Rauschig in der Arbeit

Rauschig in der Arbeit

Last Updated on 2019-06-27
Wiener Zeitung, 18.06.2019

Führungskräfte und Menschen, deren Arbeit stark fremdbestimmt ist, sind am meisten von Drogenmissbrauch am Arbeitsplatz betroffen.

Linz/Wien. Rund jeder 20. Arbeitnehmer hat ein Suchtproblem, besonders häufig sind Führungskräfte betroffen sowie Menschen, deren Arbeit stark fremdbestimmt ist. Daher seien Schichtarbeiter stärker gefährdet als etwa Handwerker. Diese Zahlen präsentierte der Psychiater Reinhard Haller bei einer Pressekonferenz anlässlich einer Tagung von Betriebsräten auf Initiative der Arbeiterkammer OÖ zu dem Thema.

„In den vergangenen Jahren haben sich die Drogenmissbrauchsmuster verändert”, schilderte Haller. Heroin sei in den Hintergrund getreten, Alkohol stagniere auf hohem Niveau, Cannabis sei dafür zur Volksdroge geworden. Immer häufiger zu beobachten sei zudem, dass Leute leistungssteigernde Substanzen nehmen – dazu zählen etwa Kokain, diverse Designerdrogen und Medikamente, vor allem Amphetamine.

Alkoholfahne 

Während die Prävalenz, also die Kennzahl für die Krankheitshäufigkeit, der Gesamtbevölkerung bei etwa fünf Prozent liege, betrage sie bei Führungskräften rund zwölf Prozent, erklärte Haller. Bei ihnen gehe es meist um Medikamentenmissbrauch, da diese Substanzen zwar Wirkung entfalten, aber keine wahrnehmbaren Zeichen wie etwa eine Alkoholfahne erzeugen.

Stark betroffen dürften nach Ansicht des Psychiaters auch Ärzte sein: In den USA gebe es eine neue Studie, laut der 70 Prozent der Mediziner ein Suchtproblem hätten. „Ich hoffe, dass das etwas übertrieben ist”, kalmierte Haller, aber er schätze den Anteil auch bei uns auf über zehn Prozent. Gründe seien bei dieser Berufsgruppe neben der Arbeitsbelastung auch die Medikamentengläubigkeit, der leichte Zugang und das „Titanic-Syndrom” – mit diesem wird die Einstellung „mir kann nichts passieren” umschrieben.

Fürsorgepflicht 

Durch die Sucht eines Einzelnen würden zehn weitere Personen in Mitleidenschaft gezogen – Angehörige ebenso wie Kollegen oder Mitarbeiter. Das Problem sei aber oft, dass sich die Süchtigen selbst nicht krank fühlen und alle zu überzeugen versuchen, dass sie kein Abhängigkeitsproblem haben, erklärte der Psychiater. Dennoch sei es wichtig, hinzuschauen und das Thema anzusprechen – sowohl für Betriebsräte als auch für Vorgesetzte. AK-Präsident Johann Kalliauer wies zudem darauf hin, dass Firmen eine Fürsorgepflicht für ihre Beschäftigten hätten.

Rechtzeitiges Handeln könne nicht nur den Betroffenen ihren Arbeitsplatz retten, es habe auch volkswirtschaftliche Auswirkungen: Die Kosten einer Alkohol-Entwöhnungskur betragen 15.000 Euro, die einer Lebertransplantation hingegen 200.000 Euro, nannte Haller als Beispiel.

Quelle / ganzer Bericht: www.wienerzeitung.at vom 18. Juni 2019