Nicht nur Boxer brauchen Sparringpartner

Nicht nur Boxer brauchen Sparringpartner

Last Updated on 2022-08-17
Dr. Christine Domforth

Ein Gegenüber auf Augenhöhe ermöglicht Top-Managern den so wichtigen „Blick über den Tellerrand“. Durch die Zusammenarbeit mit einem Sparringpartner, der über einen ausreichenden Erfahrungsschatz verfügt, fallen unternehmerische Entscheidungen leichter, folgenschwere Fehler können vermieden werden. Voraussetzung ist das gegenseitige Vertrauen, auch die Chemie muss passen.

Von Aufsichtsräten wird heute erwartet, dass sie neben ihrer Überwachungs- und Kontrollfunktion auch die Rolle des Sparringpartners für den Vorstand übernehmen. Die Bezeichnung kommt aus dem Englischen, to spar with someone heißt sich mit jemandem auseinandersetzten. Seinen Ursprung hat der Begriff Sparring im Kampfsport und bedeutet übersetzt Trainingskampf. Durch die Arbeit mit einem Partner lernt beispielsweise ein Boxer das Kämpfen, er verbessert seine Fähigkeiten, weil in der Übungssituation die Technik analysiert und Fehler korrigiert werden. Das Verletzungsrisiko wird beim Sparring weitgehend ausgeschaltet.

Lösungsansätze analysieren

Ganz ähnlich läuft es, wenn Manager und Unternehmer mit einem Sparringpartner zusammenarbeiten. Führungskräfte müssen heute nahezu täglich weitreichende Entscheidungen treffen. Zusätzlich erschwert wird die Arbeit von Spitzenmanagern durch das aktuell schwierige Umfeld. Die Corona-Pandemie, der Ukrainekrieg, gerissene Lieferketten, unsichere Gasversorgung, teure Energie, die Inflation generell – die Liste der disruptiven Veränderungen, denen Unternehmen heute ausgesetzt sind und die strategische Entscheidungen notwendig machen, ist lang. Mit einem Gesprächspartner auf Augenhöhe kann man die Entscheidungsvarianten und deren mögliche Auswirkungen simulieren bzw. vorab besprechen und so die Fehleranfälligkeit reduzieren. Besonders wertvoll ist ein solcher Gesprächspartner für jene Manager, die bereits relativ jung in eine Spitzenposition gekommen sind.

Der Sparringpartner – falls er nicht aus dem Aufsichtsrat kommt – sollte neutral und unabhängig sein. Wichtig ist, dass er über einen reichen unternehmerischen Erfahrungsschatz verfügt, im Idealfall selbst in einer Führungsfunktion tätig ist oder war. Detailkenntnisse sind nicht unbedingt erforderlich, wohl aber eine gewisse Affinität zum Sparring-Einsatzgebiet. Aus dem Gesagten wird klar, dass der Sparringpartner im Wirtschaftsleben – anders als im Boxring – ein “älteres Semester” sein sollte, denn dann hat er fast alles schon einmal erlebt.

Nichts dringt nach außen

Zu den Aufgaben eines Sparringpartners gehört es vor allem, einer Führungskraft den Spiegel vorzuhalten, ehrliches Feedback zu geben, aber auch neue Ansätze zu finden. Er bringt die Sicht von außen ein, kann manche Entwicklungen antizipieren und sollte den Manager dazu motivieren, sich mit der Zukunft auseinanderzusetzen. Das alles geschieht in einem geschützten Bereich, aus dem nichts nach außen dringt. Damit das gelingt, sollte der Sparringpartner über ausreichende persönliche und soziale Kompetenz verfügen. Dem Vernehmen nach haben übrigens auch Steve Jobs und Bill Gates, die Mitbegründer von Apple und Microsoft, seinerzeit ihre Karrieren durch den Einsatz solcher qualifizierter „Verbündeter“ gepusht.

Von Ja-Sagern umgeben

An der Spitzen der Unternehmenshierarchie ist es sehr oft einsam. Man bekommt als Führungskraft oft nur das zu hören, was die Mitarbeiter für opportun halten. Kaum einer wagt es, dem „Boss“ zu widersprechen. Ein guter Sparringpartner hört nicht bloß zu, er widerspricht auch, gelegentlich fungiert er sogar als advocatus diaboli, nimmt also die Gegenposition ein. Das regt zum Überdenken einer Lösungsvariante an und kann Manager möglicherweise vor einem schwerwiegenden Fehler bewahren. Natürlich kann und soll der Partner auch eigene Ideen bzw. Lösungsansätze einbringen. Ganz wichtig ist, dass Manager und Sparringpartner einander vertrauen und dass die „Chemie“ zwischen beiden stimmt. Der Austausch sollte regelmäßig stattfinden, in welchen Intervallen müssen die handelnden Personen selbst definieren.

Neben Sparringpartnern haben Führungskräfte heute oft Coaches und/oder nutzen diverse Berater. Auch wenn die Grenzen gelegentlich fließend sind, werden Berater in der Regel für ein bestimmtes Thema zugezogen. Sie bringen ihre Expertise ein und müssen nicht unbedingt auf Augenhöhe mit dem Klienten agieren. Coaches bringen durch gezielte Fragen den Coachee dazu, für ein bestehendes Problem selbst eine Lösung zu finden. Auch das geschieht nicht unbedingt auf Augenhöhe. Ein Sparringpartner als ein in-between zwischen Berater und Coach ist hingegen für Führungskräfte ein ebenbürtiger Gesprächspartner und zwar im beruflichen und privaten Kontext. Er agiert auf Augenhöhe, fragt, erzählt von eigenen Erfahrungen und gibt auch da und dort einen Ratschlag. In den Gesprächen mit ihm kann man als Manager auch Schwächen oder Zweifel zugeben, was im Unternehmensalltag meist absolut tabu ist.

Freunde und Partner(in) weniger geeignet

Wer kommt nun als Sparringpartner Frage, mit wem sollte der Manager „in den Ring steigen“? Abgesehen von der erwähnten Konstellation, wenn ein Mitglied des Aufsichtsrates diese Rolle übernimmt, sollte es niemand aus dem eigenen Unternehmen sein. Abzuraten ist auch davon, den privaten Partner oder die private Partnerin dafür heranzuziehen, auch wenn diese Person fachlich qualifiziert ist. Die Vermischung von beruflicher und Privatsphäre ist immer problematisch und sollte daher besser unterbleiben. Freunde aus anderen Unternehmen, die in einer ähnlichen Position arbeiten, sind ebenfalls nicht unbedingt geeignete Sparringpartner. Erstens ist ihr eigener Job meist ebenfalls sehr zeitintensiv und zweitens sollte man Freundschaften – von Ausnahmefällen abgesehen – nicht mit beruflichen Themen belasten. Außenstehende sind in der Regel die bessere Wahl, wenn man als Manager einen Sparringpartner sucht. Die Kosten für diesen „Verbündeten“ machen sich in der Regel mehr als bezahlt.