“ in ihre Eltern, später kriselt es dann gelegentlich zwischen Jung & Alt. Dabei wäre es ungemein wichtig, dass die Generationen mehr voneinander lernen, um die Herausforderungen der Zukunft – Umwelt, Klima etc. – besser zu bewältigen. Die Älteren sind meist zur Sparsamkeit erzogen worden. Essen wegzuwerfen war tabu, weil unsere Eltern noch den Krieg und die Nachkriegszeit mit Lebensmittelknappheit, ja Hunger erlebt haben. Die Jugend von heute ist – natürlich abhängig von der jeweiligen Einkommenssituation ihrer Eltern – im Wohlstand aufgewachsen. Profitiert hat die jüngere Generation nicht nur von der guten wirtschaftlichen Entwicklung, sondern auch vom technischen Fortschritt. Fernreisen, Online-Musik- und Videodienste, Informationen per Maus-Click, das alles war vor wenigen Jahrzehnten noch kein Thema, gehört für viele Menschen aber heute zum Alltag.

Seit einigen Jahren gibt es unter der Jugend eine erfreuliche Entwicklung, die Hoffnung für die Zukunft macht. Viele junge Menschen – vor allem die Fridays-4-future-Generation – schränken ihren Konsum bewusst ein, sie „sparen“ freiwillig, weil ihnen eine intakte Umwelt und die Bewältigung der Klimakrise wichtige Anliegen sind. Wenn wir künftig auf Nachhaltigkeit setzen, wird das nur gelingen, wenn die Generationen nicht miteinander im Clinch liegen, sondern mehr kommunizieren und sich gegenseitig unterstützen. Ob das durch Corona und die Erfahrungen, die wir alle während der Pandemie machen, leichter oder schwerer gelingt, wird sich erst weisen.

Neuer Ansatz: Design Thinking

Damit Personen und Firmen in Zukunft erfolgreich sein können, werden neue Vertriebswege ebenso nötig sein wie neue Kundenzugänge – Stichwort Design Thinking. Dabei wird versucht, das kreative Potenzial bei allen Beteiligten freizusetzen, um komplexe Probleme zu lösen und/oder neue Ideen zu entwickeln. Im Fokus sind dabei immer der Kundennutzen bzw. die Marktfähigkeit.

Design Thinking wurde von Tim Brown in den USA erfunden und ist mittlerweile längst weltweit in der Praxis angekommen. Prominente Unternehmen wie SAP, Deutsche Bank, VW, Swisscom, P & G, Siemens, Airbnb oder Pinterest arbeiten mit dieser Methode. In Österreich setzen u. a. Erste Bank, ÖBB sowie Casinos Austria darauf.

Damit Kundennutzen generiert und Mehrwert für den Käufer geschaffen werden kann, ist es heute für einen Verkäufer mehr denn je wichtig, eine emotionale Beziehung herzustellen. Früher hat es ausgereicht, den Kunden nach seinen Kindern und seinem Lieblingsessen zu fragen, heute möchte er auf Augenhöhe „abgeholt“ werden. Das setzt voraus, dass der Verkäufer sich selbst zurücknimmt, dem Kunden zuhört und Empathie für dessen Bedürfnisse aufbringt. Wenn es nicht gelingt, Sympathie herzustellen und Vertrauen aufzubauen, dann kann beispielsweise ein Neuwagen noch so gut und preisgünstig sein, der Kunde wird nicht „anbeißen“.

Ein oft zitiertes Beispiel für Design Thinking ist der Zoo Hannover. Er war vor Jahren in eine schwere Krise geraten. Ein neuer Manager analysierte, was die Besucher in einem Zoo am liebsten sehen und erleben und wofür sie Geld ausgeben wollen. Der Zoo wurde danach entsprechend den Prinzipien des Design Thinking umgestaltet:  die Tiere werden in Themenwelten und mit möglichst wenig Gittern präsentiert, der Kinderspielplatz wurde umgebaut und vergrößert, in die Gastronomie kräftig investiert usw. Trotz deutlich erhöhter Eintrittspreise konnten die Besucherzahlen darauf hin mehr als verdreifacht werden.