Kunst im Gespräch: „Mehr als ein Mund-Nasen-Schutz“

Kunst im Gespräch: „Mehr als ein Mund-Nasen-Schutz“

Last Updated on 2020-11-27
Die Galerie V&V in der Wiener Innenstadt ist seit vielen Jahren für von Künstlern gestalteten extravaganten Schmuck bekannt. INARA sprach mit Galeristin Veronika Schwarzinger über Masken. Dabei ging es nicht nur um den Schutz vor Corona-Viren, sondern auch um antikes Theater und österreichisches Brauchtum.

INARA: Sie präsentieren in Ihrer Galerie seit Ausbruch der Corona-Pandemie auch Masken. Welche Masken sind das und welches Exemplar tragen Sie selbst gerade?
Veronika Schwarzinger: Wir haben Stoffmasken in verschiedenen Designs und aus verschiedenen Materialien ausgestellt. Sie wurden von Künstlern entworfen bzw. gestaltet. Ich trage derzeit ein Exemplar, das in einen Schal übergeht und aus afrikanischem Stoff gemacht ist.

INARA: Welche Bedeutung haben für Sie generell Masken?
Schwarzinger: Weltweit sind Masken derzeit ebenso ein Thema wie gegenseitiger Schutz und Solidarität. Wir verbinden solidarisches (Sozial)Verhalten mit dem Schaffen von Künstlerinnen und Künstlern. Damit initiieren wir auch einen Dialog zwischen Kunst, Gesundheit und Gemeinschaft.

INARA: Was sagen die unterschiedlichen Masken, die wir derzeit tragen, Ihrer Meinung nach über ihre Träger aus?
Schwarzinger: Jede Maske ist Ausdruck des Stils, der Individualität und des Charakters der Trägerin bzw. des Trägers. Je auffälliger die Maske, desto akzentuierter das Statement. Es gibt Leute, die verwenden ein, zwei mehr oder weniger praktische Stoffmasken. Und manche Menschen – Frauen eher als Männer – sehen die Maske mittlerweile auch als modisches Accessoire bzw. als künstlerisches Ausdrucksmerkmal.

Andere wiederum tragen ausschließlich Einwegmasken. Diese sind praktisch, kostengünstig und im Aussehen neutral, einfach ein Mittel zum Zweck. Ihre Träger kämen nie auf die Idee, sich mit ihrer Maske schmücken zu wollen. Auch sie setzen ein Statement.

INARA: Worauf achten die Menschen bei der Auswahl ihrer Maske?
Schwarzinger: Für manche steht der bestmögliche Schutz im Vordergrund, diese Menschen greifen zu FFP2-Modellen. Andere wollen möglichst viel Luft bekommen und trotz Maske möglichst gut sprechen können. Und für gar nicht so wenige Leute ist vor allem wichtig, dass die Bedeckung von Mund und Nase zu ihrer Garderobe passt. Der Kreativität der Designer sind ja selbst bei diesem relativ kleinen Stück Stoff kaum Grenzen gesetzt. Viele Frauen und auch einige Männer haben mittlerweile eine ganze Masken-Kollektion. Das ist ähnlich wie bei Krawatten. Selbst wenn in einem Bereich Krawattenzwang herrscht, würde es genügen, ein oder zwei Exemplare zu besitzen. Trotzdem haben gar nicht so wenige Männer ein Dutzend Krawatten oder mehr und zwar in den verschiedensten Farben, Mustern und Materialien. Ich könnte mir vorstellen, dass es später einmal Masken-Sammlerstücke und vielleicht auch einen Markt dafür geben wird.

INARA: In Asien ist das Tragen von Schutzmasken schon lange Usus, vor allem während der Grippesaison und als Akt der Rücksichtnahme gegenüber anderen. Bei uns werden die Masken derzeit oft eher widerwillig getragen. Werden wir wieder komplett darauf verzichten, wenn die Corona-Pandemie eines Tages vorüber ist?
Schwarzinger: Es könnte durchaus sein, dass die Maske Corona „überlebt“ und sich bei vielen Menschen als fixer Teil der Bekleidung etablieren wird. Dafür sprechen sowohl hygienische Gründe als auch die Tatsache, dass wir uns an den Abstand gewöhnen und es als unangenehm empfinden, wenn uns fremde Menschen in der U-Bahn oder im Supermarkt zu nahe kommen.

INARA: Gibt es in der Geschichte andere Beispiele von Accessoires oder Kleidungsstücken, an die sich die Menschen nach und nach gewöhnt haben?
Schwarzinger: Ein Beispiel wären etwa die Schuhe. In der Urzeit waren die Menschen barfuß unterwegs. Irgendwann verwendeten sie um die Füße gewickelte Tierfelle, um sich vor Nässe und Kälte zu schützen, oder Palmblätter als Schutz vor dem heißen Wüstenboden. Heute käme zumindest in der zivilisierten Welt niemand auf die Idee, ohne Schuhe zu gehen. Und es hat sich eine enorme Vielfalt an Fußbekleidungen entwickelt, für jeden Geschmack oder Verwendungszweck und natürlich für die unterschiedlichen klimatischen Gegebenheiten gibt es die passenden Modelle.

INARA: Masken begleiten die Menschheit ja schon seit Jahrtausenden…
Schwarzinger: Mas Que la cara – bedeutet mehr als ein Gesicht. Ihrem Ursprung nach waren Masken, die es schon in prähistorischer Zeit gab, vor dem Gesicht getragene plastische Gebilde aus natürlichen Materialien wie Pflanzenteilen, Leder, Holz, Ton oder Tuch (siehe auch Larve). In neuerer Zeit werden Masken vorwiegend aus Kunststoffen hergestellt. Eine Maske kann sehr unterschiedliche Aufgaben in verschiedenen Zusammenhängen erfüllen. So kann sich ihr Träger mit ihrer Hilfe in eine dargestellte Figur verwandeln, wie das beispielsweise beim Tierrollenspiel der Fall ist, oder die Maskierung ermöglicht die Einübung neuer oder übernommener sozialer Rollen usw.

Auch zur Krankheitsabwehr wird die Gesichtsbedeckung nicht erst heute eingesetzt. Denken Sie nur an die Pestmasken, wie man sie etwa beim Karneval in Venedig sehen kann und die im Mittelalter vor allem von den Ärzten verwendet wurden. Diese Masken hatten einen riesigen Schnabel, der mit diversen angeblich gesundheitsfördernden Essenzen und Kräutern gefüllt wurde und auch für den nötigen Abstand zwischen dem Kranken und dem Behandler sorgte.

INARA: Und wie sieht es mit Masken in unserem Kulturkreis aus?
Schwarzinger: Ein Beispiel sind hier die Perchten. Ein Percht ist eine Gestalt des bayerisch-österreichischen alpenländischen Brauchtums, es gibt davon mehrere Varianten unterschiedlichen Charakters. Dabei unterscheidet man zwei Gruppen, die „guten“ Schönperchten und die „bösen“ Schirchperchten. „Saison“ haben die Perchten vor allem von Ende November bis Jänner. Da sollen sie der Sage nach mit dem Geläut ihrer umgehängten Glocken den Winter austreiben.

INARA: Was ist die besondere Bedeutung von Masken in der Kunst?
Schwarzinger: Schon seit der Antike ist die Maske Objekt der Verhüllung und Verwandlung des Gesichts und unverzichtbares Element des Theaters und verschiedener Kulturen. Ob im historischen venezianischen Karneval, in der frühen Moderne oder bei uns im Fasching erlebt die Maske seit Jahrhunderten immer wieder eine neue Blütezeit und bereichert die (bildende) Kunft mit der Darstellung als Skulptur, Malerei und in der Fotografie.

Kunst ist – wie so oft – das Bindeglied gerade in schwierigen, herausfordernden Zeiten. Kunst schützt den Menschen vor Vereinsamung. Und die Maske schützt in der täglichen Routine. Jede Verhüllung des Gesichts birgt viele verschiedene Möglichkeiten in sich: der Schutz ist nur eine davon.


@ Susanne Hammer

Denk dir mein Lächeln:
Einwegmasken in Set (10 Stück oder 5 Stück), Material: Küchenrolle zum Selberbeschriften von Bettina Laimer 2020, Foto: Michael Fink

 

Multifunktional (Maske, Brosche, Kopfschmuck), Material Ursi Fürtler (Handsiebdruck), Verarbeitung / Design Walli Jungwirth 2020, Foto: Sarah Sigmund

 

Schalmaske rot:
Waschbare Schalmaske (Doppelseitig, feste Baumwolle und Bw.Jersey), Irene Nabiddo 2020, Foto: Sarah Sigmund

 

Stoffmasken THATSART Wally Jungwirth: Waschbare Stoffmasken (Baumwolle, sehr feine Webung), Walli Jungwirth (Label ThatsArt) 2020, Foto: Michael Fink

www.galerievundv.com

Autorin: Brigitta Schwarzer