Ohne Finanzkrise weder Trump noch Brexit

Ohne Finanzkrise weder Trump noch Brexit

Last Updated on 2020-01-20
Medienmanager Gerhard Zeiler über Social Media, Führungsqualitäten und die Zukunft von Print und Fernsehen.

Er kennt die Politik und die Medienlandschaft: Gerhard Zeiler war Pressesprecher der Bundeskanzler Sinowatz und Vranitzky (beide SPÖ), arbeitete bei deutschen TV-Sendern sowie vier Jahre als ORF-Generalintendant. Nach mehreren Jahren als CEO der RTL Group wechselte er zu Time Warner und leitete dort die TV-Tochter Turner Broadcastings Systems. Nach dem Time Warner von AT&T „geschluckt“ wurde, und Time Warner in WarnerMedia umbenannt wurde, ist Zeiler nun Chief Revenue Officer für Werbung und Vertrieb von Warner Media.

Bei einer Veranstaltung „Weitblick“ am 17. April 2019 im Hochhaus Herrengasse in der Wiener Innenstadt widersprach Zeiler der These, dass angesichts des Siegeszugs der digitalen Medien Print und das lineare Fernsehen tot seien.  Auch wenn die Bedeutung für die schnelle Information und Nachrichten von gestern abnehme, wären die Printmedien schon allein für tiefergehende Beiträge unverzichtbar. Fernsehen erlebe gerade goldene Zeiten. Neben dem linearen Programm, das auch in absehbarer Zukunft größte Bedeutung habe, werde heute eine Vielzahl neuer Plattformen genutzt, sowohl live als auch auf Abruf. Allerdings müssten die Medien auch für ihre digitalen Ausgaben valide Geschäftsmodelle entwickeln, so Zeiler, der auf seinen Dienstreisen „Presse“ und „Standard“ konsumiert.

Sowohl öffentlich-rechtliche als auch private Fernsehsender sollten sich nach Einschätzung von Zeiler fragen, womit sie konkurrenzlos sein könnten: „TV-Sender, die nicht unverzichtbar sind, werden verschwinden.“ Weil alle dafür zahlen, müsse ein öffentlich-rechtlicher Sender regelmäßig für alle Zielgruppen etwas anbieten.

Von einer Finanzierung aus dem Budget, wie sie derzeit für den ORF überlegt wird, hält er nichts: „Dann hätten wir wirklich ein Staatsfernsehen.“ Die Gebührenfinanzierung sei das Um und Auf eines öffentlich-rechtlichen Senders. Bei der politischen Einflussnahme auf das Fernsehen ortet Zeiler ein interessantes Nord-Süd-Gefälle: „Je nördlicher in Europa, desto unabhängiger sind die Sender. Und je südlicher, desto abhängiger.“

Eine gute Führungskraft braucht laut Zeiler vor allem Kommunikationsvermögen, strategisches Denken und Geschick in der Personalauswahl. Gerade in unserer schnelllebigen Zeit sei ein gutes Team, dem man vertrauen könne, enorm wichtig. Das gelte nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Politik.

Kritisch sieht der Medienexperte Teilaspekte der Social Media: „Empfehlungen haben einen großen Einfluss auf die Meinungsbildung der Leute. Die eigene Meinung, TV-Sendungen auszuwählen oder Produkte zu kaufen, bleibt aber unersetzbar.“ Wenn die Menschen immer nur die vorgeschlagenen Angebote annehmen, kommen sie nie aus ihrer Komfortzone heraus. Ähnlich läuft es bei Freundschaften auf Facebook, wo man auch meist auf Gleichgesinnte trifft, meint Zeiler.

Die Finanzkrise ab 2008 hat nach Ansicht des Managers dazu geführt, dass das Vertrauen in die Gesellschaft, die Politik und den Staat untergraben wurde: „Ohne Finanzkrise würde es weder Präsident Trump geben noch die Stimmung für den Brexit. Erst durch die Finanzkrise sind sie hoffähig geworden.“ Aus gutem Grund wurden damals die Banken gerettet. Aber Pensionisten, die man motivierte, in Aktien und Fonds zu investieren, und Häuslbauer, die ihre Kredite mit Aktien besichert haben, seien zum Handkuss gekommen. Bei diesen Menschen müsse die Politik erst wieder Vertrauen erarbeiten, fordert Zeiler.

Die Idee Europa findet er großartig. Eine enorme Jugendarbeitslosigkeit, wie es sie in Griechenland, Spanien oder Italien gibt, dürfe von den Verantwortlichen aber nicht hingenommen werden. Dadurch komme es zu einer Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft.

Zeiler beklagt, dass die Welt in den Medien negativer dargestellt wird als sie tatsächlich ist. „Only bad news are good news, denn sie bringen Einschaltquoten.“ Dabei sei mit der großen Ausnahme des Klimawandels – „mit dem wir unseren Kindern die Welt rauben“ – vieles in den vergangenen 50 Jahren besser geworden. „Ich bin und bleibe Optimist“, betont er. Vielleicht sollte es in den Medien mehr positive Nachrichten geben, man sollte – natürlich ohne Schönfärberei – den Menschen zeigen, dass die Welt gar nicht so schlecht ist.

Autorin: Dr. Brigitta Schwarzer, MBA

Hier kommen Sie zur Fotoauswahl: www.inara.at  alle Fotos: @Philipp Hutter