KIM-Verordnung: Verfassungsgerichtshof befasst sich mit Immobilienkrediten

KIM-Verordnung: Verfassungsgerichtshof befasst sich mit Immobilienkrediten

Last Updated on 2023-11-02
Die strengeren Regeln für die Vergabe von Wohnkrediten beschäftigen den Verfassungsgerichtshof. Die Nationalbank argumentiert gegen eine Aufweichung oder Abschaffung

standard.at / Renate Graber, 28.10.2023

Ein Bankkunde, der keinen Wohnungskredit bekam, hat sich an den VfGH gewendet. Dieser soll prüfen, ob die Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung (KIM-VO) gesetzeswidrig ist.

Die verschärften (und zuletzt wieder etwas gelockerten) Regeln für die Vergabe von Krediten für den Erwerb von Wohnimmobilien haben in der vergangenen Woche erneut die Gemüter erhitzt. Wifo-Chef Gabriel Felbermayr regte mit Blick auf die rückläufigen Geschäfte der Baubranche und die etwaigen Folgen an, man möge die KIM-Verordnung (KIM-VO; gilt seit August 2022) überdenken. Damit sprach er jenen Bankern aus der Seele, die gegen die Verordnung Sturm laufen – weil das Neukreditgeschäft zuletzt um bis zu 70 Prozent eingebrochen ist.

Geht es nach den meisten Banken, sollen die von der Finanzmarktaufsicht (FMA) auf Basis einer Empfehlung des Finanzmarktstabilitätsgremiums (FMSG) verordneten Vorgaben gekippt werden. Wie die aussehen? Maximale Beleihungsquote von 90 Prozent, die Rate darf bis zu 40 Prozent des monatlich verfügbaren Haushaltsnettoeinkommens ausmachen und die Höchstlaufzeit bis zu 35 Jahre betragen. Wobei den Banken auch Ausnahmekontingente zur Verfügung stehen.

KIM-Verordnung obsolet?

Die Finanzwirtschaft argumentiert, die Verordnung sei angesichts stark gestiegener Kreditzinsen, sinkender Kreditvergaben und fallender Immobilienpreise obsolet. All das war auch vor kurzem Thema, als Bankenvertreter und die Aufseher von FMA und Oesterreichischer Nationalbank (OeNB) zusammenkamen. Die Aufseher begründen die strengeren Vorschriften für die Banken damit, dass sie zum Erhalt der Finanzmarktstabilität nötig seien; es gehe darum, systemische Risiken und eine Kredit-Preis-Spirale nach oben zu vermeiden.

Ein komplexes Thema, das auch den Verfassungsgerichtshof (VfGH) beschäftigt. Ein Vorarlberger Bankkunde, der von seinem Institut keinen Kredit bekam, hält die KIM-VO für gesetzeswidrig und will sie per Individualantrag zum Kippen bringen. Wie Die Presse berichtete, verwarf der VfGH die Sache zunächst aus formalen Gründen, inzwischen wurde der vom Feldkircher Anwalt Georg Mandl eingebrachte Antrag aber angenommen. Man habe die Ausführungen präzisiert, so der Jurist zum STANDARD, den Antrag etwa um neue Zahlen zum Rückgang der Immobilienkredite ergänzt.

Der Rechtsanwalt bezieht sich im Antrag an den VfGH auf Paragraf 23h des Bankwesengesetzes (BWG), in dem die Voraussetzungen für „Maßnahmen zur Begrenzung systemischer Risiken aus Fremdkapitalfinanzierungen von Immobilien” festgeschrieben sind. Und er argumentiert in seinem jüngsten Schriftsatz von Freitag, dass es in Österreich im Sinne dieser Gesetzesvorschrift „zu keinem Zeitpunkt ein systemisches Risiko durch Kredite für die Anschaffung von Immobilien gab und es auch derzeit keines gibt”.

Aufseher wollen Immobilienkrise verhindern 

Die OeNB sieht das in ihrer 20-seitigen Stellungnahme an den VfGH genau andersrum. Sie habe ihre Systemrisikoanalyse mit den neuen Daten etwa zu Hauspreisreduktionen, starker Erhöhung des Leitzinssatzes oder schlechterer realer Einkommensentwicklung aktualisiert, wie sie schreibt. Der Fokus der Maßnahmen liege auf einer Reduktion der Risiken bei den Neukrediten – und da senke die KIM-VO unter den neuen wirtschaftlichen Bedingungen die Ausfallswahrscheinlichkeit von Krediten ab. Sie „reduziert also die Wahrscheinlichkeit einer Immobilienkrise in Österreich, die zu hohen Verlusten für das Bankensystem, hohen Kosten für öffentliche Haushalte und hohen sozialen Kosten führen würde”.

OeNB sieht sogar gestiegenes Risiko

Die von den Geldhäusern ventilierte Abschaffung der Verordnung würde „dieses Risiko im Umkehrschluss erhöhen”. Wobei die Notenbanker anhand ihres Rechenmodells sogar von einer Erhöhung des Systemrisikos ausgehen, die Banken seien noch vulnerabler geworden, als sie es vor Einführung der KIM-VO gewesen seien.

Die FMA stützt sich in ihrer Stellungnahme unter anderem auf die Angaben der OeNB und hält zudem fest, der Bankkunde hätte sich ja an andere Institute wenden können, die noch freie Ausnahmekontingente für Kredite zur Verfügung gehabt hätten. Dazu merkt Rechtsanwalt Mandl in seinem Schriftsatz an, dass dieser Verweis nicht dazu geeignet sei, „die Gesetzmäßigkeit der Verordnung zu begründen”. Am Zug ist nun der VfGH. (Renate Graber, 28.10.2023)

Quelle: https://www.derstandard.at/story/3000000192937/verfassungsgerichtshof-befasst-sich-mit-immobilienkrediten