Interview: Finanzierungsberatung als Türöffner

Interview: Finanzierungsberatung als Türöffner

Last Updated on 2021-06-16
Julia Leeb ist seit Mitte 2020 Partnerin bei BDO. Zuvor war sie mehrere Jahre in Führungsfunktionen bei der Erste Bank tätig. Im INARA-Interview spricht sie über Finanzierungen in Zeiten von und nach Corona, Negativzinsen sowie über Nachhaltigkeit, die bald ein wichtiges Kriterium auch bei der Kreditvergabe sein wird. Und sie zeigt auf, welche Vorteile ein unabhängiger Berater seinen Kundinnen und Kunden bietet.

INARA: Welche Stationen haben Sie in Ihrer Karriere bisher absolviert und wie war für Sie der „Seitenwechsel“ von der Banken- in die Beratungsbranche?
Mag. Julia Leeb: Nach dem Studium der Handelswissenschaften an der WU Wien habe ich bei der RZB Österreich AG in der Projektfinanzierungsabteilung angefangen. 2005 bin ich in die Erste Bank gewechselt, wo ich nach diversen Führungsfunktionen 2015 zur Bereichsleiterin für das Firmengroßkundengeschäft und den öffentlichen Sektor bestellt wurde. Nach fast zwanzig Jahren im Bankensektor war der Wechsel in die Beratungsbranche für mich sehr spannend und ich habe die neue Aufgabe und die damit verbundenen Herausforderungen mit großer Freude übernommen.

INARA: Welchen Aufgabenbereich haben Sie bei BDO?
Leeb: Bei BDO bin ich gemeinsam mit meinem Kollegen Michael Grahammer und unserem Team für Debt Advisory und M&A für Kundinnen und Kunden im privaten und öffentlichen Bereich, also für Firmen und Gemeinden, zuständig. BDO ist zwar sehr bekannt für Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung, unsere Kompetenz in den unterschiedlichsten Bereichen der Beratung ist in der öffentlichen Wahrnehmung aber noch weniger präsent. Besonders wichtig ist uns daher, den Bekanntheitsgrad unserer bereits breit aufgestellten Beratungssparte nach Kräften zu steigern und die Finanzierungsberatung im Rahmen des Corporate Finance Advisory Bereichs weiter auszubauen.

INARA: Inwiefern können Ihre Kundinnen und Kunden von Ihrer umfassenden Erfahrung in der Bankbranche profitieren?
Leeb: Aufgrund meiner langjährigen Tätigkeit auf der Bankenseite weiß ich genau, wie Banken „ticken“, wie die internen Prozesse laufen, was sie für positive Kreditentscheidungen benötigen und an welchen Schrauben man in einer Verhandlungssituation drehen kann. Dieses Wissen gepaart mit den guten persönlichen Kontakten nütze ich jetzt, um für unsere Kundinnen und Kunden eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und optimale Ergebnisse für ihre Anliegen zu erzielen. Durch unser breites Leistungsangebot im Bereich Corporate Finance Advisory und Consulting können wir auch in Bezug auf strategische Themen für unsere Kundinnen und Kundinnen da sein, was in der Bank in dieser Breite nicht möglich war.

INARA: Firmenkunden könnten ja direkt zur Bank gehen, wenn sie einen Kredit brauchen. Welchen Sinn macht da ein Berater?
Leeb:  Ein gravierender Vorteil, den wir gegenüber den Banken haben ist, dass wir nicht auf das Produktangebot einzelner Institute beschränkt sind, ja nicht einmal auf Banken als Finanzierungspartner oder klassische Bankkredite als Finanzierungsquelle: Wir beraten ausschließlich im Interesse unserer Kundinnen und Kunden und bieten maßgeschneiderte Lösungen für ihre individuellen Bedürfnisse an. Wir agieren unabhängig, haben einen sehr guten Marktüberblick und unsere Honorare sind transparent für unsere Kundinnen und Kunden. Sie können sich daher darauf verlassen, dass wir sie bei der Wahl ihres Partners ausschließlich nach objektiven Kriterien und zu ihrem eigenen Vorteil beraten.

Wir hören von unseren Kundinnen und Kunden, dass für Beratung durch ihre Kundenbetreuerinnen und -betreuer in den Banken immer weniger Zeit bleibt. Diese Situation ist für ein Beratungsunternehmen wie BDO ein regelrechter Türöffner, der es uns ermöglicht, diese Lücke auszufüllen. Abgesehen davon profitiert unsere Kundin bzw. unser Kunde von unserem umfassenden Marktüberblick, der in der Bank so nicht geleistet werden kann. So erhält die Kundin bzw. der Kunde stets die besten Lösungen zu marktgerechten Konditionen.

INARA: Viele Unternehmen haben wirtschaftlich stark unter der Corona-Krise gelitten. Inwieweit hat sich das auf Ihre Arbeit ausgewirkt?
Leeb: Zunächst haben wir unsere Kundinnen und Kunden in sehr großem Umfang im Bereich der nicht immer leicht durchschaubaren Covid-Förderungen und -Anträge begleitet. Auch wenn die Kundin bzw. der Kunde in die Situation kommt, etwa coronabedingt bestimmte vertraglich vereinbarte Kennzahlen in Bezug auf Eigenkapital und Verschuldung oder seine Ertrags- oder Liquiditätsplanung nicht einhalten zu können, unterstützen wir. Wir übernehmen dann oft eine Mediationsfunktion zwischen Bank und Kundin bzw. Kunde. Auch hier hilft die Kenntnis über die Denk- und Vorgehensweisen aber auch über die Möglichkeiten in den Banken sehr, um unsere Kundinnen und Kunden durch diesen für sie nicht alltäglichen Prozess führen zu können und bestmögliche Verhandlungsergebnisse zu erzielen. Die könnten zwar auch direkt miteinander verhandeln, ein unabhängiger Berater „in between“ hat aber in so einer Situation zahlreiche Vorteile. Auch für die Zeit nach Corona rüsten wir unsere Kundinnen und Kunden, z.B. indem wir aufzeigen, wie sie die Kennzahlen ihrer Bilanzen, welche unter der Krise gelitten haben, mit alternativen Finanzierungsinstrumenten wieder stärken und somit zukunftsfähig machen können. Nicht zu unterschätzen ist auch die Anzahl an Unternehmen, die aus der Krise als Sieger hervorgegangen sind und über weitere Investitionen oder strategische Firmenzukäufe nachdenken. Auch diese begleiten wir sowohl strategisch, finanzierungs- als auch M&A- seitig.

INARA: Während Negativzinsen für private Sparer in Österreich verboten sind, verrechnen immer mehr Banken solche für Guthaben auf Firmen- und Geschäftskonten. Das sorgt bei vielen Unternehmern für böses Blut. Was sagen Sie diesen?
Leeb: Inzwischen ist es so, dass fast alle Banken Zinsen bzw. Gebühren für Bankguthaben auf Geschäftskonten verrechnen, spätestens ab einem Guthaben von 100.000 Euro. Wenn das Sparguthaben das einzige Produkt ist, welches mit der Bank abgeschlossen wurde, fallen diese Gebühren auch schon bei niedrigeren Beträgen an. Verhandlungsbereitschaft besteht bei Banken, mit denen eine langfristige Hausbankbeziehung gepflegt wird, nachdem die Bank in einem solchen Fall auch an anderen Produkten wie z.B. einer Finanzierung oder dem Zahlungsverkehr verdient und ihre eigenen Kosten mit diesen Erträgen gegenrechnen kann. Die Geldinstitute müssen ja selbst seit einigen Jahren für Einlagen bei der Europäischen Zentralbank Negativzinsen zahlen, sodass es nachvollziehbar ist, dass sie diese Kosten nun an ihre Kundinnen und Kunden weitergeben. In Deutschland ist das bereits sehr viel früher als in Österreich geschehen.

Es zahlt sich aus, über Veranlagungsalternativen nachzudenken. Diese sind abhängig von der jeweiligen Risikobereitschaft und vom Veranlagungshorizont.

INARA: Banken verlangen bei der Kreditvergabe immer mehr Background-Informationen. Warum ist das so und wie können Sie die BDO Kundinnen und Kunden hierbei unterstützen?
Leeb: Aufsichtsrechtliche Anforderungen an Risikomanagement und Compliance werden immer strenger. Die Corona-Krise hat außerdem dafür gesorgt, dass Banken das Geschäftsmodell des Kunden noch genauer verstehen wollen als in der Vergangenheit, um die Risikosituation noch besser als bisher einschätzen können. Vieles wurde in den letzten Monaten auf den Kopf gestellt, sodass eine kritische Auseinandersetzung nicht mehr nur mit dem eigenen Geschäftsmodell, sondern auch mit der gesamten Lieferkette unumgänglich geworden ist. Darüber hinaus ist es auch zunehmend wichtiger geworden, sich mit der Bonität, also der Zahlungsfähigkeit der eigenen Kundinnen und Kunden intensiver auseinanderzusetzen – auch hier kann die Krise zu Veränderungen geführt haben.

Für alle Unternehmen gilt daher, dass eine intensivere Auseinandersetzung mit ihrem Geschäftsmodell verbunden mit alternativen Planungsszenarien jetzt einen deutlich höheren Stellenwert hat als noch vor der Krise. Wir empfehlen, vor einem Bankgespräch bereits proaktiv eine Unterlage zu erstellen, die alle für die Bank entscheidungsrelevanten Informationen enthält. Eine gute und sorgfältige Vorbereitung beschleunigt den anschließenden Prozess und vermittelt einen professionellen Eindruck, der wiederum einen positiven Effekt auf das Rating und somit auf die Kreditentscheidung hat. Wir als BDO können in allen Phasen dieser Aufbereitung unterstützen.

INARA: Nachhaltigkeit wird in der Wirtschaft immer wichtiger. Wie weit wird sie von den Banken auch als Kriterium für die Bonität eines Kunden gesehen?
Leeb: Laut den Regulatorien sind die Banken ab 2022 dazu verpflichtet, sich intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit „ESG“ (Environmental Social Governance) zu beschäftigen. Als Beispiel möchte ich hier etwa die EU-Taxonomie-Verordnung nennen, welche Kriterien zur Bestimmung, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist, (Taxonomie) enthält. Ab 2022 müssen weiters Wertpapierkunden laut Mifid II über ihre Nachhaltigkeitspräferenzen befragt werden. Derzeit beschäftigen sich vor allem die großen Banken intensiv mit der Umsetzung, vieles ist derzeit noch offen. Künftig ist es sehr wahrscheinlich, dass die Nachhaltigkeitsgebarung eines Kreditnehmers Eingang in sein Rating finden wird. Spätestens dann muss sich jedes Unternehmen intensiv damit beschäftigen, inwieweit seine Geschäftstätigkeit nachhaltig ist, denn am Ende des Tages wird das Einfluss auf Kapitalkosten bis hin zur Verfügbarkeit von Kapital haben. Nachhaltigkeit auf die Produktion von grünem Papier zu beschränken, wird da nicht mehr ausreichen. Die Zeit, da Diversität, Umwelt, Soziales etc. nur nice-to-haves waren, ist dann endgültig vorbei. Bereits jetzt fließt die Nachhaltigkeitsgebarung bei manchen Kreditinstituten in die Kreditentscheidung ein. Nachhaltigkeitsberichte werden immer häufiger erstellt werden müssen, nicht nur für börsennotierte Unternehmen. Wir als BDO unterstützen unsere Kundinnen und Kunden in diesem gesamten Prozess entsprechend.

INARA: Sie haben jahrelange Erfahrungen im Firmenkundengeschäft und waren während Ihrer Tätigkeit bei der Erste Bank u.a. auch Aufsichtsratsmitglied bei einer regionalen Sparkasse. Welche Qualifikation sollte Ihrer Meinung nach ein guter Aufsichtsrat besitzen?
Leeb: Eine gute Aufsichtsrats-Zusammensetzung sollte die relevanten Fachbereiche durch seine Mitglieder ausgewogen abdecken. Dafür ist für die jeweilige Bestellung die fachliche Qualifikation das Um und Auf. Ebenso wichtig sind gesunder Menschenverstand und der Mut, auch langjährig gelebte Usancen kritisch zu hinterfragen. Mehrwert kann durch einen Aufsichtsrat auch mittels Beratungs- und Unterstützungsleistungen gebracht werden. Das erfordert Vertrauen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. Vertrauen verbunden mit einer gesunden Distanz zum Vorstand und zu den AR-Kollegen ist für ein wertschätzendes Miteinander jedoch ebenso notwendig, da es erlaubt, die Kontrollfunktionen konfliktfrei auszuüben. Fehlt die Distanz, werden unangenehme, aber notwendige kritische Fragen vermutlich nicht gestellt werden – und das darf keinesfalls geschehen.


@ BDO_Vanessa Hartmann-Gnong

www.bdo.at

Autorin: Brigitta Schwarzer