Netzwerken über Gender- und Generationengrenzen hinweg

Netzwerken über Gender- und Generationengrenzen hinweg

Last Updated on 2022-10-04
Dr. Christine Domforth

Wie ticken Gründerinnen, Investorinnen und Aufsichtsrätinnen? Und was sollten sie von ihrem jeweiligen Gegenüber wissen? Darüber diskutierte am 22. September im Club alpha unter dem Motto „Rollentausch & more“ eine bunt gemischte Runde, in der nicht nur Frauen und Männer vertreten waren, sondern auch alle Altersgruppen von den Digital Natives der Generation Z bis zu angehenden SeniorInnen.

„Rollentausch & more“ war das Motto einer Veranstaltung, die am 22. September 2022 im voll besetzten Club alpha in Wien stattfand. Zum Netzwerktreffen eingeladen hatten der Internationale Female Board Pool sowie INARA, die Begrüßung übernahmen Rita Knott, die kurz die Initiative Female Board Pool in Österreich präsentierte, sowie INARA-Geschäftsführerin Dr. Brigitta Schwarzer. Sowohl das Podium als auch das Publikum waren in jeder Hinsicht sehr divers besetzt: Frauen und Männer, unterschiedliche Ausbildung, verschiedener beruflicher und privater Background. Vor allem aber waren alle Altersgruppen vertreten, von den Generationen Z, Y und X über das Mittelalter bis zu den Babyboomern. Damit stellte die Veranstaltung ein gelungenes Beispiel für ein neues Format – eine Art Generationendialog -dar.

Frauen holen beim networking auf

Männer netzwerken schon seit 2.000 Jahren, es sei gut und wichtig, dass die Frauen jetzt aufholen, so Schwarzer. „Wer heute eine Aufsichtsratsfunktion übernimmt, muss wissen, wie ein Investor denkt und wie ein Start-up funktioniert,“ betonte sie weiters. Bei der Veranstaltung Rollentausch & more ging es daher darum, weibliche Sichtweisen von Gründerinnen, Investorinnen und Aufsichtsrätinnen zu kennen und zu wissen, wie das jeweilige Gegenüber „tickt“.

Sechs der insgesamt 14 Teilnehmerinnen sowie der einzige männliche Teilnehmer der drei Panels waren GründerInnen oder Co-GründerInnen. Das zentrale Problem für jeden Gründer – vor allem in der Startphase – ist die Aufbringung der nötigen Geldmittel. Damit hatten die meisten Probleme, oft mussten die Familie oder das eigene Netzwerk einspringen. „Du musst Leute finden, die an Deine Idee glauben, aber das ist alles andere als einfach,“ brachte es eine Gründerin auf den Punkt. Laut Dr. Elisabeth Dokalik-Jonak, die ein digitales Therapietool für Demenzkranke und Schlaganfallpatienten entwickelt hat, haben es Gründerinnen noch weit schwerer als ihre männlichen Kollegen, an Geldgeber zu kommen. „Vielleicht sollte ich mir einen Bart wachsen lassen,“ scherzte sie.

Für Start-ups und Unternehmensgründungen existieren in Österreich bereits vielfältige Förderungen. Darauf wies etwa Carina Margreiter, MSc hin. Sie ist im aws, der Förderbank des Bundes, Head of Entrepreneurship und die Förderexpertin vor allem für Startups. Insgesamt bietet das aws 70 Programme an und deckt damit ein breites Spektrum vom Seed-Financing bis zur Hochtechnologie ab.

Zuerst Investment oder zuerst Förderung?

Dabei beißt sich nach Einschätzung der Gründerinnen allerdings oft die Katze in den Schwanz: Förderstellen wollen wissen, ob man schon einen Investor hat, umgekehrt wollen sich potenzielle InvestorInnen erst dann engagieren, wenn es bereits Förderzusagen gibt. Eine Plattform, die beiden Seiten zusammenbringt, könnte hier Abhilfe schaffen.

Förderungen gehören auch zum Tätigkeitsgebiet von Sylvia Vana, die im Wirtschaftsministerium die Abteilung für Ansiedelungen und Unternehmensservice leitet. Weiters ist sie im Ministerium für die Frauenpolitik verantwortlich und leitet die Arbeitsgruppe Gleichbehandlung. Neue Rollenbilder für weibliche Führungskräfte hält Vana für besonders wichtig. Nicht ohne Stolz verweist sie darauf, dass im Bundesbereich die 50-Prozent-Quote in den Aufsichtsräten bereits überschritten wurde.

Simone Pies fungiert nicht nur als Investorin, sondern auch als Business Angel: „Investoren bringen Kapital ein, Angel stellen dem Start-up, bei dem sie einsteigen, auch Know-how, Erfahrungen und ihr Netzwerk zur Verfügung.“ Pies engagiert sich gern bei Gründerinnen und zwar schon in der Frühphase. Bei einer Investitionsentscheidung berücksichtigt sie neben Finanzdaten auch soziale und ökologische Faktoren. Mit Fundraising und Investments in neue und innovative Themen (z. B. Krypto und Health Tech) beschäftigt sich Victoria Woodland-Ferrari, Associate Partner beim Venture Capital & Private Capital Unternehmen Venionaire Capital. Sie wird künftig auch als Beirätin und Aufsichtsrätin tätig sein.

Beiräte können sehr hilfreich sein

accilium heißt die Unternehmensberatung, die Mag. Alexander Rauscher gemeinsam mit zwei Kollegen gegründet hat und die sich vor allem mit dem Thema Mobilität beschäftigt. Kürzlich wurde ein Beirat eingerichtet, der mittlerweile seine Arbeit aufgenommen hat. „Im Unternehmen sagt einem kaum jemand, was nicht passt. Daher sind der Input bzw. die Challenge von außen besonders wichtig und ein Beirat daher für jedes junge Unternehmen zu empfehlen,“ so Rauscher.

Zu den zahlreichen Funktionen, welche die leidenschaftliche Unternehmerin Margarete Kriz-Zwittkovits innehat, gehört ein Sitz im Aufsichtsrat der ASFINAG Bau Management. „Wenn man ein AR-Mandat annimmt, muss man sich einarbeiten. Man haftet ja für seine Tätigkeit,“ betonte Kriz-Zwittkovits, die dem Wiener Gemeinderat und Landtag angehört und Vize-Präsidentin der WK Wien ist. Ihr erstes Unternehmen hat sie 1986 mit einem Startkapital von 5.000 Schilling gegründet, das Geld kam von den Eltern. Unternehmerinnen zu fördern und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu unterstützen ist der Vorsitzenden von „Frau in der Wirtschaft“ ein besonderes Anliegen.

Die Immobilienspezialistin Mag. Karin Schmidt-Mitscher, MSc, die demnächst in der Erste Bank den Wohnbaubereich übernimmt, berichtete über ihre Erfahrungen in Vorstands- und Geschäftsführungs-Funktionen sowie in Aufsichtsräten und Beiräten. In ihrer bisherigen Karriere hat sie bereits rund 50 Mandate innegehabt – oft als erste und einzige Frau.

„Mehr Geschlechtergerechtigkeit und Diversität“ So lautet das Mission Statement der KSW (Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer), der Interessensvertretung von rund 8.000 SteuerberaterInnen und WirtschaftsprüferInnen. Für GründerInnen hält man lukrative Angebote bereit, erklärte Mag. Alexandra Nussbaumer, die bei der KSW den Bereich Marketing und Kommunikation leitet: „Wenn man gründet, muss man zuerst zum Steuerberater,“ betont sie. Während von den Berufsanwärtern mehr als 50 Prozent weiblich sind, sind Frauen in den Gremien der Kammer noch schwach vertreten, was sich aber ändern soll.

Wenn nicht nur die Rendite zählt

Gründerinnen wollen mit ihren Unternehmen sehr oft nicht nur Geld verdienen, sondern auch die Welt ein Stück besser machen. Dabei kann es um Gesundheit gehen wie etwa bei Dokalik-Jonak oder bei der Biochemikerin Dr. Barbara Sladek. Sie ist CEO und Co-Founder des Health-Tech Unternehmens myBioma, das zertifizierte Mikrobiom-Diagnostik anbietet. Für die Gleichberechtigung engagiert sich Teresa Tramontana, Co-Gründerin des Commonground Club. Ziel ist es, berufstätige Frauen in der Arbeitswelt unter dem Motto „We speed up gender equality!“ weiterzubringen.

Finanzbildung ist das Herzensthema von Larissa Kravitz, Gründerin und Investorin im Finanz- und Immobilienbereich. Ihr Buch „Money, honey!“ beschäftigt sich mit Vorsorgen und Investieren für Einsteigerinnen. Gerade Gründerinnen sollten sich um diese Themen rechtzeitig kümmern, es sei nie zu früh und nie zu spät. Und – so Kravitz weiter – Gleichberechtigung solle es auch in finanziellen Angelegenheiten geben.

US-Frauen haben es leichter

Lisi Molzbichler ist Co-Gründerin von balanceUP. Diese digitale Plattform richtet sich an Angestellte und Selbständige und soll die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern. Mit Nachhaltigkeit, besonders im Energiebereich, beschäftigte sich Dr. Monika Weber-Fahr bereits seit vielen Jahren. Sie ist war u. a. in den USA bei der Weltbankgruppe tätig und meint, dass es Frauen in Europa viel schwerer haben als ihre US-Kolleginnen. Weber-Fahr ist auch Aufsichtsrätin der Oesterreichischen Entwicklungsbank: „Ein AR-Mandat ist etwas völlig anderes als eine operative Tätigkeit. Darauf muss man sich einstellen und entsprechend vorsichtig agieren.“

Mercedes Echerer, Schauspielerin und Regisseurin und früher auch Abgeordnete im EU-Parlament, ist seit Jahren auch als Verlegerin tätig. Vor kurzem wurde ein opulenter Bildband mit Schwarz-weiß-Fotos von Christine de Grancy herausgebracht, jetzt wird Geld für die zweite Auflage benötigt. „Wer an der Schnittstelle zu Kunst und Kultur tätig ist, wird oft zum Bittsteller. Aus dieser Rolle müssen wir heraus,“ betonte Echerer. Helfen könnte auch hier eine Plattform oder Kontaktbörse.

Zum Ausklang der Veranstaltung referierte Mag. Monika Herbstrith-Lappe, Top-Trainerin, Autorin und Bloggerin sowie begeisterte Tiefsee-Taucherin über „Mut & Risikobewusstsein aus neurobiologischer Sicht“. Klingt spröde, war aber außerordentlich amüsant und bildete die perfekte Überleitung zum Plaudern und Netzwerken bei Häppchen und edlen Weinen vom Neusiedler Winzer Christoph Hess.

Fotogallerie: