Interview: Stefan Ottrubay: „Wir müssen mit weniger Luxus-Staat auskommen“

Interview: Stefan Ottrubay: „Wir müssen mit weniger Luxus-Staat auskommen“

Last Updated on 2024-04-20
diepresse.com / Gerhard Hofer, 11.04.2024

Die Presse: Vor 30 Jahren wurden die Esterházy-Stiftungen gegründet. Die drei Jahrzehnte waren nicht immer friktionsfrei. Wie würden Sie die Entwicklung zusammenfassen?

Stefan Ottrubay: Unsere Stifterin, Melinda Esterházy, hatte schon immer eine sehr moderne Denkweise und daher das historische Erbe in Stiftungen eingebracht. Ab 2000 – nach elf Jahren Tätigkeit im benachbarten Osten – hat sie mich mit der operativen Leitung im Burgenland beauftragt. Es waren spannende und stürmische 30 Jahre. Wir mussten archaische Strukturen aufbrechen und viele Abläufe ändern. Es wurde das Bewusstsein für Qualität neu definiert und eine moderne Kultur der Kommunikation geschaffen, sowohl nach innen wie nach außen. Natürlich wurde das zu Beginn nicht von allen verstanden, es gab auch offenen Widerstand, meist wo Pfründe aufgegeben werden mussten. Heute freut man sich über die starken Impulse für die ganze Region.

Aktuell steckt der Immobilien- und Bausektor in der Krise. Inwieweit sind die Esterházy-Stiftungen von dieser Entwicklung betroffen?

Wir agieren hier in einem ländlichen Raum und sind nicht so stark betroffen wie Akteure in den großen Städten. Wir merken natürlich, dass die Interessenten deutlich zurückhaltender sind, die Inflation und die hohen Zinsen sind für jeden spürbar geworden. Deshalb erleben wir, dass große Projekte zurückgestellt werden. Man hat mehr Zeit für eine sorgfältige Planung und ordentliche Ausschreibung. Ich glaube sehr an den ländlichen Raum. Die Menschen wollen im Grünen leben, trotzdem aber viele Annehmlichkeiten der Städte genießen. Nach der Pandemie hat sich in vielen Berufen ein hybrides Arbeiten eingestellt.

Esterházy betreibt aber auch eine große Landwirtschaft und ist einer der größten privaten Waldbesitzer Österreichs. Auch im Holzgeschäft spürt man wohl die Krise am Bau, oder?

Zu Beginn des Ukraine-Krieges stiegen die meisten Lebensmittel- und Rohstoffpreise dramatisch an. Mittlerweile sind die Preise auch für Bauholz bereits niedriger als vor 2022. Kleinere Landwirtschaftsbetriebe sind mächtig unter Druck geraten. Und natürlich schreit man dort als Erstes nach dem Staat. Es geht auch um die Grundfrage, ob die Gesellschaft die Kleinteiligkeit der Landwirtschaft weiter subventionieren will, oder ob man größere Einheiten zulässt, die mit einer höheren Kosteneffizienz und mit höheren Qualitätsstandards arbeiten können. Wir bewirtschaften fast 3000 Hektar, und dies alles biologisch. Es ist eine Tatsache, dass gerade die großen Betriebe sehr boden- und ressourcenschonend arbeiten können. Wir sind der größte biologisch wirtschaftende Betrieb Österreichs und nach den Bundesforsten der größte Forstbetrieb, der komplexe Mischwälder bewirtschaftet. Auf unseren 22.400 Hektar wachsen mittlerweile 30 Baumarten.

Aber wer verhindert, dass größere Agrarunternehmen entstehen?

Die Kammern sind natürlich wirklich nicht an Zusammenschlüssen interessiert, sondern an möglichst vielen kleinen und mittleren Mitgliedern, denn das erhöht die politische Macht. Man kann ja bereits mit 3000 Quadratmetern Gartenfläche Kammermitglied werden.

Mit 3000 Quadratmetern ist man willkommen, mit 3000 Hektar dann doch eher nicht mehr?

Wir sind natürlich Mitglied sowohl bei der Wirtschaftskammer als auch bei der Landwirtschaftskammer. Die Landwirtschaft erfüllt ja in der Gesellschaft viele Aufgaben: Sie sichert die Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln, sie pflegt die Landschaft und sichert dadurch Artenvielfalt. Es gibt viele Argumente für kleinere Strukturen in der Landwirtschaft, aber ebenso viele für größere und professionelle Strukturen. Jedes der Argumente muss genau abgewogen werden.

Zurück zum Immobiliengeschäft, das Sie ja in den vergangenen Jahren sehr forciert haben. Wie läuft es dort?

In Breitenbrunn haben wir mehr als 53 Millionen Euro in ein modernes Seebad investiert. Im Juni wird das große Marina-Gebäude mit Gastronomie und Veranstaltungsbereich eröffnen. In den nächsten zwölf Monaten wollen wir rund 45 Tiny-Houses als dezentrale Hotelzimmer einrichten. Es gelang uns während der Pandemie, allein in Eisenstadt 60 Wohnungen im gehobenen Bereich innerhalb kurzer Zeit zu verkaufen, dies allerdings in einem deutlich tieferen Zinsumfeld. Wir hoffen, dass sich die Zinsen mittelfristig wieder stabilisieren, vielleicht sogar etwas vermindern.

Es gibt Stimmen, die meinen, der Staat korrigiere mit Förderungen lediglich das „Marktversagen“.

Schwächen des Marktes muss natürlich gegengesteuert werden. Staatshilfen können schnell zur Droge werden, an die sich die „Beschenkten“ sehr schnell gewöhnen und dann schwer von ihr loskommen. Es ist die Aufgabe der Politik, „Staatshilfen“ jeder Art zeitlich zu begrenzen und baldmöglichst mit der Entwöhnung zu beginnen. Leider sind wir in Österreich Weltmeister im Gewöhnen, nicht aber in der Entwöhnung. Das gilt quer durch alle gesellschaftlichen Kreise. Wir vergessen oft in Österreich, dass der Staat nur sehr beschränkt neue Werte, also neues Geld, schaffen kann. In den meisten Fällen verschuldete er sich zur Erreichung von neuen Zielen, zuerst im eigenen Land – was der glücklichere Fall ist –, bald dann aber in den Auslandsmärkten. Wenn es dann hart auf hart kommt, können die Gläubiger sehr harte Forderungen stellen. Wir haben es in Griechenland erlebt.

Gilt das auch für das Burgenland, das in letzter Zeit sehr spendabel geworden ist?

Natürlich für alle Rechtspersonen, auch die des öffentlichen Rechts. Ich kenne die Umstände im Burgenland zu wenig, aber es macht doch den Anschein, dass der Staat in den vergangenen Jahren als Investor viel aktiver geworden ist als früher.

Heuer ist Wahljahr, nicht gerade der ideale Zeitpunkt für einen Entzug? 

Ein gesunder Haushalt ist das eine, demokratische Wahlen das andere. Die Politik oder das Gemeinwesen müssen immer die Kraft haben, Nein zu sagen, auch in einem Wahljahr. Gerade dadurch schaffen sie sich den Respekt der Wahlbevölkerung. Das unkontrollierte Verteilen von Wahlgeschenken hat auf die Dauer noch nie eine Regierung an der Macht gehalten. Die „Normalbürger“ mit kleinem und mittlerem Einkommen vergessen leider, dass sie es sein werden, die in großen Krisen den Schaden werden bezahlen müssen. Das hat die Geschichte über Jahrhunderte hinweg immer wieder bewiesen. Es soll eine deutliche Warnung für alle sein, die lautstark nach der weiteren Verschuldung des Staates rufen. Wir müssen lernen, mit weniger Luxus-Staat auszukommen und uns auf höhere Leistungen und höhere Qualität in allen Bereichen auszurichten. Soziale und staatliche Abstützungen für alles und jedes bremsen die persönliche und unternehmerische Initiative und machen den Menschen – aber auch die Unternehmen – faul und selbstgefällig. Derzeit wird man das Gefühl nicht los: Der Staat hat sich um alles zu kümmern, auch wenn die Dienstleistungen dann eher bescheiden sind, immerhin sind sie umsonst. Hier sehe ich eine besonders große Aufgabe der Leistungsträger in der Gesellschaft, der privaten und der unternehmerischen, mit gutem Beispiel voranzugehen.

Wo machen Sie den „Luxus-Staat“ fest?

Ich war kürzlich beim Arzt, in meinem Alter muss man da und dort eine kleine Revision machen. Ich habe den Arzt gefragt, was die Operation kosten wird. Er meinte, es werde ohnehin alles von der Krankenkasse übernommen. Ich hätte es aber trotzdem gern gewusst, aber er konnte oder wollte es mir nicht sagen. Ich bin das in der Schweiz anders gewohnt: Da wird die Rechnung an den Patienten geschickt, und dann reicht er diese bei der Krankenversicherung ein, die dann in der Regel auch alles bezahlt. Das sorgt für Transparenz. In Österreich habe ich das Gefühl, als würde der Staat in manchen Bereichen unlimitierte Kreditkarten verteilen.

So schlimm ist es noch nicht, und wir wollen auch niemanden auf derartige Ideen bringen.

Seit ich Verantwortung trage, veröffentlichen wir regelmäßig die Leistung von Esterházy an Steuern und Abgaben. 2023 hat diese 15,2 Mio. Euro betragen. Ich habe vor einigen Jahren einigen Politikern gesagt, dass wir stolz sind, diese Steuern zu zahlen und damit auch einen Beitrag für den Sozialstaat zu leisten. Ich stieß mit dieser Aussage weitgehend auf Unverständnis. Nach wie vor bin ich der Meinung, dass der österreichische Staat in vielen Bereichen gute Arbeit leistet. Wir haben mehrere Unternehmungen und zahlreiche Mitarbeiter in und aus Ungarn. Wir sehen, dass etwa im Gesundheitswesen und in der allgemeinen Bildung Österreich einen meilenweiten Vorsprung hat.

Zur Person

Stefan Ottrubay ist Vorsitzender der Esterházy Privatstiftung. Er wurde 1954 in Zürich geboren, studierte Rechtswissenschaften in Freiburg, Zürich und New York und war danach viele Jahre im Banken- und Versicherungssektor tätig. Im Jahr 2000 wurde Ottrubay von seiner Tante Melinda Esterházy mit der Leitung der Esterházy-Stiftungen betraut.

Quelle: https://www.diepresse.com/18356291/stefan-ottrubay-wir-muessen-mit-weniger-luxus-staat-auskommen