01 Jul Jetzt ist echtes Krisenmanagement gefragt
Last Updated on 2020-07-02
Dr. Christine Domforth
Österreich kann sich mittelfristig aus der Coronakrise herausinvestieren und braucht dazu vor allem Wachstum. Das ist das Credo von Georg Knill, dem neu gewählten Präsidenten der Industriellenvereinigung (IV). Bei der Digitalisierung sollten wir alles daransetzen, um in Europa unter die Top 3 aufzurücken.
Er tritt sein Amt inmitten der schwersten Wirtschaftskrise der Zweiten Republik an: Georg Knill (47) wurde vor kurzem zum neuen Präsidenten der Industriellenvereinigung (IV) gewählt. Der gebürtige Steirer – er löst an der Spitze der IV Georg Kapsch ab – leitet gemeinsam mit seinem älteren Bruder Christian die Knill-Gruppe, ein Familienunternehmen, das Komponenten für Energiesysteme und Maschinenbau produziert Bei seinen ersten Medienauftritten und Interviews nach der Wahl forderte er angesichts der schweren Wirtschaftskrise, in die Österreich durch Corona geschlittert ist, ein entschlossenes Krisenmanagement. „Es gilt, den Wirtschaftsstandort Österreich bestmöglich abzusichern und für die Zukunft wieder stark aufzustellen.“ Dem ersten Konjunkturprogramm der Regierung müssten im zweiten Halbjahr 2020 weitere Schritte folgen, um den Konsum zu stärken, Kosten zu senken und Kapital zu sichern.
Kurzarbeit muss verlängert werden
Heuer dürfte in Österreich das BIP um rund acht Prozent einbrechen, bei einer zweiten Pandemie-Welle wäre der Absturz wohl noch schlimmer. Aus dieser Corona-bedingten Rezession müssen wir nach Einschätzung von Knill vor allem durch Wachstum herauskommen: „Wir brauchen Wachstum, Wachstum, Wachstum.“ Ein investitionsgetriebenes Wachstum sei der volkswirtschaftlich beste Weg aus der Krise. Wichtig wäre neben Anreizsystemen (beispielsweise die bereits angekündigte Investitionsprämie) vor allem Planungssicherheit für die Betriebe. Die öffentliche Hand fordert Knill auf, sinnvolle Investitionen (etwa in die Infrastruktur) vorzuziehen.
Unternehmer sind in der Regel gegen staatliche Eingriffe in die Wirtschaft allergisch. Dass der Staat jetzt Milliardenbeträge für Hilfsmaßnahmen locker macht, ist für Knill allerdings notwendig und durchaus legitim. So werde durch die Kurzarbeit ein massiver Anstieg der Arbeitslosigkeit vermieden, die sozial, aber auch wirtschaftlich fatale Folgen hätte. Deshalb fordere die Wirtschaft dringend eine weitere Verlängerung der Kurzarbeit über den September hinaus. Die Bewältigung des Klimawandels sei ebenfalls eine enorme Herausforderung und bedürfe einer Unterstützung durch die öffentliche Hand. „Wenn der Staat diese Entwicklung begleitet, werden Investitionen und neue Jobs gefördert. Die öffentlichen Mittel haben also eine erhebliche Hebelwirkung.“
Körperschaftssteuer soll auf 21 Prozent sinken
Knill schließt aus, dass Corona das Ende der Globalisierung bringen wird. Es werde sicher eine Tendenz zur Re-Regionalisierung, also zu einer gewissen Rückverlagerung nach Europa und auch nach Österreich geben. Wenn auf EU-Ebene versucht wird, wichtige Technologien wieder verstärkt in Europa anzusiedeln, sei das absolut begrüßenswert. Einen Abgesang auf die Globalisierung hält Knill, dessen Unternehmen Standorte in Europa, Asien, den USA und Australien hat, aber definitiv für falsch. Immerhin habe die Globalisierung wesentlich zu unserem heutigen Wohlstand beigetragen. Besonders profitiert haben Länder, die wie Österreich stark vom Export und vom Tourismus leben.
Erwartungsgemäß ist IV-Chef Knill strikt gegen neue Steuern: „Das zarte Pflänzchen der Konjunkturerholung dürfen wir nicht durch eine zusätzliche Besteuerung der Bürger gefährden.“ Auch für die Unternehmen wären zusätzliche Belastungen kontraproduktiv. Nötig seien vielmehr eine Entlastung bei den Lohnnebenkosten sowie eine Senkung der Körperschaftssteuer von 25 auf 21 Prozent.
„Wunderwaffe“ Effizienz
Die Corona-Krise und die Hilfszahlungen werden ein tiefes Loch in den Staatshaushalt reißen. Die Wirtschaftsforscher rechnen für heuer mit einem Defizit von zehn Prozent des BIP oder mehr. Auch für 2021 ist die Budgetprognose düster. Der daraus resultierende massive Anstieg der Staatsverschuldung in Richtung 90 Prozent sei aber zu verkraften meint der IV-Präsident. Statt das Defizit durch neue Steuern abzudecken, sollte das Budget durch eine Effizienzsteigerung in der Verwaltung und über zukünftiges Wachstum mittelfristig wieder ins Lot gebracht werden. Das sei durchaus ohne Leistungseinschränkungen möglich, sofern die Mittel in der öffentlichen Verwaltung, im Gesundheitsbereich, bei der Bildung oder im Pensionssystem künftig deutlich effizienter eingesetzt werden.
Bei der Digitalisierung hat Corona zwar einen gewissen „Schub“ bewirkt, insgesamt besteht hier in Österreich aber nach Einschätzung von Knill noch ein erheblicher Aufholbedarf. In einem EU-weiten Index für Digitale Wirtschaft (DES) liegen wir auf dem wenig schmeichelhaften Platz 13. Es müsse das erklärtes Ziel sein, unter die Top 3 zu kommen und zwar sowohl in der Verwaltung als auch bei der Ausbildung und der Infrastruktur. Auch bei Forschung und Technologie müsse Österreich einen Platz im Spitzenfeld anpeilen, meint das neu gewählte IV-Präsidium, dem neben Knill die Vizepräsidenten Sabine Herlitschka (Infineon) und Philipp von Lattorff (Boehringer Ingelheim) angehören.
IV macht sich für Kapitalmarkt stark
Der Klimawandel gehört für Knill neben Wirtschaftskrise und Digitalisierung zu den großen Herausforderungen unserer Zeit. Die österreichische Industrie stelle sich ihrer Verantwortung bei Ökologisierung und Klimaschutz und habe hier bereits viel geleistet. Den New Green Deal der EU befürwortet der IV-Präsident, der Aufschwung dürfe dadurch aber nicht gefährdet werden, negative Beschäftigungseffekte müssten unbedingt vermieden werden.
Dem Thema Kapitalmarkt will sich der neue IV-Chef intensiv widmen. Er sei in Österreich nicht so stark ausgeprägt, wie die Unternehmen es brauchen würden. Die Firmen müssten sich deshalb vorwiegend über Bankkredite finanzieren, was problematisch sein kann. „Wir als IV werden eine Task Force starten mit dem Ziel, den Kapitalmarkt zu stärken.“ Knill fordert einen besseren Zugang zum Kapitalmarkt, eine Vereinfachung der Meldepflichten, eine Senkung der IPO-Kosten sowie die – von der Regierung bereits angedachte – Wiedereinführung der steuerliche Behaltefrist von Aktien. Ebenfalls positiv für den Kapitalmarkt wäre die von der IV geforderte Senkung der Körperschaftssteuer.