Interview: Damit Bildung nicht Glückssache ist

Interview: Damit Bildung nicht Glückssache ist

Last Updated on 2023-09-08
Wachsen Kinder in sozioökonomisch schwachen Familien auf, haben sie es in der Schule oft schwer. Der gemeinnützige Verein FREI.Spiel will das ändern und zwar mithilfe von Freiwilligen. Wie das funktioniert, erläutert Dr.in Dorith Salvarani-Drill, die Gründerin und Geschäftsführerin von FREI.Spiel, im INARA-Interview.

INARA: Was ist die Idee hinter dem Verein FREI.Spiel?

Dr.in Dorith Salvarani-Drill: Bildung wird hierzulande noch immer vererbt, die Chancen sind unter den Kindern ungleich verteilt. Wir von FREI.Spiel wollten nicht bloß über die besondere Bedeutung von Bildung reden, sondern konkret einen Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit und Integration leisten. Deshalb unterstützen unsere Freiwilligen benachteiligte Kinder, indem sie mit ihnen lernen, lesen, spielen, basteln, ihnen bei Hausaufgaben helfen usw. Die Kinder profitieren enorm von dieser zusätzlichen Aufmerksamkeit, der Zuwendung und der individuellen Förderung.

INARA: Wie läuft das in der Praxis ab?

Salvarani-Drill: Die Freiwilligen kommen einmal pro Woche für zwei bis vier Stunden in eine Bildungseinrichtung (Volksschule, Mittelschule, Hort oder Kindergarten) direkt zu den Kindern. Ganz wichtig ist dabei die Zusammenarbeit mit den jeweiligen LehrerInnen bzw. PädagogInnen, weil diese am besten wissen, was die Kinder brauchen. Für die Eltern und die Bildungseinrichtungen ist unser Angebot kostenlos.

INARA: Sie selbst sind Juristin und haben in einer großen Bank gearbeitet. Was hat Sie dazu bewogen, den Verein FREI.Spiel auf die Beine zu stellen?

Salvarani-Drill: Während der Schulzeit meines Sohnes habe ich gesehen, dass nicht alle Kinder von ihrem Elternhaus die nötige Unterstützung bekommen. Das trifft besonders auf sozioökonomisch schwache Familien und solche mit Migrationshintergrund zu. Da besteht die Gefahr, dass sie sich in der Schule schwertun und auch später im Berufsleben Probleme haben. Dagegen wollte ich konkret etwas tun und habe mit einer Freundin im Jahr 2013 den gemeinnützigen Verein FREI.Spiel gegründet.

INARA: Wie viele Schulen bzw. Horte betreuen Sie derzeit? Und gibt es Expansionspläne?

Salvarani-Drill: In Wien ist der Bedarf in Volks- und Mittelschulen sowie in Horten und Kindergärten riesengroß. Insgesamt war FREI.Spiel im letzten Schuljahrmit 170 Ehrenamtlichen in 69 Bildungseinrichtungen tätig. Seit kurzem arbeiten wir auch in Kindergärten, damit die Kleinen schon vor dem Schuleintritt entsprechend gefördert werden. Wir weiten unsere Tätigkeit auch auf Niederösterreich aus, da gibt es schon reges Interesse von Schulen, die Warteliste ist lang. Damit wir den wachsenden Anfragen gerecht werden können, sind wir auf der Suche nach weiteren Freiwilligen.

INARA: Was muss man tun, wenn man sich bei FREI.Spiel engagieren will?

Salvarani-Drill: Man meldet sich über unsere Website oder telefonisch an und wird zu einem persönlichen Gespräch eingeladen. Natürlich berücksichtigen wir Wünsche, etwa in welchem Bezirk jemand tätig sein möchte bzw. ob er oder sie lieber in eine Volksschule, Mittelschule, einen Hort oder Kindergarten gehen will. Wir suchen die passende Einrichtung und stellen den Kontakt her. Entscheidend für den Erfolg ist, dass die Chemie zwischen den Freiwilligen und den PädagogInnen stimmt. Der konkrete Einsatz erfolgt immer in Abstimmung mit den PädagogInnen.

INARA: Welche Aufgaben hat man als FREI.SpielerIn?

Salvarani-Drill: Im Interesse der Kinder ist es wichtig, dass unsere Freiwilligen mindestens ein Schuljahr für zwei bis vier Stunden pro Woche aktiv sind. Urlaube sind natürlich möglich. Selbstverständlich wird auch auf unvorhergesehene Ereignisse Rücksicht genommen. Man sollte allerdings der jeweiligen Bildungseinrichtung melden, wenn man einmal verhindert ist.

INARA: Wer kann mitmachen?

Salvarani-Drill: Unser Angebot richtet sich an Personen, die nicht voll im Berufsleben stehen, verlässlich und geduldig sind und Freude an der Arbeit mit Kindern haben. Über 50 Prozent unserer Freiwilligen sind 50 plus, die anderen sind vorwiegend Studierende. Diese kommen entweder aus einschlägigen Studienrichtungen (mit der Pädagogischen Hochschule Wien gibt es eine Kooperation) oder aus ganz anderen Bereichen (z.B. Technik). Die Mehrzahl von ihnen ist weiblich. Wer bei uns anfängt, muss einen Einführungs- und Kinderschutz – Workshop besuchen. Wir bieten auch laufend Fortbildungen und Supervision an, was sehr gut angenommen wird. Die Arbeit bei uns ist ehrenamtlich, durch eine Haftpflicht- und Unfallversicherung werden die Freiwilligen abgesichert.

INARA: Welche Rückmeldungen bekommen Sie von den FREI.SpielerInnen?

Salvarani-Drill: Alle unsere Freiwilligen berichten, dass die Arbeit mit den Kindern für sie sehr befriedigend ist. Vor allem die Begeisterung und Freude der Kinder, die durch uns gefördert werden und dabei oft erstmals echte Wertschätzung erfahren, ist herzerwärmend. Es geht ja nicht bloß um das Lesen, Schreiben und Rechnen mit den Kindern. Es entstehen vertrauensvolle Beziehungen zu den Freiwilligen, die die Kinder ermutigen, ihre Stärken zu entdecken, zu fördern und zu entwickeln.

INARA: Wie halten Sie Kontakt zu den Freiwilligen?

Salvarani-Drill: Wir bieten laufend Workshops an und unser Team steht mit Rat und Tat begleitend zur Verfügung. Zweimal jährlich laden wir sie zu einem Get-together ein, im Sommer zu einem Heurigen und Anfang Dezember im Rahmen des Internationalen Tags des Ehrenamtes am 5. Dezember. Weil unser Verein heuer sein Zehn-Jahres-Jubiläum feiert, findet am 5. Dezember 2023 eine Festveranstaltung im Rathaus statt

INARA: Wie kann man die Aktion unterstützen, wenn man nicht die Möglichkeit hat, selbst mit Kindern zu arbeiten?

Salvarani-Drill: Durch Spenden an unseren Verein kann man die Inklusion benachteiligter Kinder ebenfalls unterstützen. Weil FREI.Spiel zu den spendenbegünstigten Einrichtungen gehört, sind Zuwendungen an uns als Sonderausgaben steuerlich absetzbar. Wir haben zahlreiche private Sponsoren, darunter auch die MEGA-Bildungsstiftung. Um unsere Tätigkeit langfristig aufrechterhalten zu können, brauchen wir allerdings dringend weitere finanzielle Mittel.

Der Verein FREI.Spiel freut sich über Spenden, auch kleine, auf das Spendenkonto IBAN: AT20 2011 1824 1471 7800, BIC: GIBAATWWXXX.

www.freispiel.or.at, +43 (0)664 8165818

@ Peter Rinnerthaler