27 May Qualität des Bauens immer wichtiger
Last Updated on 2021-05-28
Ein Immobilienprojekt ist dann erfolgreich, wenn es nachhaltig und langfristig ist, meint Christoph Stadlhuber von Signa Real Estate. Und Stararchitekt Wolf D. Prix wettert gegen den Trend zu immer kleineren Wohnungen und setzt wegen des Klimawandels stark auf die Farbe Weiß.
„Es entstehen grundhässliche, banale Gebäude.“ Architekt Wolf D. Prix von Coop Himmelb(l)au geht mit der Neubautätigkeit in Wien hart ins Gericht und ortet einen „Verfall der visuellen Kultur“. Prix, der unter anderem die BMW-Welt in München sowie das neue EZB-Gebäude in Frankfurt entworfen hat, zeichnet auch für das Design des 19-stöckigen Belview-Towers im Quartier Belvedere nahe dem Wiener Hauptbahnhof verantwortlich. Das Gebäude mit 249 Apartments wurde vor kurzem fertig, Bauträger ist die Signa Holding. In einem „Kurier-Talk“ diskutierten Prix und Christoph Stadlhuber, CEO von Signa Real Estate, darüber, was gute Architektur ausmacht.
Die Qualität des Bauens werde aus ökologischer Sicht und aus Sicht der Nachhaltigkeit immer wichtiger, sind sich Experten einig. Während der Pandemie, als die Menschen monatelang praktisch in den eigenen vier Wänden „kaserniert“ waren, hat die Qualität beim Wohnen noch erheblich an Bedeutung gewonnen. Dass wegen der hohen Grundstückspreise bzw. des angestrebten Profits Wohnungen, die leistbar sein sollen, immer kleiner werden, ist für Prix schlicht und einfach „ein Verbrechen an den Menschen“. Das werde sich spätestens bei der nächsten Extremsituation – sei es wieder eine Pandemie oder sonst etwas rächen.
Was Gründerzeitobjekte auszeichnet
Nachhaltigkeit ist zwar erst vor wenigen Jahren zum zentralen Thema geworden, doch viele Altbauten haben dieses Prinzip bereits berücksichtigt, obwohl sie 120 oder mehr Jahre alt sind. Die Substanz der Gründerzeithäuser ist langlebig, die verwendeten Materialien meist von guter Qualität. Es wurde mit Ziegeln gebaut, die Wände sind stabil, die Räume hoch, die Grundrisse vernünftig. Wohnungen in diesen Objekten bieten deshalb eine hohe Lebensqualität und werden, sofern regelmäßig in die Erhaltung investiert wird, auch in den kommenden Jahrzehnten bei Mietern und Käufern sehr gefragt sein. Bei vielen Neubauten sieht es ganz anders aus. Hier dominiert Beton, die Wände sind dünn, es wird viel mit Kunststoff gearbeitet, die Bauausführung ist oft alles andere als gut. Solche Neubauten werden keine hundert oder 150 Jahre überdauern, sondern wohl schon viel früher abgerissen werden. Das läuft natürlich dem Gedanken der Nachhaltigkeit diametral zuwider.
Was am Belview-Gebäude sofort auffällt, sind seine Rundungen und die dominierende Farbe Weiß. Stadlhuber erinnert es an ein Kreuzfahrtschiff, für Prix sieht es aus wie ein Ferienhaus. Weil es bekanntlich in Wien meist recht windig ist, hat man auf der „windigen“ Seite des Hauses stärker verglaste Balkone angeordnet, auf der „windstillen“ Seite gibt es offene Balkone und Terrassen, erläutert der Architekt. Das Haus erhalte dadurch und durch seine Rundungen auch eine gewisse Lebendigkeit. Die weiße Außenfront ist für den Architekten die logische Konsequenz des Klimawandels. Prix kritisiert, dass viele Neubauten heute noch immer nach Süden ausgerichtet sind und dunkle Außenfronten haben. Spätestens in ein paar Jahren würden sich aufgrund der Überhitzung die Bewohner darin fühlen wie Kentucky-Fried-Chickens, ätzt er.
Neues Stadtviertel mit perfekter Infrastruktur
Für Stadlhuber geht es beim Bauen auch um eine gesellschaftspolitische Verantwortung: „Die Leute müssen sich die Objekte ja jahrzehntelang anschauen.“ Bei Signa setze man auf gute Architektur und Qualität beim Bauen und habe auch keine Scheu vor Stararchitekten. Wegen des gerundeten Baukörpers und der unterschiedlich gestalteten Freiflächen sind die Belview-Apartments nicht alle gleich, sondern unterschiedlich: „Diese Individualität macht das Haus spannend,“ so Stadlhuber. Die Lage des Objektes am Rande der Innenstadt und inmitten eines neuen entstehenden Stadtviertels, das ganz bewusst auf Dichte und Höhe setzt, biete mit seiner Infrastruktur enorme Vorteile: „Der Hauptbahnhof ist eine europäische Verkehrszentrale, fast noch wichtiger als der Flughafen. Dazu kommen ausgezeichnete Einkaufsmöglichkeiten, ein Kindergarten befindet sich ganz in der Nähe und man ist in wenigen Minuten zu Fuß in der Innenstadt“. Er ist überzeugt davon, dass das Haus auch in zehn bis 15 Jahren noch immer „funktioniert“, es seine Qualität also auch nachhaltig unter Beweis stellt.
Wichtig ist der Erdgeschoß-Bereich
Für Stadlhuber „lebt“ die Stadt nicht oben im Penthouse, sondern im Erdgeschoß-Bereich. Das sei im urbanen Viertel rund um den Hauptbahnhof sensationell gelungen.
Geht der Trend zum Online-Shopping weiter, werden in den kommenden Jahren viele bisher vom Einzelhandel genutzte Flächen leer stehen. Die so wichtige Erdgeschoss-Zone droht zu veröden, quasi zur Problem-Zone zu werden. Stadtplaner sind schon jetzt gefordert, sich neue Nutzungsmöglichkeiten für die freiwerdenden Flächen einfallen zu lassen. Ganz ohne Förderung der Politik wird das wohl nicht funktionieren. So könnten kleine Läden mit regionalen Angeboten, Handwerk & Kunst, Lokale und neue Locations zum Arbeiten und Wohnen einen wesentlichen Anteil an der künftigen Stadtbelebung haben. Besonders geeignet wäre die Erdgeschoßzone natürlich auch für barrierefreie Wohnungen.
red.