Mietzinsrechtliches Pandemiefolgenlinderungsgesetz – Scheinheiligkeit ohne Ende

Mietzinsrechtliches Pandemiefolgenlinderungsgesetz – Scheinheiligkeit ohne Ende

Last Updated on 2021-04-15
OTS-Aussendung / Verein der Wiener Gründerzeithäuser, 31.03.2021

Mit Ausnahme der NEOS haben alle Parlaments-Parteien am 24.3.2021 einer Aussetzung der inflationsgesteuerten Richtwertanpassung per 1.4.2021 zugestimmt. Dieses Abstimmungsverhalten diente in beschämender Weise weitgehend dem Titel „Wählerstimmenfang“. Beschämend in erster Linie für jene Abgeordneten, die den Stand der Wirtschaftstreibenden und Leistungsträger vertreten sollten.

Wieso haben diese Parlamentarier nicht folgende Tatsachen gewichtet und argumentiert?

  • Die Belastungspakete von Corona 1 (drei Monate Mietzinsstundung für Wohnungsmieter) waren zu erdulden.
  • Die enormen Mietzinsausfälle ohne gesicherten Rückforderungsanspruch (staatliche Lockdown-Verordnungen u.a. für Geschäftslokale) mussten hingenommen werden.
  • Die Betriebskosten für die gewerblichen Mieter mussten während der staatlich verfügten Geschäftsschließungen von den Vermietern bezahlt werden.
  • Die Umsatzsteuern mussten nach dem Sollsteuerprinzip vorerst von den Vermietern getragen werden.
  • Die Vermieter wurden im Gegensatz zu anderen Unternehmern trotz horrender Corona-Einbußen von staatlichen Zuschüssen in der Mehrzahl ausgeschlossen und es gab auch keine Unterstützung oder gar eine Reduzierung bei den gemeindeorientierten Betriebskosten.
  • Die Baukosten steigen durch eine teils fragwürdige Vermehrung der Bauauflagen schneller als der VPI und genau aus diesem Grund wurden sie bereits vor 15 Jahren von diesem abgekoppelt. Damit ist den Vermietern nicht geholfen, sie sind diesen hohen Kosten bei allen Investitionen ausgesetzt. Dieser gravierende Nachteil wurde am 24.3.2021 im Plenum mit keinem einzigen Satz zu Sprache gebracht.


Wen trifft das Gesetz hauptsächlich?

Das Gesetz ist in erster Linie ein weiterer Schlag ins Gesicht der privaten Wiener Altbaueigentümer.

Sie werden ohnehin seit Jahrzehnten mit dem zweitniedrigsten Richtwert in Österreich ohne staatliche Gegenleistung ausgebeutet. Aus diesem Anlass wurde aktuell aus dem Kreis unseres Vereins eine neuerliche Beschwerde an den VfGH gerichtet, dieses Mal unterlegt mit einem Rechtsgutachten der Uni Innsbruck. Das professorale Gutachten unterstreicht ohne Wenn und Aber die Diskriminierung der Wiener Altbauvermieter durch den Wiener Richtwert und gleichzeitig wird auch der Beweis erbracht, dass mit dem Wiener Richtwert (aktuell 5,81 Euro Nettomiete) die wirtschaftlichen Grunderfordernisse selbst einer sozialen Marktwirtschaft (Substanzerhaltung und Erwirtschaftung eines angemessenen Gewinns) nicht erreicht werden können. An letzter Stelle in der Beschwerde wurde auch aufgezeigt, dass sich die Entscheidungsgrundlagen seit den VfGH-Erkenntnissen 2016/2017 wesentlich verändert haben. Haupttenor war bei den letzten Entscheidungen der Höchstrichterschaft, dass für die ansässige Wiener Bevölkerung ausreichend leistbarer Wohnraum gesichert werden muss und dass – in Kurzform dargestellt – allein dieser Umstand für eine Benachteiligung der Altbaueigentümer ausreicht. Zwischenzeitlich hat sich aber das Blatt mit neuen Argumenten gewendet:

Die Gemeinde Wien hat zufolge von Rechnungshofberichten zu hohe Leerstände und saniert zu langsam. Darüber hinaus besagt eine eigene Presseaussendung, dass es für tausende sanierte Wohnungen mit Flächen bis zu 65 m² schon seit längerer Zeit keine Abnehmer gibt. Das Überangebot an Wohnungen mit sozial ausgerichteten Preisen wird medial beworben und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für das Zeitfenster 2021 kein „begründeter Wohnbedarf“ mehr nachgewiesen werden muss.

Wieso und mit welcher Begründung werden daher tausende private Altbaueigentümer mit einem diskriminierenden Wiener Richtwert schikaniert und wirtschaftlich schwer geschädigt, wenn doch nachweisbar sogar zu viele Gemeindewohnungen vorhanden sind, die keine Abnehmer gefunden haben? Dieses Unrecht wurde 1994 im Nationalrat verabschiedet und gehört daher schon längst korrigiert.

Sollten die Nationalratsabgeordneten und deren Beraterstäbe dies nicht verstehen, darf auf die Rechnungshofberichte zu den maroden Gemeindebauten in Wien hingewiesen werden. Die Gemeinde Wien hat denselben Richtwert von 5,81 Euro Nettomiete wie die privaten Altbaueigentümer und schafft trotz etlicher Wirtschaftsprivilegien keinen ordentlichen Erhaltungszustand der Gemeindebauten. Das ist sicher keine Schlamperei, auch der Gemeinde Wien fehlen durch den niedrigen Richtwert die Mittel und dies noch dazu unter der Prämisse, dass im Gegensatz zu den Privateigentümern kein angemessener Gewinn erwirtschaftet werden muss. Spätestens an dieser Stelle sollte Verständnis für die rechtliche Schieflage erzielt werden können. Auf die fatalen Folgen dieser verfehlten Politik (Zerfall der einmaligen Baukultur, Spekulation, Parifizierung, Gentrifizierung, Anstieg der Mietpreise etc.) wurde unsererseits schon mehrfach hingewiesen.

Vermieter sind nicht Prügelknabe oder Sündenbock einer ideenlosen Politik

 Wir fordern Gerechtigkeit und Wertschätzung von der Politik. Der soziale Ausgleich hat in einem funktionierenden Rechtsstaat über unsere Steuerleistungen und nicht durch einseitige Belastungspakete zu erfolgen.

Vermieter sind operative/gewerbliche Unternehmer, sie schaffen Wohnraum, beschäftigen tausende Menschen in diesem Land, sie beflügeln die Bauwirtschaft, sie zahlen Steuern ohne Privilegien und sie haben nachweisbar hohe Kreditverbindlichkeiten zu bedienen. Die Häuser sind den Vermietern nicht zugeflogen, sie müssen erhalten, ausgebaut und erneuert werden und an oberster Stelle sollte klar sein, dass diese Häuser als Existenzgrundlage für die Vermieter und deren Familien anzusehen sind. Dass die Regierung die Vermieter von Corona-Zuschüssen weitgehend ausgeschlossen und nur einseitige Belastungen gebilligt hat, ist daher unverständlich.

Der Verein zur Revitalisierung und architektonischen Aufwertung der Wiener Gründerzeithäuser übermittelt mit dieser Aussendung eine Protestnote gegen das beschlossene Gesetz und appelliert an die Bundesregierung, das aufgezeigte Unrecht zu beseitigen und ein zeitgemäßes sowie verfassungskonformes Mietrecht auf den Weg zu bringen. Dieses neue Mietrecht sollte auch Leistungsanreize für eine Revitalisierung des weltweit einmaligen Wiener Gründerzeitbestandes haben. Auf unsere Konzepte und Fachbeiträge darf hingewiesen werden.

Hintergrundinformationen: www.Zinshaus.Zukunft.wien und www.stadtbilderhaltung.wien