Interview: Grünes Geld

Interview: Grünes Geld

Last Updated on 2020-03-05
Immer mehr Menschen interessieren sich heute für umwelt- und klimafreundliche Finanzprodukte. Warum ethisch-ökologische Geldanlage in Zukunft noch wichtiger werden wird und dass „green finance“ auch bei der Performance gut abschneidet, erläutert Finanzprofi Max Deml im Gespräch mit INARA.

Das deutsche Nachrichtenmagazin „Spiegel“ bezeichnete ihn 2019 als „Pionier der grünen Geldanlage“: Max Deml beschäftigt sich bereits seit dem Jahre 1990 mit nachhaltigem Investment. „Damals war das ein Nischenthema für ein paar Ökofreaks, mittlerweile gibt es ein breites Interesse für ethisch-ökologisches Investieren,“ so Deml. Er selbst hat noch als Student als Friedens- und Umweltaktivist begonnen, zunächst im Kampf gegen österreichische Panzerexporte an südamerikanische Militärdiktatoren wie Pinochet. Bald aber ging es ihm und einigen Gleichgesinnten darum, die eigenen Ersparnisse nicht in „böse Branchen“, sondern ethisch-ökologisch zu veranlagen.

Seit rund 30 Jahren, also wahrlich nachhaltig, analysiert Deml nun grüne Geldanlagen. Er gründete einen Verlag und gibt u. a. alle drei Wochen den Informationsdienst „Öko-Invest“ heraus. „Von unserem erstmals 1990 erschienenen Handbuch „Grünes Geld“ ist mittlerweile bereits die 8. Auflage auf dem Markt,“ erzählt er. Anleger finden darin einen umfassenden Überblick über nahezu alle Öko-Investment-Möglichkeiten. Auch neue Trends wie Green Bonds und Crowd-Investments werden behandelt. Seit der Finanzkrise 2008 tritt Deml zusammen mit dem Wiener Liedermacher Georg Bauernfeind auch mit dem Kabarett-Programm „Grünes Geld“ auf.

„Bio war früher auch ein Nischenthema“

Das verstärkte Umweltbewusstsein und die Diskussion um den Klimawandel haben dazu geführt, dass viele Menschen auch bei der Auswahl ihrer Geldanlage ökologische Kriterien mit einbeziehen und dadurch etwas verändern wollen. „Es ist wie im Supermarkt. Noch vor 20 Jahren waren für Bioprodukte nur wenige Regalmeter reserviert, heute gibt es hier ein breites Angebot. Und auch für fast jedes Finanzgeschäft – wenn es nicht gerade Terminkontrakte für Rohstoffe oder Schweinebauchhälften sind – gibt es bereits eine grüne Alternative,“ erläutert Deml.

Die Palette reicht von Fonds (Renten-, Aktien- und gemischte Fonds), von denen allein in Österreich hunderte zugelassen sind, über Einzelaktien – etwa aus dem Bereich erneuerbare Energie – bis hin zu diversen Beteiligungen an einschlägigen Unternehmen. Sogar ein Sparbuch mit Umweltzeichen wird angeboten. Stark zulegen konnte zuletzt das Segment der Green Bonds, das sind Anleihen zu Finanzierung von Klima- und Umweltprojekten. Im türkis-grünen Regierungsprogramm ist vorgesehen, dass die Republik Österreich Green Bonds auf den Markt bringt. Eine erste Emission könnte noch heuer erfolgen. Vorreiter war in Österreich der Verbund, international waren es vor allem die Entwicklungsbanken wie die EIB.

Die heimischen Banken „überschlagen“ sich fast mit nachhaltigen Anlageprodukten, vor allem Fonds. Deml konstatiert aber, dass nicht alle Berater bei diesem Thema sattelfest sind. „Manchmal ist der Kunde besser informiert als sein Gegenüber.“ Hier gelte es aufzuholen. Laut EU sollen die Kunden im Rahmen der Anlageberatung künftig auch auf nachhaltige Finanzprodukte hingewiesen werden. Viele Versicherungen setzen bereits stark auf ökologisches Investment, in Deutschland veranlagt laut Deml eine Gesellschaft sogar ihre kompletten Kapitalreserven nach nachhaltigen Kriterien. Eine Vorreiterrolle haben die heimischen Pensions- und Vorsorgekassen, auf die der Löwenanteil des in Österreich nachhaltig veranlagten Vermögens entfällt.

EU-Regeln geplant

Die EU hat sich seit kurzem ganz stark dem Ziel Klimaneutralität verschrieben, Europa soll CO2 neutral werden. Das wird in den kommenden Jahren gigantische Investitionen erfordern, für die in erheblichem Ausmaß auch privates Kapital gebraucht wird. „Bisher gibt es keine allgemeingültige Definition, die EU definiert nun über ihre Taxonomie Kriterien für nachhaltige Finanzprodukte,“ erläutert Deml. Die Kriterien seien durchaus sinnvoll. Als „Zankapfel“ erweise sich wieder einmal die Atomkraft, die zwar CO2-neutral ist und auf die vor allem Frankreich stark setzt, die von Ländern wie Deutschland und Österreich aber abgelehnt wird.

Bei der Ausgabe eines „grünen“ Fonds geht man entweder nach Negativkriterien vor, schließt also etwa Investments in Waffenhersteller, Atomkraftbetreiber, Kohlekraftwerke, Spielcasinos oder Länder mit Todesstrafe, Kinderarbeit etc. aus, oder man erstellt eine Positivliste, investiert also in Wind-, Solar- und Wasserkraft, Recycling, Biolebensmittel usw. Weit verbreitet, so Deml, ist auch der best-in-class-Ansatz, bei dem untersucht wird, welches Unternehmen die vorab definierten Ökokriterien am besten erfüllt.

Rendite ohne Reue möglich

Das Vorurteil, dass nachhaltige Investments schlechter performen als konventionelle, hält sich zwar hartnäckig, ist aber trotzdem falsch, betont Deml. Das beweisen zahlreiche Studien. In einigen Fällen sind grüne Titel sogar echte „Überflieger“, so etwa die Aktie des dänischen Herstellers von Windkraftanlagen Vestas Wind Systems, die in den letzten sieben Jahren um rund 1500 Prozent gestiegen ist. Deutlich besser als der breite Markt schneidet auch der von Deml 1997 entwickelte internationale Natur-Aktienindex nx-25 (früher als „NAX“ bekannt) ab. Er enthält insgesamt 25 ökologisch agierende Unternehmen, darunter z.B. Geberit, Tesla, Tomra, Umweltbank, Vestas Wind und die österreichischen Titel Mayr-Melnhof und Verbund. Während der nx-25 im Zeitraum von April 1997 bis Februar 2020 um 1161 Prozent zulegen konnte, brachte es der Vergleichsindex MSCI World im gleichen Zeitraum lediglich auf 163 Prozent.

Achtung vor Greenwashing

Um sich vor Flops, Etikettenschwindel oder Greenwashing zu schützen, sollten ökologisch orientierte Anleger sich vor überhöhten Renditeversprechungen in Acht nehmen und die Berichte von Fondsgesellschaften, Banken etc. gründlich studieren. Hochglanzprospekte allein seien zu wenig. „Wir bei Öko-Invest veröffentlichen auch eine grau-grüne Liste von Gesellschaften, die nicht bereit sind, Informationen zu veröffentlichen,“ so Deml. Besondere Vorsicht ist etwa bei Investments in Plantagen in Übersee angezeigt. Aktien oder direkte Beteiligungen – das gilt für grüne ebenso wie für konventionelle – seien natürlich riskanter als etwa ein Fonds. Dessen müsste sich jeder Anleger bewusst sein, betont Deml, der sich für die Österreicher eine intensivere Finanzbildung wünscht, die möglichst bereits in der Schule beginnen sollte.

Natürlich freut es Deml, dass nachhaltige Geldanlage heute in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist und in Zukunft wohl noch stärkere Beachtung finden wird. „Es ist schön, dass sich das Thema so entwickelt hat.“ Allerdings gibt es auch einen Wermutstropfen: „Leider kommt das alles sehr spät. Hätten wir uns früher damit beschäftigt und auf die diversen Warnungen z.B. des Club of Rome gehört, wäre in den letzten 40 bis 50 Jahren wohl vieles anders gelaufen und wir hätten schon heute keine Kohlekraftwerde mehr.“

@Max Deml – Öko-Invest

Website: https://oeko-invest.net/

Gerne können INARA Leser per Mail an oeko-invest@teleweb.at ein kostenfreies Öko-Invest-Heft anfordern.

Autorin: Brigitta Schwarzer