Keine Kunst ohne Philosophie

Keine Kunst ohne Philosophie

Last Updated on 2023-08-22
Brigitta Schwarzer

Der erfolgreiche Künstler Djawid C. Borower malt, schreibt und denkt über Philosophie nach. Kunst und Philosophie gehören für ihn untrennbar zusammen, ganz wichtig ist ihm ein ganzheitlicher Zugang zu den Dingen. Und Leonardo da Vinci war für Borower nicht nur ein genialer Künstler, sondern auch ein Philosoph.

INARA: Bitte erzählen Sie uns etwas über Ihren bisherigen Lebensweg.

Djawid C. Borower: Ich wurde 1958 in Köln geboren, habe in Köln und Wien Geschichte und Philosophie studiert sowie in Wien die Akademie der bildenden Künste besucht. 1987 habe ich in Geschichte promoviert. Bereits seit 1984 lebe und arbeite ich in Wien, heute mit meiner Familie.

INARA: Ihre künstlerischen Aktivitäten haben sich zunächst aufs Schreiben konzentriert, nicht wahr?

Borower: Ja, das stimmt. Zwischen 1984 und 1997 war ich vor allem als freischaffender Autor tätig. So schrieb ich u.a. regelmäßig für das Feuilleton der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ über Themen aus den Bereichen Kunst und Wissenschaft. Weiters habe ich für die Wiener Festwochen produziert und mehrere Theaterstücke verfasst.

INARA: Wann haben Sie sich der bildenden Kunst zugewandt und was ist Ihnen dabei besonders wichtig?

Borower:1997 verlagerte sich mein Schwerpunkt auf die bildende Kunst. Von Anfang an war mir wichtig, Malerei und Philosophie nicht isoliert zu betrachten, sondern beides mit einander zu verbinden. Ich philosophiere in und mit meinen Bildern. Dabei versuche ich, Rationalität und Emotionalität zusammenzubringen. Mir geht es um einen ganzheitlichen Zugang.

INARA: Bitte erklären Sie uns das.

Borower: Gerade in einer Zeit wie jetzt halte ich es für notwendig, die Wirklichkeit als zusammenhängend zu betrachten. Das ist geradezu banal, aber lange nicht geschehen. Das fängt mit unserem Denken und Fühlen an. Das gilt aber auch für die Kunst insgesamt und vor allem auch für die Wirtschaft, da sie einen entscheidenden Einfluss auf unser Leben und Überleben als Menschheit hat. Pandemie, Kriege, Klimawandel und sonstige Krisen können wir nur dann meistern, wenn wir die Dinge von ihrer Vernetzung her denken. Holistisch heißt für mich, dass wir die Netzwerke, in denen wir uns befinden, als substantiell und real begreifen. Das gilt für alle und alles, auch für Unternehmen. Sein ist Verbunden-Sein.

INARA: Ihre Werke wurden bereits mehrfach international ausgestellt, Können Sie uns etwas darüber sagen?

Borower: Meine Bilder wurden bei insgesamt drei Biennalen gezeigt, unter anderem 2013 bei der 55. Biennale von Venedig bei einer Ausstellung im Palazzo Bembo. Weitere Ausstellungen gab es in Museen und Galerien in Deutschland, den USA, der Schweiz, den Niederlanden, in Frankreich und natürlich in Österreich.

INARA: In Ihren Bildern – sehr oft sind es auch Serien – verwenden Sie eine spezielle Technik. Wie kam es dazu?

Borower: Ich bezeichne meine Bilder als Palimpseste, das kommt aus dem Altgriechischen und bedeutetet wieder abschaben. Bei dieser Maltechnik werden mehrere Schichten Farbe z.B. Ölfarbe aufgetragen und diese dann partiell wieder abgeschabt. Man könnte auch sagen, dass ich auf diese Weise in meinen Bildern die Welt im wahrsten Sinn des Wortes als mehrschichtig interpretiere. Oft sind auch Textfragmente in die Bilder integriert, entweder eigene Texte oder solche von anderen Autoren.

INARA: Was ist die Idee dahinter?

Borower: Ich will auf diese Weise Malerei, Handschrift und Philosophie miteinander verbinden, so wie das bereits Leonardo da Vinci auf großartige Weise getan hat. Sein Werk ist nicht nur Malerei und Zeichnung, sondern hat auch wissenschaftliche und philosophische Dimensionen.

INARA: Welche Maler haben Sie beeinflusst?

Borower: Das sind in erster Linie die Klassiker der Moderne. Hier interessieren mich vor allem die geometrische Abstraktion eines Malewitsch oder Kandinsky und die frühe Farbflächenmalerei. Schwierig ist für mich die Konzeptkunst, die ja an den Kopf appelliert. Ich möchte aber das Rationale, Emotionale und Körperliche gemeinsam erlebbar machen.

INARA: Sie haben ein Atelier in Wien. Ist das für Sie ein Rückzugsort für Ihre kreative Arbeit?

Borower: Nicht nur. Natürlich kann ich mich dort auf meine Bilder und meine Texte konzentrieren. In diesen Räumen präsentieren aber auch Freunde, Maler, Schauspieler und Schriftsteller ihre Kunst. Es gibt hier Diskussionen, Theater, Performances, Musik und philosophische Vorträge.

INARA: Sie üben im Zusammenhang mit Ihrer ganzheitlichen Sichtweise Kritik an der Philosophie, so wie sie heute an den Universitäten gelehrt wird. Was stört Sie daran?

Borower: In der Antike waren Kunst und Philosophie über weite Strecken nicht getrennt. Philosophie war eine Lebensform. Heute will sie rationale Wissenschaft sein.

Die Emotionen werden herausgehalten, sie werden den Leuten sogar ausgetrieben – angeblich stören sie das Denken. Aber auf diese Weise fehlen wichtige Aspekte. Es geht bei der Philosophie doch um die Existenzerfahrung! Für mich ist gerade die Kunst das Mittel, die Emotionen wieder in die Philosophie zu bringen. Es gehört alles zusammen. Und ich philosophiere eben nicht nur in meinen Texten, sondern auch auf der Leinwand.

www.borower.com