Interview: Fliegen im rechtsfreien Raum?

Interview: Fliegen im rechtsfreien Raum?

Last Updated on 2020-01-20
Schon heute werden Drohnen auf breiter Basis eingesetzt, in den kommenden Jahren dürfte ihre Zahl weiter kräftig steigen. Viele juristische Fragen rund um den Betrieb dieser unbemannten Flugobjekte sind aber noch ungelöst. Welche das sind erläutert Dr. Stefanie Werinos-Sydow, Rechtsanwältin und Expertin für Drohnenrecht, im INARA-Gespräch.

INARA: Bei PwC Legal wurde vor kurzem ein Kompetenzzentrum für Drohnenrecht eingerichtet. Was war der Grund dafür und welche juristischen Herausforderungen bringt der Einsatz von Drohnen mit sich?
Dr. Stefanie Werinos-Sydow: Unser Kompetenzzentrum für Drohnenrecht wurde ins Leben gerufen, weil der immer intensiver werdende Einsatz von Drohnen viele rechtliche Fragen aufwirft. Das Drohnenrecht ist juristisch im absoluten Umbruch. Gleichzeitig sind die unbemannten Luftfahrzeuge (ULFZ) bereits in großer Zahl unterwegs und werden breit eingesetzt. Dies auf Grundlage der bisher gültigen Rechtslage. Durch die neuen EU-Verordnungen wird sich einiges ändern – nicht nur der österreichische Gesetzgeber ist hier gefragt, sondern alle relevanten Stakeholder. Viele mit der Verwendung von Drohnen verbundene juristische Fragen müssen nun schrittweise interdisziplinär geklärt werden. Dazu soll das Kompetenzzentrum von PwC Legal als Plattform und Schnittstelle unter Einbeziehung aller wesentlichen Stakeholder einen Beitrag leisten.

INARA: Was ist Ihre Aufgabe im Kompetenzzentrum?
Werinos-Sydow: Ich bin Rechtsanwältin, seit kurzem Partnerin bei PwC Legal Österreich und leite dort die Praxisgruppe Public & Regulatory Law. Das Drohnen- bzw. Mobilitätsrecht ist neben dem Umwelt-, Vergabe- und Planungsrecht sowie dem Life Science Bereich eines meiner inhaltlichen Spezialgebiete.

INARA: Welche Rechtsbereiche sind beim Betrieb von Drohnen zu beachten?
Werinos-Sydow: Die juristischen Herausforderungen im Zusammenhang mit diesen Flugobjekten sind sehr groß, vor allem weil deren Einsatzgebiet ständig wächst. Betroffen sind u.a. die Bereiche Luftfahrtrecht, Datenschutz (vor allem, wenn die Drohnen mit Kameras bestückt sind), Strafrecht, Mobilitätsrecht, Haftungsrecht sowie EU-Recht. Auch versicherungstechnisch sind Drohnen ein sehr spannendes Thema. Gewiss ist, dass in Zukunft sicher noch jede Menge juristischer Detailfragen auftauchen werden, an die wir heute noch gar nicht denken.

INARA: Wie werden diese Fluggeräte künftig in Österreich gesetzlich geregelt sein?
Werinos-Sydow: Ab 1. Juli 2020 treten die beiden neuen EU-Drohnenverordnungen in Österreich in Kraft. Vorgesehen ist dann eine Registrierungspflicht für Drohnen mit einem Gewicht von mehr als 250 Gramm, weiters eine Einteilung in drei Kategorien: Open, Specific und Certified. Alle Drohnen müssen in Zukunft vom Hersteller mit einer Kennzeichnung versehen werden. Derzeit müssen größere Drohnen, also nicht die kleinen Spielzeugobjekte, in Österreich von der Austro Control bewilligt werden. Um größere Drohnen fliegen zu dürfen, muss man mindestens 16 Jahre sein. Geflogen werden darf nur zu bestimmten Zeiten und nicht über dicht besiedeltes Gebiet oder bei Dunkelheit. Kontroll- und Sicherheitszonen – etwa der Bereich rund um Flughäfen bzw. kleinere Flugplätze – müssen eingehalten werden.

INARA: Wo sind Drohnen heute bereits im Einsatz?
Werinos-Sydow: Mit Kameras bestückte Drohnen werden häufig für Luftaufnahmen eingesetzt, die für Werbung oder Marketingzwecke dienen. Auch die Immobilienbranche hat die Drohnen-Technologie für sich entdeckt. Hochauflösende Bilder und Videos eines Objekts im 360-Grad-Modus sollen Kaufinteressenten überzeugen. Weitere Anwendungsfelder sind die Inspektion von Brücken, Überlandleitungen und Strommasten, die Dokumentation im Bauwesen (Baufortschritt, Bauschäden), bei Vermessungsarbeiten und in der Land- und Forstwirtschaft zur Überwachung oder zur Feststellung von Unwetterschäden. In Ruanda werden vom Unternehmen Zipline bereits jetzt in unzugänglichen Gebieten Medikamente oder Blutkonserven per Drohne zugestellt. Und rund um das havarierte Atomkraftwerk Fukushima in Japan messen spezielle Drohnen die Strahlenbelastung. Daneben werden Drohnen natürlich auch von Militär und Polizei genutzt; die kleinen Modelle sind ein beliebtes Spielzeug für Hobbypiloten.

INARA: Und welche Anwendungsbereiche, an die heute noch kaum jemand denkt, wären in Zukunft möglich?
Werinos-Sydow: Es ist zu erwarten, dass durch den Einsatz von Drohnen einerseits neue Branchen entstehen, andererseits Prozesse und Arbeitsvorgänge in bestehenden Branchen optimiert werden können. Mit Sicherheit werden Logistikdrohnen in Zukunft an Bedeutung gewinnen. So hat Amazon, der weltgrößte Onlinehändler, vor kurzem eine Lieferdrohne vorgeführt, die bereits in einigen Monaten die ersten Pakete zustellen soll. DHL und UPS haben ähnliche Pläne. Bis Pakete und Pizzas auch in Österreich aus der Luft angeliefert werden, müssen allerdings noch jede Menge rechtliche und technische Probleme gelöst werden. Vor allem über größeren Städten könnte es im Luftraum recht schnell eng werden.

In China und Dubai gibt es bereits heute intensive Testphasen zum Taxidrohnenbetrieb und man rechnet damit, dass in Europa im Jahr 2035 rund 100.000 Taxidrohnen am Himmel unterwegs sein werden. Technologieführer bei der technischen Entwicklung von Drohnen ist China. Aber auch unzählige europäische Unternehmen arbeiten – unter Bedachtnahme der strengen regulatorischen EU-Vorgaben – intensiv an der Weiterentwicklung aller Aspekte des Drohneneinsatzes. Es bleibt somit sehr spannend. Für die nächsten Generationen wird vermutlich der Einsatz dieser fliegenden Roboter ebenso selbstverständlich sein wie die Digitalisierung.

INARA: Ist es für Rechtsanwälte wirtschaftlich lohnend, sich auf die juristischen Fragen rund um Drohnen zu spezialisieren? Und welche Fähigkeiten muss man als Drohnen-Anwalt mitbringen?
Werinos-Sydow: In Anbetracht der neuesten Entwicklungen – sowohl aus rechtlicher Sicht (Stichwort: EU-Verordnungen) als auch aus praktischer Sicht – ist es äußerst interessant, sich als Jurist und Rechtsanwalt mit dieser Thematik zu beschäftigen.  Es ist sehr spannend, weil vieles im Umschwung ist und aktuell noch viele juristische Fragen offen sind. Neben der juristischen Kompetenz sollte man auch IT-affin und PR-mäßig versiert sein, sich mit Projekten auskennen und Managementqualitäten haben.

INARA: Wir haben bisher nur über legale Einsatzmöglichkeiten für die ferngesteuerten Fluggeräte geredet. Können sie auch illegal eingesetzt bzw. Straftaten verwendet werden?
Werinos-Sydow: Natürlich stellen Drohnen auch eine potenzielle Gefahr dar und können missbräuchlich verwendet werden. Denkbar wäre etwa der Einsatz für Spionage oder Cyberangriffe oder für den Drogenschmuggel. Wie medial regelmäßig berichtet wird, werden Drohnen auch missbräuchlich verwendet.


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Autorin: Brigitta Schwarzer