Interview: Klimaschutz als Börsen-Turbo

Interview: Klimaschutz als Börsen-Turbo

Last Updated on 2022-01-14
Warum der Wiener Aktienmarkt im Vorjahr besser als die internationale Konkurrenz abgeschnitten hat und auch 2022 das Umfeld für Börsengänge ausgezeichnet ist, erläutert Gregor Rosinger, CEO und Mehrheitseigentümer der Rosinger Group. Gute Chancen sieht er speziell in Zukunftsbranchen wie Elektromobilität und Digitalisierung. Auch einige der großen Rüstungskonzerne setzen stark auf Klimaschutz, ihre Aktien haben deshalb Potenzial, so Rosinger im Börsenradio-Interview.

Der ATX, der Leitindex der Wiener Börse, hat 2021 eine Performance von fast 40 Prozent hingelegt und damit fast alle internationalen Finanzplätze hinter sich gelassen. Dipl.-Ing. Gregor Rosinger, der seit Jahrzehnten international und in Österreich als Finanzinvestor und Industrieller erfolgreich tätig ist, analysiert im Börsenradio-Interview die Gründe dieser Überperformance. Der Wiener Aktienmarkt hat die Kursanstiege, die an den großen internationalen Börsen in den vergangenen Jahren erzielt wurden, teilweise nicht mitgemacht. Österreichs Wirtschaft läuft gut, die Firmen – darunter finden sich zahlreiche hidden champions – schreiben ausgezeichnete Ergebnisse, viele sind in Marktnischen besonders innovativ, einige sogar Weltmarktführer. „Es war klar, dass die Investoren irgendwann auf dieses Potenzial aufmerksam werden“, so Rosinger. 2021 war es dann so weit, es kam zu einem kräftigen Kursanstieg. Am Wiener Aktienmarkt dominieren seit Jahren die ausländischen Investoren, daneben agieren auch österreichische Fonds.

Rosinger erinnert in diesem Zusammenhang an die Jahre 1985/1986. Damals hatte Jim Rogers, ehemaliger Fondsmanager bei George Soros, den bis dahin kaum beachteten und extrem tief bewerteten Wiener Aktienmarkt „wachgeküsst“ und auf ein neues Bewertungsniveau gehoben.

Wo Gefahr droht

Wird der ATX, der einen guten Jahresstart hingelegt hat, auch im Gesamtjahr 2022 gut performen? Das hängt laut Rosinger von mehreren Faktoren ab. Die Pandemie – zumindest Omikron – sei in den Kursen weitgehend eingepreist. Geopolitisch schwelen aber einige Konflikte, etwa jener zwischen Russland und der Ukraine. Dazu kommt das Säbelrasseln mancher Möchtegern-Diktatoren wie etwa Nordkoreas Kim. „So etwas kann natürlich für Kursrücksetzer sorgen,“ meint Rosinger. Nicht vergessen dürfe man die schwierige Situation des chinesischen Immobiliensektors inklusive des seit längerem in Schieflage befindlichen Unternehmens Evergrande. All das sorgt für Unsicherheit und könnte laut Rosinger zu Kursrückschlägen führen.

Bestimmende Faktoren für die Finanzmärkte sind natürlich die Inflation und die Zinspolitik der Notenbanken. Derzeit glauben die Notenbanker teilweise noch, dass die derzeit recht hohe Inflation bald wieder sinken wird. Früher oder später werden sie aber gegensteuern und die Zinsen anheben.

Aktien als Inflationsschutz

Für die Aktienmärkte sind höhere Zinsen nach der Schulmeinung „Gift“. Man müsse aber differenzieren, betont Rosinger: „Es gibt auch unter den Aktien Inflationsgewinner.“ Natürlich würde sich die Situation eines hochverschuldeten Immobilienkonzerns wie z.B. Evergrande durch Zinserhöhungen noch weiter zuspitzen. Wenn aber Unternehmen eine sehr hohe Eigenkapitalquote sowie ein konjunkturresistentes Geschäftsmodell haben und höhere Preise auf dem Markt durchsetzen können, dann steigern sie ihre Profite auch in einem inflationären Szenario. „Solche Aktien würden auch einen Inflationsschutz bieten,“ so Rosinger.

Erfolgreiche Börsengänge

Für Börsengänge war 2021 ein Rekordjahr. Nach Einschätzung von Rosinger, der selbst CEO und Mehrheitseigentümer der Rosinger Group ist und weltweit bisher 67 Unternehmen an die Börse geführt hat, bleibt das Umfeld dafür auch im Jahr 2022 gut. Es ist viel Kapital vorhanden, die Unternehmen sind gut aufgestellt. Vor allem aber gibt es in vielen Unternehmen ein Umdenken, etwa durch die CO2-Bepreisung. Das beflügle neue Technologien und neue Geschäftsmodelle vor allem in den Bereichen Energietechnik und Digitalisierung.

Dass einige der Börsengänge des Jahres 2021 derzeit „unter Wasser“ liegen, also unter ihrem Ausgabepreis notieren, ist laut Rosinger einfach zu erklären: „Da waren Möchtegern-Investmentbanker am Werk.“ Die zwei Listings Kostad und VOQUZ Labs, die Rosinger im Vorjahr durchführte, haben sich hingegen ausgezeichnet entwickelt. Das in Niederösterreich ansässige Unternehmen Kostad ist Marktführer bei der Schnellade-Infrastruktur für E-Autos. Seit Jahrzehnten im Bereich Steuerungstechnik tätig entschied man bei Kostad bereits vor 15 Jahren, sich mit dem damals noch völlig neuen Thema Elektromobilität zu beschäftigen. An diesem Technologievorsprung beißt sich die Konkurrenz heute die Zähne aus. Branchenexperten nennen Kostad oft „den österreichischen Tesla“, berichtet Rosinger. Er selbst gibt grundsätzlich keine Aktienempfehlungen.

Die im Bereich Digitalisierung tätige VOQUZ Labs AG kam ebenfalls im Vorjahr an die Börse und verzeichnete seither eine erfreuliche Kursentwicklung.

Warum auch Rüstungskonzerne?

Im Rosinger Index, der von der Wiener Börse berechnet wird, findet man auch Rüstungs- und Luftfahrtkonzerne wie das italienische Unternehmen Leonardo sowie Dassault Aviation und Safran aus Frankreich. Rosinger erklärt warum: „Diese Unternehmen sind auf den ersten Blick im Bereich Rüstung/Defense tätig und werden deshalb mit einem Kursabschlag gehandelt. Blickt man genauer hin, geht es bei ihnen auch sehr stark um mehr Energie-Effizienz und damit um Klimaschutz.“ Er habe bei diesen Aktien zugeschlagen, weil internationale Investoren das ebenfalls irgendwann erkennen werden und sich die Kurse dann positiv entwickeln sollten.

Quelle: Gregor Rosinger zu ATX Kostad VOQUZ Börsenrelevante News – Wiener Börse: Wiener Börse (wienerborse.at)