Interview: Wenn Bilder „lebendig“ werden

Interview: Wenn Bilder „lebendig“ werden

Last Updated on 2021-05-06
Simon Quendler, der aus Kärnten stammende und in Wien lebende Maler, Skulpturist und Pionier der europäischen Prozesskunst, ist ebenso kreativ wie unkonventionell. Seine Werke sind in internationalen Museen, Auktionshäusern und Galerien zu finden. Der 1983 in Kärnten geborene Quendler ist Autodidakt. Er wuchs in Wernberg bei Villach und in den Vereinigten Staaten (Indiana) auf. Seit 2003 lebt und arbeitet er in Wien.

INARA: Sie gelten als einer der Pioniere der europäischen Reaktionskunst. Was kann man sich darunter vorstellen?
Simon Quendler: Es geht um den Versuch, Gemälde durch Reaktionsprozesse, ihr Wesen, ihre Natur zu entdecken. Die Bilder entstehen durch komplexe chemische und biologische Prozesse. Meine Arbeit dreht sich um Dekonstruktion und Neuschaffung sowie die Suche nach der Urfarbe. Ich sehe das gleichzeitig als Gegenbewegung oder gar Persiflage zur modernen Technik.

INARA: Wie kamen Sie zur Malerei?
Quendler: Ich habe mich schon früh mit den Malmitteln beschäftigt. Besonders fasziniert hat mich, wie in den Malwerkstätten der Renaissance die Pigmente zu Farben gemischt wurden. Vieles von diesem Wissen ist seither leider verloren gegangen. Das versuche ich zu rekonstruieren, indem ich die Eigenschaften der Materialien intensiv erforsche. Begonnen habe ich mit figuralen Darstellungen, dann wandte ich mich der abstrakten Malerei zu. Doch deren Möglichkeiten hatten sich für mich bald erschöpft und ich begann damit, „lebendige“ Werke zu erschaffen.

INARA: Was ist Ihnen heute beim Malen wichtig?
Quendler: Der Mut, sich an Neues und Unbekanntes zu wagen. Neue Sehmuster, neue Farben, eine neue Formensprache – das sind meine Anliegen. Meine Bilder sollen die Fantasie und Inspiration des Betrachters anregen. Was am Ende wie zufällig aussieht, ist das Ergebnis harter Arbeit. Meine Werke sind großformatig, abstrakt, stimmungsvoll und farbenprächtig. Ich könnte mir vorstellen, dass sie sich auch gut als Vorlage für Puzzles eignen würden.

INARA: Kunstexperten bezeichnen Sie auch als „Malchemist“. Was bedeutet das?
Quendler: Das ist eine Kombination aus Maler und Alchemist. Ich habe eine ganz besondere Malweise und verwende dabei Granulationstechnik, Essenzlösung und verschiedene Filter. Auf den ersten Blick sehen meine Bilder zwar aus wie herkömmliche abstrakte Kunst, meine Medien sind aber nicht Öl- oder Acrylfarben, sondern diverse anorganische und organische Chemikalien. Dadurch wird die Topografie meiner Gemälde zur Natur. In fast jedem Gemälde auf der Welt sieht man bei Vergrößerung im Mikroskop Pinselstriche, bei meinen Werken jedoch sieht man mikroskopisch kleine Strukturen. Formsprachen, die nur die Natur selbst erschaffen kann. Deshalb ähnelt mein Atelier, das sich im 19. Wiener Gemeindebezirk befindet, auch eher einem Labor. Es gibt einen Hochofen, Mörser, eine Zentrifuge, diverse Essenzen, Filtersysteme usw.

INARA: Könnten Sie uns bitte Ihre Arbeitsweise etwas genauer erläutern?
Quendler: Handelsübliche Farben sucht man bei mir vergeblich, ich verwende Stoffe wie Kaliumsorbat, Aluminiumsilikat, Vulkanasche oder auch einmal die Haut von Zuchtalligatoren aus Louisiana, die sonst weggeworfen würde. Die finde ich besonders spannend, weil sie eine der ältesten DNA der Welt aufweist und die granulierte Haut dank eingeschlossener Bakterien sich im Bildkörper – auch durch aufgenommene und abgegebene Stoffe – weiterentwickelt. Vulkanasche funktioniert ganz ähnlich, auch sie baut und strukturiert das Bild. Ich male auf dem Boden, in mehreren Schichten, die übereinander aufgetragen werden. Ich weiß zwar ungefähr, wie ein Bild werden wird, aber nie genau. Das hängt von den ablaufenden Prozessen ab, die ich nur teilweise lenken kann und die auch in mehreren Etappen passieren können. Die Bilder verändern sich wie von Geisterhand, manche während der Ausstellungseröffnung, manche sogar noch Monate später. Der spannende Veränderungsprozess, der zu einer extrem feinteiligen Struktur führt, wird von mir auch fotografisch dokumentiert.

INARA: Wenn jemand eines Ihrer Bilder kauft, verändert es sich dann weiter?
Quendler: Meine Bilder sind mittlerweile beliebte Sammlerobjekte. Ist das Bild fertig, friere ich den für mich gültigen letzten Zustand durch luftdichtes Versiegeln quasi ein. Weitere Reaktionen und ein Diffundieren der chemischen Substanzen, von denen einige auch giftig sind, werden damit ausgeschlossen.

INARA: Wo wurden Ihre Werke in den vergangenen Jahren bereits gezeigt?
Quendler: Besonders stolz bin ich auf eine Ausstellung meiner Werke im Bank Austria Kunstforum, die im Jahr 2017 stattfand. Davor gab es Ausstellungen unter anderem im Künstlerhaus in Wien, in der Sammlung Hirsch, in der Wiener Städtischen, im Museum Bamberg, im Landesmuseum Niederösterreich, in diversen Galerien, Projekte für den Verbund sowie Ausstellungen in Graz. Im Stift Klosterneuburg werden aktuell Werke gezeigt– darunter ein Leopold Triptychon – das bereits mehrmals präsentiert wurde.

INARA: 2020 war es wegen der Corona-Pandemie sicher nicht einfach, Ihre Werke dem Publikum zu präsentieren. Und auch heuer wird wohl nicht alles wie geplant laufen.
Quendler: Das Vorjahr war natürlich schwierig, weil viele Veranstaltungen abgesagt wurden. Noch vor Corona wurden Werke von mir in der Wiener Städtischen Versicherung gezeigt. Auch im Stift Klosterneuburg gab es eine Ausstellung. Ausstellungen in Bozen, die Art Vienna in der Hofburg und mehrere Kunstmessen, zu denen ich eingeladen war, konnten jedoch nicht stattfinden. Ich hoffe sehr, dass in den kommenden Monaten wieder etwas mehr möglich sein wird.

INARA: Dürfen Interessierte Ihr Atelier auch besuchen?
Quendler: Ja, ich veranstalte regelmäßig Ateliershows und man kann bei mir auch Atelierführungen buchen. Dann können mich kunstbegeisterte Menschen live erleben und ich freue mich über einen intensiven Austausch über mein Schaffen.


@ Presse Simon Quendler

www.simonquendler.com