Interview: Augarten Porzellan peilt Trendwende an

Interview: Augarten Porzellan peilt Trendwende an

Last Updated on 2022-08-17
Die neue Geschäftsführerin Dr. Diana Neumüller-Klein will das Traditionsunternehmen aus den roten Zahlen bringen. Sie setzt stark auf Nachhaltigkeit und will mit modernen Designs auch bei der Jugend die Lust auf hochwertiges Porzellan wecken.

INARA: Sie leiten seit dem Frühjahr 2022 die Porzellanmanufaktur Augarten. Davor waren Sie Investor Relations-Chefin des Baukonzerns Strabag. Ist das nicht ein krasser Wechsel des beruflichen Umfelds?

Dr. Diana Neumüller-Klein: Das scheint auf den ersten Blick so, stimmt aber nur teilweise. Natürlich ist die Strabag ein börsenotierter internationaler Konzern und die Porzellanmanufaktur Augarten ein sehr kleines Unternehmen. Aber das Beton-Gold, also Immobilien, und unser „weißes Gold“ haben eines gemeinsam und das ist die Nachhaltigkeit, die ja immer wichtiger wird. Porzellan ist per se nachhaltig, es wird von Generation zu Generation vererbt und stellt damit konservierte Lebenszeit von Menschen dar.

INARA: Erzählen Sie uns bitte etwas über die Geschichte von Augarten Porzellan?

Neumüller-Klein: Die Porzellanproduktion in Wien begann 1718, damals noch in der Porzellangasse in Wien-Alsergrund. 1744 wurde das Unternehmen unter Verwaltung von Kaiserin Maria-Theresia gestellt.

INARA: Seit wann wird im Augarten in Wien-Leopoldstadt produziert, dem das Produkt ja auch seinen Namen verdankt?

Neumüller-Klein: Bis 1864 belieferte die Manufaktur das Kaiserhaus, den Adel, aber auch das gehobene Bürgertum mit Tafelgeschirr sowie Ziergegenständen. Wegen der aufkommenden in- und ausländischen Billigkonkurrenz musste das Unternehmen 1864 schließen. Erst im Jahr 1923 erfolgte der Neustart und zwar im Schloss im Augarten. Seit 2003 steht das Unternehmen, das zuvor insolvent geworden war, im Privatbesitz.

INARA: Wirtschaftliche Schwierigkeiten erlebte die Porzellanmanufaktur in den mehr als 300 Jahren ihres Bestehens also immer wieder….

Neumüller-Klein: Ich habe mir bei meinem Einstieg natürlich die Zahlen von Augarten angeschaut. Es heißt, das Unternehmen habe seit 1718, also seit mehr als 300 Jahren, niemals Gewinn gemacht. Nachhaltigkeit, für die wir stehen, ist gut, aber sie muss auch ein wirtschaftliches Fundament haben. Meine Aufgabe als Geschäftsführerin ist es also, zumindest keinen Verlust zu machen. Das ist mir Motivation und Ansporn. Ich bin mir natürlich bewusst, dass ich damit vor großen Herausforderungen stehe.

INARA: Wie sehen Ihre konkreten Pläne aus?

Neumüller-Klein: Mein Leitsatz lautet: Die Wirtschaft kommt bei der Kunst an. Jetzt ist kostendeckendes Wirtschaften ein Ziel, Kunst lernt also Wirtschaft. Augarten hatte und hat einen florierenden Sekundärmarkt. Das ist nicht nur gut für die Nachhaltigkeit, damit kann ich hoffentlich auch die Jugend gewinnen.

INARA: Welche Kunden bzw. Kundengruppen haben Sie für Augarten Porzellan im Visier?

Neumüller-Klein: Wir haben drei Kundengruppen: Eine davon kauft Geschenke wie etwa Champagnerschalen, Dosen, Vasen usw. zu Anlässen wie Geburtstagen, Hochzeiten, Jubiläen. Dazu kommen jene Kunden, die explizit etwas Besonderes suchen. Das kann beispielsweise ein Service für zwölf Personen sein, bei dem Teller, Tassen, Platten, Schüsseln usw. mit dem Familienwappen und dem Monogramm versehen sind. Diese Wünsche können wir erfüllen. Und die dritte Gruppe sind Kunden, die sich etwas Schönes gönnen wollen – vielleicht weil sie geerbt haben – und Sammler. Jeder und jede soll sich in einer dieser drei Gruppen wiederfinden, ich will allen Menschen den Sinn für schönes Porzellan vermitteln.

INARA: Wie groß ist die Produktpalette von Augarten?

Neumüller-Klein: Wir haben bis jetzt 30.000 unterschiedliche Artikel produziert. 2500 bis 3000 haben wir jeweils im Sortiment. Man kann alle Stücke nachkaufen, das ist natürlich eine Frage des Preises.

INARA: Bitte geben Sie uns einen kleinen Einblick in die Unternehmenszahlen.

Neumüller-Klein: Wir sind das kleinste größte Kulturgut: Insgesamt beschäftigen wir 40 Mitarbeiter, die in der Regel schon viele Jahre im Haus sind. Um Figuren kunstvoll bemalen zu können, braucht man nicht nur eine entsprechende Begabung, sondern auch sieben- bis achtjährige Übung. Unser Umsatz liegt bei rund drei Mill. Euro p.a.

INARA: Augarten zählt sicher zu den bekanntesten österreichischen Traditionsunternehmen. Viele dieser Firmen kämpfen aber zunehmend mit Problemen. Wie schwierig wird es für Betriebe wie Augarten, sich auch in Zukunft zu behaupten?

Neumüller-Klein: Wir sind die zweitälteste Porzellanmanufaktur Europas. Noch älter als unser Unternehmen sind in Österreich z.B. der Stiftskeller St. Peter in Salzburg und das Benediktinerkloster Admont mit seiner Holzverarbeitung. In Wien zählen beispielsweise der Glasspezialist Lobmeyr und die Schwäbische Jungfrau, ein Fachgeschäft für exklusive Bett- und Tischwäsche, das nur wenige Jahre jünger ist als Augarten, zu den Traditionsunternehmen. Ich glaube fest daran, dass viele Menschen weg wollen von billigen Massenprodukten und es eine Rückbesinnung auf garantierte Qualität, Individualität und Langlebigkeit gibt. Davon werden Traditionsbetriebe profitieren und hoffentlich auch die Porzellanmanufaktur Augarten.

INARA: Kaffeetassen mit lieblichem Blümchendekor, wie sie Großmutter in Verwendung hatte, werden jungen Leuten aber kaum gefallen…

Neumüller-Klein:  Augarten hat seit seiner Gründung immer mit zeitgenössischen Künstlern zusammengearbeitet. Auch heute haben wir zahlreiche Kooperationen mit Designern und Künstlern. Damit bleiben wir geschmacklich nicht stehen und treffen den Zeitgeist. Man kann mit unseren Produkten auch einen Stil-Mix kreieren, das schaut toll aus. Unsere modernen Designs sprechen zunehmend junge Kundinnen und Kunden an – für Geschenke und für den eigenen Bedarf. Eltern kaufen auch oft etwas von Augarten für ihre Kinder. Ein Verkaufshit ist etwa unsere Kaisersemmel aus Porzellan, die schon auf der Tafel von Kaiser Franz Josef zu finden war. Diese Dosen, in denen man z. B. Butter, Marmelade oder Senf servieren kann, verkaufen sich heute fast wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln.

INARA: Schrecken Ihre Preise nicht viele Interessenten ab?

Neumüller-Klein: Es stimmt, unsere Produkte sind teuer. Man muss aber bedenken, dass beispielsweise die Champagnerschalen aus Porzellan, die ebenfalls sehr gefragt sind, etwa 60-mal durch unsere Hände gehen, bis sie beim Kunden ankommen. Es gibt bei uns zu bestimmten Zeiten aber auch Zweite-Wahl-Produkte, die sind deutlich preisgünstiger.

INARA: Wie läuft das Geschäft derzeit und in welchen Ländern außer Österreich wird Augarten Porzellan verkauft?

Neumüller-Klein: Die internationale Nachfrage ist groß, sie macht rund ein Drittel unseres Umsatzes aus. Besonders gefragt sind unsere Produkte in Großbritannien, den USA sowie in Japan und Taiwan. Wir haben zwei Shops in Wien, arbeiten mit Händlern im In- und Ausland zusammen und verkaufen unsere Produkte auch online. Die Jahre 2020 und 2021 waren wegen der Corona-Pandemie schwierig, aber jetzt boomt unser Geschäft. Wir kommen mit dem Abarbeiten der Aufträge kaum nach. Ich hoffe sehr, dass sich das auch in den Zahlen für 2022 niederschlagen wird.

 

Diana Neumüller-Klein überlässt der INARA Community fünf Gutscheine für jeweils eine Führung durch die Porzellanmanufaktur Augarten und den Eintritt in das Porzellanmuseum Augarten. Die ersten fünf LeserInnen, die sich melden, kommen in den Genuss dieser Gutscheine (bitte per Mail an brigitta.schwarzer@inara.at).

www.augarten.com

Autorin: Brigitta Schwarzer