Mit kalkuliertem Risiko unterwegs

Mit kalkuliertem Risiko unterwegs

Last Updated on 2020-01-20
Cybercrime, Handelskriege und die nachlassende Konjunktur machen derzeit der heimischen Wirtschaft zu schaffen. Wer über ein professionelles Risikomanagement verfügt, wird mit diesen Herausforderungen leichter fertig und kann unternehmerische Chancen nutzen.

Wo lauern für Österreichs Unternehmen die größten Gefahren? Das analysierte DI Gerhart Ebner am 27. Juni 2019 in den Räumlichkeiten des Management Clubs in Wien, er stellte dabei auch den aktuellen „Risk Report XIII“ vor. Ebner ist Gründer und Geschäftsführer der Risk Experts Risiko Engineering GmbH. Das Unternehmen, das in der Gruppe mehr als 80 Mitarbeiter mit langjähriger internationaler Erfahrung beschäftigt, ist Spezialist für integrierte Sicherheits- und Risikomanagement-Lösungen. Zur Dienstleistungspalette gehören neben Gutachten auch Schulungen und sowie eine eigene Risk Experts Academy. Betreut werden Industrie, Handel, Gewerbe und Dienstleistungsunternehmen, der öffentliche Bereich sowie die Versicherungswirtschaft. Risk Experts hat seinen Sitz in Wien, zu mehr als 50 Prozent ist man aber im Ausland tätig.

Kunden der Gesellschaft sind Marktführer in der Großindustrie ebenso wie Klein- und Mittelbetriebe, insgesamt befinden sich etwa 2.500 bis 3.000 Standorte im In- und Ausland auf dem Radar. Die versicherungsmathematische Wahrscheinlichkeit für einen Schadensfall liegt bei etwa 1:200, daher ist hier jährlich mit 10 bis 15 Schäden zu rechnen. Das haben die Risikomanager der Firmen oft nicht in ihrem mind-set, stellt Ebner fest. Manche agieren nach der Devise „no risk, no fun“, besser wäre das Motto „take the business chance and mind the risk gap“.

Schäden treten manchmal nicht sofort auf, sondern erst mit einer gewissen Verzögerung. Das trifft auch auf neue Gesetzesmaterien zu. „Erst nach einigen Jahren, wenn es eine höchstgerichtliche Judikatur gibt, treten die mit den Rechtsvorschriften verbundenen Risiken ins Bewusstsein. Das wird auch bei der DSGVO so sein“, meint Ebner. Darum sollte immer sorgfältig dokumentiert werden, wie Entscheidungen zustande kamen. Und die Unterlagen sollten über lange Zeit hinweg aufbewahrt werden.

Immer mehr Cybercrime-Fälle

Ebner präsentierte dann jene drei Szenarien, die Österreichs Wirtschaft laut einer Studie derzeit am stärksten bedrohen. Auf Platz eins liegt die Cyberkriminalität. Viele Unternehmen unterschätzen nach wie vor diese Gefahr. Dabei steigt die Zahl der Cybercrime-Delikte auch in Österreich rasant. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik hat sich die Zahl seit dem Jahr 2014 mehr als verdoppelt. 2018 wurden rund 19.600 Fälle angezeigt, davon wurden weniger als 40 Prozent aufgeklärt.

Auf Rang zwei liegen die Handelskonflikte zwischen den USA und China bzw. Europa, die sich gegenseitig mit Zöllen eindecken bzw. weitere Zollerhöhungen androhen. Vor allem US-Präsident Donald Trump dreht immer wieder an der Eskalationsschraube – auch, um sich im Wahlkampf 2020 als Kämpfer für die US-Wirtschaft präsentieren zu können. Risiko Nummer drei ist der sich abzeichnende Konjunkturabschwung. Die Wachstumsraten für heuer und 2020 wurden von den Wirtschaftsforschern bereits nach unten korrigiert. Auf dem Arbeitsmarkt ist davon allerdings noch wenig zu spüren. Viele Firmen beklagen, dass es enorm schwierig ist, gut qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Um die „potential stars“ gibt es einen Wettstreit. Um sie zu gewinnen und später auch zu halten, müssen sich Arbeitgeber einiges einfallen lassen.

Kann Amazon Versicherung?

Die Digitalisierung ist derzeit natürlich auch bei den Versicherern das alles beherrschende Thema. Derzeit bespielen digitale Versicherer nur Marktnischen. Dennoch fragt sich die Branche, kann Amazon bzw. einer der anderen Internet-Giganten wie Google oder Facebook Versicherung? Eine eindeutige Antwort gibt es (noch) nicht. Ein Pro-Argument liefert der World Insurance-Report 2018 von Capgemini. Demnach zieht es immerhin ein Drittel der Verbraucher in Betracht, eine Versicherung bei einem der Technologieriesen abzuschließen. In Deutschland sind es zwar nur 20 Prozent, vor drei Jahren waren es allerdings erst sieben Prozent. Vor allem technikaffine Menschen und die Generation Y sind laut Capgemini bereit für einen Wechsel. „Die wollen sich nicht mehr im Kaffeehaus mit ihrem Versicherungsberater treffen, sondern ihre Versicherungsgeschäfte online erledigen“, so Ebner. Am Buchmarkt hat Amazon ein Erdbeben verursacht, warum sollte das nicht auch bei Versicherungen passieren, argumentieren manche Experten.

Doch es gibt auch Kontraargumente: Nur drei Prozent der Versicherer nutzen Apps und Chats, um mit ihrem Versicherer zu kommunizieren. 71 Prozent wünschen sich eine Stärkung des persönlichen Außendienstes, 88 Prozent wollen ihre Versicherung bei einem Menschen und nicht bei einem Roboter abschließen. Vor allem bei der Schadenabwicklung und bei Beschwerden sei der persönliche Kontakt wichtig. 90 Prozent wollen sich nicht von Google oder Amazon versichern lassen.

Das Fazit von Ebner und Risk Experts: Die Insur-Techs betreiben derzeit massiv cherry-picking, d.h. sie bieten z.B. den 30- bis 40jährigen Managern attraktive Versicherungspakete an. Fällt diese für die Anbieter besonders lukrative Zielgruppe weg, wird es auf lange Sicht für den risikotechnisch nicht so attraktiven Rest teurer. Aus Angst vor Amazon & Co. übernehmen viele große Versicherer Insur-Techs oder beteiligen sich an diesen. Einfache und kurzlebige Produkte wie etwa die Reisegepäcksversicherung haben laut Ebner ein hohes Digitalisierungspotential. Je komplizierter das Versicherungsprodukt ist, desto schwieriger ist allerdings eine automatisierte Beratung. Vor allem bei der Schadenabwicklung verlangen die Kunden rasche Reaktion und individuelle Interaktion. Da ist der Roboter derzeit dem Menschen noch unterlegen. Die Gefahr sei, dass eines Tages Algorithmen entwickelt werden, die den Kunden wirklich „verstehen“. Ebner meint, dass Amazon, Google und Facebook sehr wohl eine potenzielle Gefahr darstellen könnten: „In fünf Jahren schaut die Versicherungswirtschaft ganz anders aus als heute.“ Die Digitalisierung wird weiter zunehmen, Versicherungsprodukte und Vermittlerlandschaft werden sich ändern. Außerdem könnte es zu einem „Shake out“ im Maklerbereich kommen.

Ebner glaubt aber auch dass es Versicherer und Berater sind, die gewinnen: die, die den Kunden verstehen und Digitalisierung „können“. Das größte Asset ist und bleibt das Vertrauen der Kunden. Und da schlagen die Versicherer die „Angreifer“ derzeit noch „um Längen“.

Extreme Wettersituationen stellen für viele Unternehmen ein nicht zu unterschätzendes Risiko dar. Im Winter 2018/19 waren es in einigen Gebieten enorme Schneemengen, die Schäden verursachten, ab Juni 2019 kam dann die Hitze. Ist Hitze ein Risiko für Versicherer? Maschinen sollten auch längere Hitzeperioden aushalten, so Ebner. Vor allem in sensiblen Bereichen wie Spitälern ist Klimatisierung heute Standard. Sind Büros nicht klimatisiert, sinkt bei hohen Temperaturen die Arbeitsleistung. Wichtig sind die Wahl der richtigen Klimaanlage und ihre regelmäßige Wartung. Im Rahmen der regelmäßigen Risikoanalyse wäre für Unternehmen auch ein Hitze-Check empfehlenswert, meint Ebner.

 

@ Riskexperts

Website: www.riskexperts.at

Autorin: Brigitta Schwarzer