Interview: Digitalisierung – Fluch oder Segen?

Interview: Digitalisierung – Fluch oder Segen?

Last Updated on 2022-11-04
Viel wird über die Digitalisierung geschrieben, geredet und gedacht. Wenn man sich mit fünf Personen dazu unterhält, bekommt man acht verschiedene Meinungen zur Antwort. Digitalisierung wird sehr kontrovers diskutiert. Die einen halten sie für einen Fluch, die anderen für einen Segen. Aber was ist diese Digitalisierung überhaupt? Christa Fischer-Korp, Expertin für Nachhaltigkeit und Klimawandel, im Gespräch mit Thorsten Staufer, Experte für Digitalisierung (beide Mitglieder der ASEP – Austrian Senior Experts Pool), über erfolgversprechende Strategien.

Fischer-Korp: lieber Thorsten Staufer, Du bist gerade dabei als Projektleiter Dienste im Rahmen des Online-Zugangsgesetzes (e-Government) für das Themenfeld Familie und Kind der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern zu implementieren, also zu Digitalisieren. Wie sieht das aus?

Staufer: ja, das ist richtig und daran kann man auch sehr schön sehen, über wie große Distanzen Digitalisierung möglich ist, denn der Erfüllungsort des Auftrages liegt in Norddeutschland und ich arbeite von Wien aus.

Fischer-Korp: Das klingt gut. Leider ist es noch immer so, dass sich viele Menschen nicht genau vorstellen können, was mit Digitalisierung gemeint ist und wie sie sich auswirken kann, so dass ich Dich bitte, es uns an Hand von einigen Fragen zu erklären.

Was ist Digitalisierung? Was können wir uns darunter vorstellen?

Grundsätzlich versteht man unter Digitalisierung die Umwandlung von analogen, d. h. stufenlos darstellbaren Werten bzw. das Erfassen von Informationen über physische Objekte in Formate, welche sich zu einer Verarbeitung oder Speicherung in digitaltechnischen Systemen eignen. (Wikipedia) Das heißt, es wird uns vorliegende Information in Papierform oder ähnlichem in elektronische Formate übertragen, was hilft, diese Informationen besser zu archivieren, zu finden, zu verknüpfen, neue Erkenntnisse daraus zu schöpfen, aber sie auch Maschinen zur Verfügung zu stellen.

 Der Begriff Digitalisierung hat mehrere Bedeutungen:

  1. er kann die digitale Umwandlung und Darstellung/Durchführung von Informationen der Kommunikation bedeuten. Hier geht es primär um das Digitalisieren von Dokumenten, wie z.B. das Scannen von Rechnungen oder Schriftstücken.
  2.  die digitale Modifikation von Instrumenten, Geräten oder Fahrzeugen, also alles, was wir mit e-Mobilität verbinden
  3.  die Digitale Revolution, die auch als dritte Revolution oder digitale Wende bekannt ist. Das ist der am meisten benützte Begriff um die Digitalisierung der Arbeitswelt mittels Digitalisierung/Automatisierung von Prozessen (Arbeitsabläufen) oder Produktionsabläufen zu beschreiben. (Digitalisierung • Definition | Gabler Wirtschaftslexikon)


Wie ist die „digitale Wende“ entstanden?

Die digitale Wende hat ihren Ursprung in der Automatisierung von industriellen Produktionslinien. Besonders die Automobilindustrie und hier allen voran die japanische Automobilindustrie, hat hier sehr früh erkannt, dass sich durch die Automatisierung von Produktionslinien deutliche Effizienzsteigerungen erzielen lassen und dadurch Preise gesenkt und Margen erhöht werden können. Bedingt durch diese sichtbaren Effizienzsteigerungen wurde in der Folge in weiteren klassischen Unternehmensbereichen überlegt, ob hier auf dieselbe Art und Weise, also durch Digitalisierung/Automatisierung von Abläufen, den sogenannten Unternehmensprozessen, ebenfalls Effizienzsteigerungen möglich sind.

Warum spricht heute jeder von der „digitalen Wende“?

Die Digitalisierung/Automatisierung von vielen Unternehmensprozessen zeigte messbare Effizienzsteigerungen. Oft wurden dadurch auch Arbeitskräfte von uninteressanten, eintönigen und „nicht intelligenten“ Arbeiten entlastet. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können durch Digitalisierung vermehrt für wertschöpfende, interessante und „intelligente“ Tätigkeiten eingesetzt wird, ein Vorteil für Mitarbeiter:innen und Unternehmen.

Welche Probleme sind bei dieser Digitalisierung aufgetaucht? So eine Umstellung von Prozessen ist doch wohl nicht so einfach?

Die ersten wirklichen Probleme zeigten sich durch das plötzliche Umstellen auf Homeoffice erzwungen durch die Lockdowns in der Covid-19-Pandemie. Fand die Arbeitsfeld vorher praktisch nur am Unternehmensstandort statt, so war man durch die Pandemie gezwungen, die Arbeitsfeld teilweise oder ganz ins häusliche Umfeld zu verlegen. Doch auf diese massive Änderung waren die Arbeitsprozesse in vielen Firmen noch nicht ausgerichtet, soweit war die Digitalisierung, also die elektronische Vernetzung und Abwicklung von Unternehmensprozessen noch nicht ausgerichtet.

Es kam zu verstärkten Prozessbrüchen nicht nur an definierten Prozessschnittstellen, sondern auch innerhalb der Arbeitsabläufe. Solange Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem gemeinsamen Arbeitsumfeld waren und sich jederzeit analog austauschen konnten, war das kein Problem. Man konnte sich persönlich zusammensetzen und die Probleme und Herangehensweisen besprechen. Das fiel durch das Homeoffice weg und die Probleme wurden offensichtlich. Aber bereits früher waren Probleme der Digitalisierung zutage getreten. Einer der Punkte, wo das recht anschaulich passierte, war die Einführung der Datenschutzgrundverordnung. Das Funktionieren dieser ist davon abhängig, wie gut die Prozesse im Unternehmen nicht nur definiert, sondern den Mitarbeitern auch bekannt sind. Mit der Einführung der DSGVO zeigte sich, dass das in vielen Fällen nicht der Fall war, was auch deutlich zeigte, dass dieses Nicht-Wissen von Unternehmensprozessen auch bei der Digitalisierung zu Problemen führen würde. Wenn diese beide Hürden gemeistert sind, steht einer erfolgreichen Digitalisierung des Unternehmens, mit Effizienzsteigerung, aber auch Begleitet von der Zufriedenheit der Mitarbeiter nichts im Wege.

Aber nicht nur Unternehmen setzen mittlerweile auf eine Digitalisierung Ihrer Abläufe. Auch im öffentlich-rechtlichen Bereich der Verwaltungen und Behörden hält die Digitalisierung verstärkt Einzug. Ein Vorzeigethema im Bereich des sogenannten E-Governments in Österreich ist beispielsweise die komplett digital durchführbare Beantragung eines Strafregisterauszugs. Vom Antrag bis hin zur Bezahlung und digitalen Lieferung des Strafregisterauszugs ist die gesamte Prozessstrecke vollständig digitalisiert.

Für die Bürgerin und den Bürger bedeutet dies eine deutliche Erleichterung bei der Beantragung von Verwaltungsleistungen. Ein Besuch mit eventuell vorhergehender Terminvereinbarung bei der zuständigen Behörde ist bei einer digitalisierten Verwaltungsleistung überflüssig geworden. Es kann zu jeder Tag- und Nachtzeit, an jedem Tag der Woche die digitale Leistung beantragt werden. Für die Verwaltungseinrichtung bedeutet dies, sofern die jeweiligen Fachverfahren ebenfalls digitalisiert und angebunden sind, eine deutliche Arbeitserleichterung, da nicht jeder Antrag persönlich von Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern geprüft, genehmigt und ausgeführt werden muss. Das ist definitiv eine große Erleichterung für Bürger und Behörde.

 Was eignet sich zur Digitalisierung?

Zur Digitalisierung eignet sich jedes Projekt, bei dem es durch eine Prozessbeschleunigung und eine Verknüpfung der vorhandenen Informationen zu einem Vorteil oder einer besseren Organisation des Projektes kommt. Grundsätzlich kann jeder Unternehmens- oder Verwaltungsprozess digitalisiert werden, diese Prozessdigitalisierung sollte jedoch im Vorfeld auf Sinnhaftigkeit untersucht werden. Jedoch muss und sollte man im Vorfeld einer Digitalisierung die Unternehmens- oder Verwaltungsprozesse genau analysieren, ob eine Digitalisierung sinnhaft ist oder nicht.

Grundsätzlich kann man sich eine Digitalisierung von Prozessen vorstellen wie ein Glas oder wie eine Tasse. Die Digitalisierung ist das Gefäß und die Prozesse der Inhalt. Ein einzelner Tropfen Wasser in einer Tasse wird keinen Durst stillen. Ebenso verhält es sich mit der Digitalisierung. Ein einzelner digitalisierter Prozess wird keine messbaren und signifikanten Ergebnisse auf der Unternehmensebene erzielen. Erst bei einer gewissen Anzahl an digitalisierten Prozessen wird das Ergebnis auf Unternehmensebene messbar. Eine Tasse mit Wasser stillt auch nur dann den Durst, wenn die Tasse voll ist.

Wenn also in der Gesamtheit der Unternehmensprozesse immer wieder zwischen analogen und digitalisierten Prozessen gewechselt werden muss, so braucht das Management an den Verbindungsstücken einfach zu viel Energie und kann auch große Informationsverluste produzieren, sodass sich keine Einsparungseffekte einstellen. Dazu kommt auch, dass die Mitarbeiter durch dieses sinnlose Hin- und Herwechseln eher frustriert als entlastet werden.

Was sind die Vor- und Nachteile einer Digitalisierung?

Bevor ich die Vor- oder Nachteile einer Digitalisierung beurteilen kann, gilt es die Frage zu beantworten, was mit der Digitalisierung erreicht werden soll, also die Frage nach dem Ziel dieser Handlung zu stellen. Erst wenn ich das Ziel kenne und auch die Vorgehensweise, wie ich an dieses Ziel kommen möchte feststeht, kann dieses beurteilt werden. Ohne das zu tun passiert es oft, dass Digitalisierung allein, sozusagen ohne den Sinn und Zweck zu kennen, von potentiellen Anwendern abgelehnt wird. Deshalb sollte Digitalisierung immer auch als Veränderungsprozess gesehen werden und danach gehandelt werden.

Digitalisierung als Veränderungsprojekt braucht im ersten Schritt eine Analyse des Istzustandes und eine Beschreibung eines Sollzustandes. Dem schließt sich eine SWOT- Analyse an. Welche Vor- und Nachteile erwarten uns, aber auch mit welchen Risiken und Chancen werden wir konfrontiert werden. Eine sinnvolle Beurteilung des Unterfangens kann und soll jedoch nur an einem konkreten Projekt durchgeführt werden. Die Beantwortung der Frage: „Woran werden wir erkennen, dass wir erfolgreich waren?“ bringt sie in der Einschätzung der Digitalisierung ein en großen Schritt voran.

Welche Möglichkeiten einer Digitalisierung gibt es?

Generell gibt es mehrere Möglichkeiten Prozesse / Arbeitsabläufe in einer Verwaltung oder einem Unternehmen zu digitalisieren. Die Sinnhaftigkeit der unterschiedlichen Möglichkeiten ist auch hier wieder sehr stark abhängig von der Fragestellung was mit einer Digitalisierung erreicht werden soll und wie die eigene IT-Infrastruktur aufgebaut ist. Hier ein paar generelle Beispiele für Möglichkeiten der Digitalisierung:

Beginnen wir mit einem Buchungsprozess für ein Theaterticket. Dieser Prozess läuft vom Aufrufen der Website, über das Aussuchen des Stückes und des Platzes, des Datums bis hin zum Bezahlvorgang über verschiedene IT-Systeme. Vor der Digitalisierung wechseln sich digitale und analoge, also händische Prozesse ab. Der Kunde bestellt auf der Oberfläche einer Webseite eine Karte/Ticket für ein bestimmtes Theaterstück. Diese Buchung wird in einer eigenen Datenbank der Webseite abgespeichert. Eine Mitarbeiterin muss täglich mehrmals überprüfen, ob Kunden auf der Webseite eine Ticketbuchung vorgenommen haben. Vorhandene Buchungen müssen dann manuell – von Hand – in ein Offline-Buchungssystem eingetragen werden, damit die vorhandenen Sitzplätze nicht doppelt vergeben werden. Das Verkaufssystem der Webseite registriert zwar einen verkauften Sitzplatz, übergibt aber weder die Daten zum Ticket noch zum reservierten Sitzplatz an das Offline-Buchungssystem. Das Offline-Buchungssystem ist jedoch wichtig, da aus diesem Heraus auch die physischen Tickets in einem ganz speziellen Format ausgedruckt wird. Dieses gedruckte Ticket wird postalisch an den Kunden versendet. Nachdem die Buchung und der Ticketversand im Offline-Buchungssystem durchgeführt wurden, muss im Buchhaltungssystem eine entsprechende Buchung angelegt werden. Je nach Zahlungsart muss dabei evtl. eine unterschiedliche Verbuchung angestoßen werden. Nach erfolgter Anlage der Buchung und bei einer Online-Vorabzahlung der Ticketkosten muss die Mitarbeiterin dem Kunden manuell eine E-Mail mit einer Zahlungs- und Buchungsbestätigung und Rechnung schicken.

Der Einfachheit halber lassen wir in diesem Szenario einige Betrachtungsobjekte aus. Folgende Systeme sind in diesem Szenario beteiligt:

  • Webseite mit Online-Buchungssystem und evtl. angeschlossener Zahlungsplattform
  • Offline-Buchungssystem zur tatsächlichen Buchung des Tickets, der Platzreservierung und dem physischen Drucken des bestellten Tickets
  • Buchhaltungssystem, um eine Rechnung und eine Zahlungsbestätigung ausstellen zu können

Diese drei Systeme arbeiten voneinander unabhängig, da alle drei „historisch gewachsen“ sind. Der Zeitaufwand für jeden einzelnen Ticketverkauf ist somit sehr hoch, so dass es in Spitzenzeiten immer wieder zu Doppelverbuchungen von Sitzplätzen kommt und zusätzliche Mitarbeiter eingesetzt werden müssen, um die Anfrage bedienen zu können.

Wie kann das verbessert werden?

Variante 1 – Entwicklung einer neuen Anwendung

In der Variante 1 entscheidet sich die Geschäftsführung dazu eine komplett neue Software einzusetzen, welche die bestehenden Systeme gänzlich ablöst. Hierzu wird der Markt analysiert, ob es bereits Softwaresysteme gibt, welche die Unternehmensanforderungen abdecken. Sollte es am Markt entsprechende Anbieter hierzu geben, muss geprüft werden, ob die angebotenen Systeme die Anforderungen gänzlich abdecken und wenn ja in welcher Art und Weise, oder ob die Systeme die Anforderungen nur zum Teil erfüllen können. Wenn die Anforderungen nur zum Teil erfüllt werden können, muss in weiterer Folge geprüft werden, ob die Systeme seitens des Herstellers „erweitert“ bzw. an die eigenen Anforderungen angepasst werden können. Selbstverständlich müssen bei einer Standardsoftware auch die Kosten für die entsprechenden Lizenzen berücksichtigt werden und in welchem Zeitraum die Erweiterungen/Anpassungen umgesetzt werden können und welche Zusatzkosten hierfür entstehen. Sollte es keine Standardsoftware geben oder der Kosten-/Nutzenaufwand für eine Standardsoftware in keiner wirtschaftlichen Relation stehen, kann eine solche Anwendung mittels Softwareentwickler selbst entwickelt werden. Eine Eigenentwicklung entspricht dann genau den Spezifikationen und dem Workflow die den Entwicklern bei der Analyse mitgegeben werden. Jedoch ist eine Eigenentwicklung sehr kosten- und zeitintensiv. Hier stellt oftmals das vorhandene Budget eine große Hürde dar.

Variante 2 – Schnittstellen

Hier entscheidet man sich, nach entsprechender Analyse der drei Softwaresysteme, dafür die vorhandenen Schnittstellen – Application Programming Interface (API) – der Systeme zu nutzen, um diese miteinander zu verbinden. Viele Softwaresysteme haben bereits von Haus aus entsprechende APIs implementiert, um Daten von anderen Systemen aufnehmen zu können. Hierbei ist bei Analyse wichtig zu betrachten, wie diese APIs aufgebaut sind und in welchem Format sie Daten auf- bzw. abgeben können. Möglicherweise müssen, um die vorhandenen Schnittstellen nutzen zu können, zusätzliche Konnektoren entwickelt werden, die eine Übersetzungsfunktion zwischen den Schnittstellen bereitstellen, wenn diese auf einer unterschiedlichen Datenbasis basieren. Manche Software-Hersteller bieten auch bereits APIs zum Nachrüsten an, die speziell eine entsprechende Schnittstelle zwischen zwei definierten Systemen bereitstellen. Der Einsatz bzw. die ggfls. notwendige Entwicklung von Schnittstellen sind in der Regel günstiger als die Entwicklung bzw. der Zukauf einer eigenständigen Software. Jedoch können die Kosten für die Lizenzen von Schnittstellen durchaus signifikant sein. Sollte die Entwicklung einer dedizierten API notwendig sein, kann der Kostenfaktor nochmals höher angesetzt werden. Auch die Entwicklungszeit für die Schnittstelle darf dabei nicht vergessen werden.

Variante 3 – RPA / Robotic Process Automation

Robotic Process Automation (RPA) und auch Intelligent Process Automation (IPA) sind seit einiger Zeit in aller Munde und wurden bzw. werden sehr ausführlich in der Presse beleuchtet. Was aber ist RPA? Tatsächlich gibt es viele Menschen, die glauben zukünftig wird ein metallener physischer Roboter am Arbeitsplatz erscheinen und uns Menschen die Arbeit wegnehmen. So wie dies in der Automobilindustrie bereits gang und gäbe ist. Aber genau dies wird nicht passieren. RPA  ist eine Software und kein physischer Roboter. Diese Software läuft entweder zentral auf einem Server oder dezentral auf einem PC eines Anwenders. Wenn jemand bereits in Microsoft Excel oder Word mit sogenannten Makros gearbeitet hat, dann wird er/sie einige Ähnlichkeiten mit RPA feststellen können.

RPA ist, wenn man so möchte, nichts anderes als ein ziemlich aufgebohrtes Makro. RPA übernimmt auf der Benutzerebene die Aufgaben, die bisher Mitarbeiter:innen manuell ausgeführt haben. In unserem skizierten Grundszenario wird ein RPA-Softwareroboter dahingehend entwickelt, dass er im Online-Buchungssystem prüft ob neue Buchungen vorliegen. Wenn Buchungen vorliegen, liest er die Daten aus, öffnet das Offline-Buchungssystem und trägt dort die vom Online-Buchungssystem zur Verfügung gestellten Daten in die entsprechenden Felder ein. Dazu nutzt der RPA-Softwareroboter exakt die gleichen Programme und Fenster die auch der/die Mitarbeiter:in nutzen würde. Man kann sich das so vorstellen als würde sich von Zauberhand das Offline-Buchungssystem öffnen, die entsprechende Buchungsmaske erscheinen und dort, aus dem nichts heraus, in den jeweiligen Feldern die Buchungsinhalte hineingeschrieben werden. Ohne, dass ein User dabei irgendwelche Eingaben vornimmt. Natürlich kann ein Softwareroboter auch so programmiert werden, dass diese Eingaben im Hintergrund vorgenommen werden und der User, also der/die Mitarbeiter:in ganz normal weiterarbeiten kann. Sollte bei diesem Ablauf irgendein Fehler auftreten, wird der Vorgang manuell ausgesteuert und kann von einem/einer Mitarbeiter:in manuell gebucht werden.

Das klingt nach einer idealen Lösung, insbesondere da die Entwicklungszeiten und die Kosten für solche Roboter sehr überschaubar sind. Allerdings birgt diese Lösung auch einige Risiken. Sollte sich bei einer Aktualisierung einer Software, mit welcher der Roboter arbeitet, eine deutliche Änderung der Eingabefelder ergeben, läuft dieser evtl. ins Leere. Das bedeutet er findet das Feld nicht mehr in dem er seine Eingaben vornehmen soll und bricht den kompletten Prozess ab. In diesem Fall muss der Roboter angepasst werden, um ihm das Auffinden der jeweiligen Eingabefelder wieder zu ermöglichen. Sollten diese Feldänderungen in den beteiligten Softwaresystemen häufiger passieren, dann wird die Anpassung des Roboters durchaus mühsam. Zudem ist diese Variante bei weitem nicht so effektiv wie die Varianten eins und zwei. Daher sollte im Vorfeld genau geprüft werden, ob der Einsatz von RPA sinnvoll ist oder nicht.

Wie lange dauert eine Digitalisierung?

Wie das Beispiel der Theaterkartenbuchung gezeigt hat, ist es schwierig generelle Aussagen zu treffen. Zum einen hängt die Digitalisierungsdauer von der Komplexität der jeweiligen zu digitalisierenden Prozesse ab und zum anderen davon wie viele Prozesse tatsächlich digitalisiert werden müssen, um die gestellte Zielsetzung tatsächlich zu erreichen. Die Dauer eine Digitalisierung kann somit zwischen einigen Wochen, bei RPA, und mehreren Jahren, bei der Entwicklung einer neuen eigenständigen Software, liegen.

Wirkt sich die Digitalisierung auf die Kunden aus?

Eine Digitalisierung sollte sich immer positiv auf die Kunden wie auch auf die Mitarbeiter auswirken. Für die Kunden können sich beispielhaft folgende positive Effekte einstellen:

Schnellere Abläufe innerhalb des Unternehmens. Bei unserem obigen Beispiel kann ein Kunde innerhalb eines Prozesses die Tickets für ein Theaterstück bestellen und bezahlen. Obendrein bekommt er nach erfolgter Bezahlung direkt ein digitales Ticket per E-Mail zugestellt, inklusive der Bestätigung der Sitzplatzreservierung, der Zahlungsbestätigung und der Rechnung.

Keine Verzögerungen in Hochlastzeiten. Auch in Zeiten, in denen sehr viele Buchungen gleichzeitig zu bearbeiten sind, kommt es zu keinerlei Verzögerung in der Abarbeitung der Buchungen. Egal wie viele Kartenbestellungen vorliegen, jede einzelne Bestellung wird umgehend bearbeitet.

Geringere Fehlerquellen. IT-Systeme und Softwareroboter machen nur die Fehler, welche Ihnen der Mensch vorher einprogrammiert hat. Selbst in Hochlastzeiten arbeiten die digitalisierten Systeme fehlerfrei. Dadurch entstehen weniger Reklamationen und frustrierte bzw. verärgerte Kunden.

Digitalisierte Systeme arbeiten 24 Stunden und 7 Tage in der Woche. In unserem Beispiel ist zukünftig auch eine Ticketbestellung mitten in der Nacht und am Wochenende, abseits der üblichen Öffnungszeiten, üblich. Ein digitalisiertes System interessiert sich nicht für Wochentage oder Uhrzeiten, außer es wurden entsprechende Parameter hinterlegt.

Wo kann eine Digitalisierung eingesetzt werden?

Eine Digitalisierung kann grundsätzlich in jedem Unternehmensprozess eingesetzt werden. Sinnhaft ist eine Digitalisierung jedoch nur dann, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind, wie z.B.:

Der Prozess / der Arbeitsablauf muss über manuelle Prozessbrüche verfügen.

Der Prozess muss über ein gewisses Mengengerüst an abzuarbeiten Daten verfügen. Wenn in einem Arbeitsablauf beispielsweise einmal im Jahr eine kleine Transaktion stattfindet, ist der Kostenaufwand für eine Digitalisierung in der Regel deutlich zu hoch. Eine Digitalisierung ergibt nur Sinn, wenn größere Mengen an Daten durch einen Prozess transportiert werden. Die Daten in einem digitalisierten Prozess müssen in einer digitalen Form vorliegen. Mit einem handschriftlichen Brief eines Kunden kann ein digitalisierter Prozess nichts anfangen. Dieser müsste zuerst eingescannt und mittels einer Texterkennungssoftware digitalisiert werden, damit die Informationen digital weiterverarbeitet werden können. Der Output des Prozesses muss digital sein. Handschriftliche Briefe kann bisher noch kein digitalisiertes IT-System schreiben.

Wie wirkt sich eine Digitalisierung beispielsweise auf den Klimawandel am Beispiel der Mobilität aus?

Die Frage sollte eventuell in zwei Teile aufgeteilt werden, wobei die eine ist: Kann Mobilität digitalisiert werden, die andere ist: welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf Mobilität neu, bzw. welche Voraussetzungen müssen vorhanden sein, um Mobilität zu digitalisieren. Wie bereits oben ausgeführt, braucht es gewisse Voraussetzungen, dass Digitalisierung von Prozessen sinnvoll ist. Es braucht manuelle Brüche, Frequenz der Abläufe, größere Mengen an Daten (Informationen) usw.

Am Modell der Transformation von, nennen wir es Mobilität alt und neu, also von Mobilität alt zu Mobilität neu, gibt es noch Zusätzliches, was beachtet und einbezogen werden muss. Mobilität besteht aktuell aus verschiedenen Systemteilnehmern, also Verkehrsteilnehmern wie z.B. Bus- und Bahnunternehmen, Autofahrern, Radfahrern, etc. Ein Teil dieser Verkehrsteilnehmer ist nach gewissen Zeiten, also Fahrplänen unterwegs, andere müssen sich danach richten, Individualverkehr ist, wie der Name bereits suggeriert, unabhängig unterwegs. Jeder ist für sich und seine Belange verantwortlich, es gibt, bis auf das Veröffentlichen und Ablesen der Fahrpläne keinen Informationstransfer. Ausnahme auf diesem Gebiet sind Taxi- und Uberfahrer, diese können telefonisch oder über das Internet jederzeit abgerufen werden.

Hier nähern wir uns nun den Kriterien, die Mobilität neu ausmachen sollen:

  • Verkehrsmittel (Bus- und Bahn) richten sich nach Kunden (und nicht nach dem Fahrplan)
  • Das Auto des Individualverkehrs muss nicht mehr im Besitz des Benützers sein (Car-sharing, traffic on demand, wie Kleinbusse oder Taxis.
  • Der „bewegte“ Mensch hat mehr Freiheit
  • Mensch und Transportmittel müssen über Informationsaustausch zueinander finden
  • Alle Mobilitätsteilnehmer tragen Verantwortung am Gelingen von Mobilität neu, indem sie gegenseitig Informationen zur Verfügung stellen und sich so vernetzen.

Um das zu bewerkstelligen bedarf es eines in allen Belangen digitalisierten Prozesses, der von den Verkehrsteilnehmern durch eine App zum Informationsaustausch abgerufen werden kann.

Werden wir in der Zukunft alle durch Roboter ersetzt werden?

Wir Menschen werden auch in Zukunft im Arbeitsleben eine entscheidende und bedeutende Rolle spielen. Maschinen, IT-Systeme und Softwareroboter haben keine eigenständige Intelligenz. Selbst die derzeit oftmals zitierte künstliche Intelligenz ist noch sehr weit von einer tatsächlichen, dem Menschen ähnlichen, Intelligenz entfernt. Digitalisierte Systeme werden uns von stupiden und langweiligen Tätigkeiten entlasten. Tätigkeiten die weder unserer Ausbildung noch unseren Kenntnissen und Erfahrungen gerecht werden. Wir werden uns in Zukunft stärker auf wertschöpfende Tätigkeit fokussieren können. Tätigkeiten die Kreativität, Intelligenz, Erfahrung und Wissen benötigen, um die Unternehmen wettbewerbsfähig zu halten.

Selbstverständlich kann in der fernen Zukunft irgendwann der Zeitpunkt gekommen sein, bei dem Maschinen, Roboter oder ähnliches und gänzlich im Arbeitsleben ersetzen. Jedoch wird sich zu diesem Zeitpunkt kein Mensch mehr an dieses Interview erinnern können und die Bestimmung des Zeitpunktes erfordert eine sehr zuverlässige Glaskugel oder einen sehr aussagekräftigen Kaffeesatz.

Die beiden ASEP-Experts stehen gerne mit ihrer Erfahrung und Expertise für Digitalisierungsprojekte zur Verfügung.
Christa Fischer-Korp: kontakt@cfk-wirtschaftsmediation.eu, Thorsten Staufer: thorsten.staufer@inprotions.com

Quelle: https://www.asep.at/digitalisierung-fluch-oder-segen/