13 Feb Klage gegen Topmanager als Trend: D&O als Verlustgeschäft
Last Updated on 2019-02-13
Industriemagazin, Newsletter 12.02.2019
Topmanager zu klagen ist zu einem neuen Trend geworden – und für Versicherer werden die einst so lukrativen D&O-Versicherungen zum Verlustgeschäft. Die Ausgaben für Schäden steigen und steigen, heißt es etwa bei der Allianz. Cyberkriminalität und Datenschutz verschärfen das Problem zusätzlich.
Topmanager laufen immer größere Gefahr, geklagt zu werden. Die Klageneigung hat so stark zugenommen, dass die Manager-Haftpflicht für Versicherungen immer kostspieliger wird. Nach Einschätzung von Fachleuten aus der Branche sind die D&O-Polizzen für Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsräte mindestens in Teilen zu einem Verlustgeschäft geworden.
Die einst so lukrative D&O-Polizze wird plötzlich zum Verlustgeschäft
Die auf Firmenkunden spezialisierte Allianz-Tochter AGCS meldet stark gestiegene Ausgaben für Schäden in den vergangenen Jahren. Nach Angaben der Fachleute des weltgrößten Rückversicherers Munich Re gehen viele Marktteilnehmer davon aus, dass die D&O-Versicherung „technisch nicht profitabel” ist.
Sehr große Schäden werden immer häufiger
D&O ist die Abkürzung der branchenüblichen englischen Bezeichnung für die Manager-Haftpflicht: Directors and Officers. Kostspielig für die Versicherungen sind demnach vor allem die Vorstände großer Unternehmen: Besonders im Industrie- und Konzernsegment seien sehr große Schäden immer häufiger aufgetreten, weitere könnten folgen, heißt es bei der Munich Re. Im Bereich der kleineren und mittelständischen Unternehmen sind nach Angaben der Münchner „steigende Basisschadenquoten” zu verzeichnen. Das heißt, die Ausgaben für Schäden steigen im Verhältnis zu den Beitragseinnahmen.
„Klageneigung gegen das Management”
„Die Klageneigung gegen das Management hat zugenommen”, sagt Martin Zschech, D&O-Experte bei der Allianz. „Bei der AGCS sind die Schadensmeldungen in der D&O-Versicherung in Deutschland von 2014 bis 2018 um 47 Prozent gestiegen.” Ob die D&O-Polizzen insgesamt zum Zuschussgeschäft für die Branche geworden sind, ist nicht bekannt. Doch gibt es viele Indizien, die ahnen lassen, wie schwierig das Geschäft mit den Chefs geworden ist.
„Einige Versicherer haben sich aus dem Markt ganz zurückgezogen oder ihre Deckungssummen deutlich reduziert, weil die Schäden hoch sind”, sagt der auf D&O spezialisierte Düsseldorfer Rechtsanwalt Michael Hendricks. Er gilt als einer der führenden Fachleute auf diesem Gebiet in Deutschland. Nach Schätzung von Hendricks nehmen die Versicherer mit dem Vertrieb von D&O-Polizzen jährlich zwischen 700 und 800 Mio. Euro ein.
„Es reichen Schäden in zwei Dax-Unternehmen, damit die Einnahmen eines ganzen Jahres weg sind“, sagt der Experte. „Dieser Markt ist ungesund. Das Geschäft lohnt sich für die Versicherer eigentlich nicht.“
Das wirft die Frage auf, warum Unternehmen überhaupt Produkte verkaufen, mit denen sich wenig oder gar kein Geld verdienen lässt. Die Manager-Haftpflicht ist aus einem anderen Grund attraktiv, wie der Anwalt meint. „Die D&O-Polizze ist ein Türöffner, um andere Versicherungen zu verkaufen“, sagt Hendricks. Denn wer den Vorstand versichert, kennt die wichtigsten Leute in einer Firma.
Doch was ist die Ursache der steigenden Schäden? Verstoßen Vorstände und Geschäftsführer heutzutage häufiger gegen Vorschriften und Sorgfaltspflichten als vor zwanzig Jahren? Eine auffällige Besonderheit des deutschen D&O-Markts ist, dass die leitenden Angestellten häufig vom eigenen Unternehmen verklagt werden, wie es in der Branche übereinstimmend heißt.
Der harmlos klingende Fachbegriff dafür: „Innenansprüche”. Die Initialzündung für stetig steigende Innenansprüche gab der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil des Jahres 1997, auf das viele Fachleute verweisen: „Damals hat der BGH festgestellt, dass Aufsichtsräte verpflichtet sind, Vorstände bei Pflichtverletzungen in Anspruch zu nehmen”, sagt Hendricks. „Tut ein Aufsichtsrat das nicht, riskiert er selbst Haftungsansprüche.”
Abgesehen von dieser Entscheidung verengt sich der rechtliche Spielraum, in dem sich Vorstände und Geschäftsführer bewegen. Zwei Beispiele wachsender rechtlicher Risiken für Manager: „Die europäische Datenschutzgrundverordnung und die Cyberkriminalität vergrößern das Problem”, sagt Hendricks. „Die Bußgelder für Verstöße gegen die DSGVO sind ähnlich hoch wie bei Kartellverstößen. Und wenn ein Vorstand nach einem Cyberangriff nicht nachweisen kann, dass er die notwendige Vorsorge getroffen hat, ist er voll in der Haftung.”
Nach Angaben der Munich Re hat die steigende Cyberkriminalität bisher noch keine erkennbaren Auswirkungen auf die D&O-Versicherungen – allerdings heißt es auch dort, dass prinzipiell ein versichertes Haftungsrisiko für das Management existiere. Abgefedert werden kann das nach Einschätzung des Rückversicherers durch separate Cyberpolicen.
Das wird in der Allianz ganz ähnlich gesehen: „Datenschutzgrundverordnung und Cybersicherheit sind ganz zentrale Themen”, sagt Zschech. „Wenn ein Vorstand die Vorgaben der DSGVO nicht einhält, hat das immer das Potenzial, Innenansprüche auszulösen.”
Für Manager, ihre Unternehmen und Versicherungen gleichermaßen ist also erhöhte rechtliche Vorsicht geboten. Doch gibt es immerhin einen Berufsstand, für den die Entwicklung offensichtlich finanziell erfreulich ist: „Ein großer Teil der Zahlungen aus der D&O-Versicherung geht an die Anwälte zur Verteidigung der versicherten Personen”, sagt Zschech. (dpa/apa/red)
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