09 Oct Mit Biomüll das Klima retten
Last Updated on 2023-10-09
wienerzeitung.at / Ina Weber, 07.10.2023
Viele Bananenschalen, Apfelputze, Gurkenschalen landen im Restmüll. Dabei könnten sie einen wichtigen Beitrag für unsere Umwelt leisten.
Ein Drittel des österreichischen Restmülls besteht aus Biomüll. So steht es im Bundesabfallwirtschaftsplan 2023. Bananenschalen, Gemüsereste, altes Brot, Teebeutel. Es ist Abfall, der wertvoller Kompost sein könnte. Denn aus Biomüll wird nicht nur Erdgas hergestellt, auch nährstoffreiche Erde wird daraus gemacht.
Doch das Potenzial bleibt ungenutzt. In Wien gibt es rund 92.000 Biotonnen. Das klingt viel. Doch 90 Prozent davon stehen auf privaten Flächen: in Müllräumen von Wohnanlagen oder in Gärten von Einfamilienhäusern. Der Rest steht im öffentlichen Raum. Das sind nur 9.200 Biotonnen für ganz Wien.
Zu wenig, wie auch Emma aus Wien findet. Für sie gab es zwei Schlüsselmomente, die sie veranlassten, Bananenschalen, Kaffeesud und Apfelputze wieder in den Restmüll zu werfen. Erstens: Als sie gesehen hat, was da sonst noch so in der Tonne landet. Und zweitens: Als sie es nicht mehr schaffte, als zweifache alleinerziehende Mutter den Weg zur nächsten Biotonne auf sich zu nehmen. Dabei war Emma überzeugte Biomüll-Sammlerin, sie hatte sich für zuhause sogar eine kleine Biomüll-Tonne zugelegt, die sie lange befüllte.
Biotonne liegt nicht auf dem Arbeitsweg
Emma fährt mit der U-Bahn in die Arbeit. Bei der U-Bahnhaltestelle gibt es eine Sammelstelle für Altglas und Leichtverpackungen. Den gelben Sack und die alten Flaschen wirft sie dort ein. Biotonne gibt es keine. Die liegt nicht auf ihrem Arbeitsweg, sondern in der entgegengesetzten Richtung. Ein Weg, den sie nicht mehr auf sich nimmt, seit sie Mutter ist.
Während im ländlichen Raum der Komposthaufen im Garten steht oder die Biotonne vor dem Haus, sieht es in den städtischeren Gebieten anders aus. Laut Umfrage des Verbandes Österreichischer Entsorgungsbetriebe (VOEB) wünschen sich aber die meisten Menschen eine eigene Biotonne in der Hausgemeinschaft. Die ist aber oft nicht vorhanden.
Strengere Maßnahmen in Deutschland
Mit den neuen EU-Vorgaben müssen bis 2030 60 Prozent der Siedlungsabfälle wiederverwertet werden. Das schließt auch den Biomüll ein. In Deutschland gibt es bereits strengere Maßnahmen, Kontrollen und stellenweise die verpflichtende Biotonne wie etwa in Berlin seit 2019.
Ziel der EU ist es, so wenig Restmüll wie möglich zu produzieren. Alles sollte, so gut es geht, in den Kreislauf zurückgebracht werden. Und dennoch: Wie in Emmas Haus hat sich in den Wohnhäusern die Anzahl und Aufteilung der Behälter kaum verändert. Zwei Restmüllbehälter, zwei Altpapierbehälter stehen dort, seitdem das Wohnhaus im Jahr 2007 errichtete wurde.
Die vier Tonnen – Restmüll, gelbe Tonne, Altpapier, Biomüll – sollten in jedem Wohnhaus stehen, fordert Stefan Tollinger, Geschäftsführer des Kreislaufwirtschaftsunternehmens Brantner green solutions. Auch der VOEB sieht die Regierenden in der Pflicht. Für den Bioabfall sind die Gemeinden zuständig. In Wien ist das Stadtrat Jürgen Czernohorszky. Er verweist darauf, dass öffentliche Biotonnen in dicht verbauten Gebieten häufig stark verunreinigt seien, und dass Biotonnen in Wohnhäusern kaum befüllt seien.
Biotonnen in Wohnhäusern sind kaum befüllt.
„Verpflichtende Biotonne für jeden Haushalt“
„Biomüll im Restmüll ist kein Kavaliersdelikt“, sagt Gabriele Jüly, Präsidentin des VOEB. Gemeinsam mit Tollinger plädiert sie für eine verpflichtende Biotonne für jeden Haushalt. Auch für große Städte wie Wien, wo Platz für Mülltonnen in Altbau-Häusern oft knapp ist, sollte es Biotonnen geben. Immerhin würden 700.000 Tonnen Biomüll jährlich verschwendet.
Ein Besuch in Niederösterreich bei Brantner green solutions zeigt, dass innerhalb von zwölf Wochen aus Biomüll wertvolle Erde wird. „Wir brauchen Böden, die die Wasser-Niederschlagsmengen aufnehmen können. Ein Prozent Humus auf einem Quadratmeter Erde bedeutet 40 Liter Wasser-Speichervolumen mehr“, sagt Tollinger.
Biomüll kann außerdem Torf ersetzen. Torffreie Erde ist nach wie vor keine Selbstverständlichkeit. Österreich importiert sogar Torf für die Düngung. Torf geht jedoch auf Kosten wertvoller Moore. Deren Abbau hat dramatische Folgen für Natur und Klima. Denn Moore speichern CO2. Sie sind noch größere CO2-Speicher als Wälder, die weitere Trockenlegung der Moore befeuert daher auch die Klimakrise.
Brantners Kompost ist torffrei. Dafür braucht das Unternehmen Biomüll. Aber nicht nur Biomüll im Restmüll ist ein Problem, sondern auch Restmüll in der Biotonne. Eine Kamera in vielen Müll-Lkws hilft, die gröbsten Fehleinwürfe schon zu Beginn zu beseitigen. Bei der Entleerung der Biotonnen wird der Biomüll von einer am Heck des Müllfahrzeugs montierten Kamera untersucht. Die Daten werden an den Betrieb geliefert, bevor der Abfall überhaupt in die Anlage kommt. Im späteren Verlauf sortiert eine hochdigitalisierte Maschine alles andere heraus.
MA48: „Ausstattung aller Häuser nicht sinnvoll“
Die MA48 verweist darauf, dass die Anzahl der Biotonnen seit 2018 konstant zunimmt. Im Vergleich zu 2018 sind ca. 3.400 Behälter mehr im Einsatz. Erfahrungen hätten aber gezeigt, dass Biotonnen in Wohnbauten nicht gut angenommen würden. „Trotz zahlreicher Hausbewohner:innen ist nur ganz wenig Material im Behälter“, heißt es seitens der MA48. Die Ausstattung aller Häuser mit einer eigenen Biotonne sei somit nicht sinnvoll.
Sammeln wir zu wenig, und deshalb gibt es auch nicht mehr Tonnen? Oder sammeln wir so wenig, weil es nicht mehr Tonnen gibt? Eine Biotonne kann zwar jederzeit von Liegenschaftseigentümer:innen, Hausverwaltungen oder Vertretungen wie Kleingartenobleuten angefordert werden. Allerdings nur, wenn das Wohnhaus auch Grünflächen hat. „Sind Grünflächen vorhanden, werden die Biotonnen besser angenommen“, heißt es laut MA48. Die Richtlinien für eine Biotonne sind umfangreich.
Für Emma bedeutet das, sie wird wohl zu keiner eigenen Biotonne in ihrem Wohnhaus kommen. Dabei wäre sie die Erste, die wieder mit dem Sammeln von Biomüll beginnen würde.
Quelle: https://www.wienerzeitung.at/a/mit-biomuell-das-klima-retten