Interview: „Lego for Business“

Interview: „Lego for Business“

Last Updated on 2020-06-19
Räume schaffen, in denen Ideen entstehen und Innovation funktioniert: dafür steht die Agentur Playroom. Wie das in der Praxis funktioniert, welche Kunden dafür bereits gewonnen wurden und warum teure Designermöbel der Kreativität schaden, erläutern René Massatti und Alexander Wolf, die Co-Gründer von Playroom, im INARA-Gespräch.

INARA: Bitte erklären Sie uns zunächst, was Ihr Unternehmen macht.
René Massatti: Playroom (GDOS playroomrocks GmbH) ist eine Agentur für Transformational Design in den Bereichen Innovation und Organisationsentwicklung. Wir entwickeln innovative Tools & Spaces unterstützen und schulen unsere Kunden in Projekten mit agilen Methoden wie Design Thinking & Corporate Co-Creation und entwickeln gemeinsam mit unseren Kunden neue Prozesse im Bereich Corporate Co-Innovation. Unser Startup hat seinen Ursprung in Deutschland und besteht seit rund fünf Jahren. Wir haben Büros in Wien und Berlin, der Wiener Schauraum liegt am WU-Campus im neuen BIG-Gebäude.

INARA: Wie kann man das Konzept beschreiben, nach dem Sie arbeiten?
Alexander Wolf: In drei Wörtern „Room follows play“. Ein Raum für Innovation soll in erster Linie den kreativen Prozess unterstützen. Teure Möbel allein sind zu wenig. Neues Gedankengut braucht für die Entfaltung genügend Platz, einen „Zündfunken“ und Nachhaltigkeit bei der Umsetzung. Unsere Tools und ebenso die Raumkonzeption entwickeln wir aus den Ansprüchen und Abläufen, die diese Innovationsprozesse mit sich bringen. Jeder Prozess verlangt nach unterschiedlichen Tools und jeder Tagesablauf bzw. Workshop lässt sich räumlich besser unterstützen, wenn er direkt auf die Arbeitsabläufe abgestimmt werden kann. Unsere Grundidee ist daher ein, „Lego for Business“ zu schaffen und ständig weiter zu entwickeln. Wir setzen also auf ein Bausteinsystem, mit dem man sich eine eigene Welt, einen Innovationsraum gestalten kann. Agiles Arbeiten und Teamwork wird in der Unternehmenswelt immer wichtiger, wir schaffen das Umfeld dafür.

INARA: Welche Rolle haben Sie beide im Unternehmen und welchen Background bringen Sie mit?
Massatti: Wir gehören beide zu den Gründern von Playroom und sind auch beide Managing Partner. Ich habe Wirtschaftswissenschaft mit Fokus auf Marketing und Management studiert, besitze langjährige Erfahrung als Trendanalyst und bin häufig als Keynote Speaker und Workshop-Moderator im Einsatz. Mit dem Thema Innovationsmanagement beschäftige ich mit seit 20 Jahren. Ich habe auch mehrere Lehraufträge im Bereich Corporate Co-Innnovation im In- und Ausland.
Wolf: Ich bin Produktdesigner und habe schon während des Studiums meine erste Firma für Produktdesign gegründet. Mein Schwerpunkt gilt seit jeher neuen Konzepten und -. wesentlich schwieriger – diese auch erfolgreich umzusetzen. Bei Playroom ist neben der Geschäftsführung mein Betätigungsfeld dementsprechend alles was die räumlichen Tools betrifft sowie Prozessdesign, aus dem sich viele unserer Tools ableiten.

 

INARA: Wie sollen Büros und generell die Arbeitsumgebung aussehen, damit Innovation gefördert und nicht gebremst wird? Und warum sollten sich Firmen gerade jetzt mit diesem Thema beschäftigen?
Wolf: Räume, in denen gearbeitet wird, in denen Innovation stattfinden soll, sollten nicht bis ins letzte Detail perfektioniert sein. In Räumen, in denen jederzeit ein Architektur-Shooting stattfinden könnte, traut sich niemand etwas anzugreifen, alles ist perfekt und es bleibt sprichwörtlich kein Freiraum für Neues. Solche Räume sind zum Repräsentieren, nicht zum Innovieren. Die Coronakrise hat diese Thematik um viele neue Facetten erweitert. Nach den ersten turbulenten Monaten stellt sich die Frage: Was bleibt im Homeoffice, welche Tätigkeiten sollten besser wieder ins Büro zurückverlagert werden? Sind Großraum-Büros überhaupt noch zeitgemäß? Dadurch wird mittelfristig eine neue Firmenkultur entstehen.

INARA: Wie gehen Sie bei Ihrer Tätigkeit konkret vor?
Massatti: Bei den üblichen Workshops hapert es oft an der Umsetzung der erarbeiteten Inhalte, es fehlt die Nachhaltigkeit. Wir setzen hingegen darauf, einem Thema materiellen und physischen Raum zu geben, wollen Orte angreifbar machen nach der Devise Räumlichkeit schafft Wirklichkeit. Die Räume müssen sich an die Menschen, deren Bedürfnisse und bei einem Workshop auch an das vorgegebene Thema anpassen. Generell gehen wir weg vom statischen Entwickeln, das einmal beendet und dann Jahre im Einsatz ist. Bei uns gibt es sowohl kleine als auch große Schritte, aber alles ist work in progress und wird durch die praktische Anwendung und die Erfahrungen, die dabei gemacht werden, ständig verbessert und weiterentwickelt. Man könnte es etwa mit der Softwareentwicklung vergleichen, die ja auch nie stillsteht, sondern einer ständigen Veränderung unterliegt.

INARA: Ohne Fantasie gibt es keine Innovation. Inwieweit kann das Arbeitsumfeld hier förderlich sein?
Wolf: Kinder haben noch jede Menge Fantasie, werden sie erwachsen, geht diese leider zu einem erheblichen Teil verloren. Generell springt die Kreativität eher an, wenn sich jemand in seiner Umgebung wohl fühlt und in einen spielerischen Modus kommt. Das Umfeld sollte den Geist und die Sinne ansprechen, der Wohlfühlfaktor ist dann oft Impulsgeber für Ideen und Lösungen. Natürlich darf der Arbeitsplatz bzw. das Büro auch schön ausschauen, aber es geht nicht unbedingt um teure Möbel mit hoher Qualität. Ein kostengünstiger Tisch mit einer Tischplatte aus Karton, auf der geschrieben, gezeichnet werden darf und in die man auch Löcher bohren oder die man überhaupt gleich zum Bau eines Prototyps verwenden kann, weckt eher den Innovationsgeist als ein schickes „Designermöbel“.

INARA: Können Sie uns ein paar Firmen nennen, für die Sie bereits gearbeitet haben?
Massatti: Zu unseren bekanntesten Kunden in der D-A-CH Region zählen u. a. die Deutsche Bank, Siemens, die Credit Suisse und BMW. In Österreich arbeiten wir u.a. für Oracle, Wüstenrot, die KELAG sowie die Österreichische Post. Für diese gestalten wir innovative Umgebungen, Prozesse und Workshops nach vorgegebenen Themen. Wissenschaftliche Kooperationen gibt es mit der Leuphana Universität Lüneburg, der Emirates Academy of Hospitality Management in Dubai und der WU Executive Academy.

INARA: Wie läuft so ein Workshop in der Praxis ab?
Wolf: Wir verwenden dabei Magnetwandmodule, die in den Veranstaltungsräumen Teilbereiche schaffen, also eine räumliche Struktur geben. Auch die Themen bzw. der Prozess wird von uns in Einzelbestandteile zerlegt und „from the scratch“ aufbereitet. Gleich einem Brettspiel gestalten wir die Inhalte und entwerfen „Spielsteine“/Tools, welche helfen, den Prozess spielerisch zu erleben. Die Workshop-Teilnehmer bekommen Fragen und Aufgaben, die sie in Teams besprechen, lösen und dann präsentieren. Durch den im ganzen Raum sichtbaren Prozess fördert man das gemeinsame Verständnis im Team. Natürlich arbeiten wir auch mit dem Überraschungseffekt und versuchen, immer etwas anderes zu bieten als die Leute erwarten. Mit zunehmender Erfahrung gelingt uns das immer besser.

INARA: Sie haben erwähnt, dass es bei Ihrer Arbeit auch um Nachhaltigkeit geht. Wie darf man sich das vorstellen?
Massatti: Wir schaffen über das Räumliche inhaltliche Nachhaltigkeit. So bleibt z. B. eine räumliche Workshop-Infrastruktur noch einige Zeit nach dem Workshop aufgestellt und lädt die Teilnehmer zum Treffen in kleinen Gruppen ein. Oder die Workshop Umgebung wechselt in das vorhandene Innovation Lab und wird dort zum fixen Bestandteil der Ausstattung, in der man immer wieder alleine oder in Gruppen nochmals alles durchgehen und weiter entwickeln kann. Damit kann der Prozess, der mit dem Workshop-Thema angestoßen wurde, weitergeführt werden. Dies soll dann am Ende des Tages auch zu einem Kulturwandel hin zu einer offeneren, nachhaltigeren Innovationskultur beitragen.

www.playroomrocks.com

Autorin: Brigitta Schwarzer