Schnelligkeit oder Erfahrung?

Schnelligkeit oder Erfahrung?

Last Updated on 2020-02-20
Brigitta Schwarzer

Warum es beides braucht und Generationenvielfalt ein Gebot der Stunde ist.

„Die Jüngeren rennen zwar schneller, aber die Älteren kennen die Abkürzungen.“ Ob diese alte Weisheit stimmt habe ich vor kurzem auf LinkedIn zur Diskussion gestellt.  Und ich war überrascht, wie zahlreich die Reaktionen darauf waren. Nicht nur auf LinkedIn, auch persönlich bekam ich viel an Feedback. Das Thema trifft offenbar einen Nerv unserer Zeit, kaum jemand kann sich ihm entziehen.

Die allermeisten Stellungnahmen plädieren für ein Miteinander von Jüngeren und Älteren. Eine ausgewogene Mischung sei wichtig, daraus könne Innovation auf einer soliden Grundlage entstehen. Firmen sollten in beiden Altersgruppen ein Potenzial sehen und dieses auch nutzen. „Es braucht wie immer beide,“ heißt es in einem Statement.

Nicht generalisieren

Generalisierungen sind immer etwas problematisch, entscheidend sei immer der Einzelfall. Darauf wird in einigen Reaktionen hingewiesen. Nicht alle Alten kennen die Abkürzungen, nicht jede davon führt zum Ziel. Nicht alle Jungen wollen oder können schnell rennen und nicht immer ist Geschwindigkeit gefragt. Außerdem würde es angesichts der Komplexität, die heute im Wirtschaftsleben herrscht, allen gut tun, zunächst zu überlegen und erst dann zu laufen – mit oder ohne Abkürzungen.

Der Wert von Erfahrung wird allgemein hoch eingeschätzt. Man kann sie nicht lehren und auch nicht lernen, sondern man muss sie selbst machen. Erfahrung kann vieles wettmachen, ist aber auch kein Allheilmittel. Denn es besteht die Gefahr, dass man nach der Devise „das haben wir schon immer so gemacht“ agiert und dabei Chancen übersieht.

Als ideal sehen die meisten ein Zusammenspiel der Generationen, bei der beiden Seiten voneinander profitieren können. Letztlich sei jeder Mensch einzigartig und sollte seine individuellen Fähigkeiten und sein Wissen einbringen können, unabhängig von Alter, Ausbildung, Hierarchie, Geschlecht. Dass es in der Realität oft anders aussieht, ist leider eine Tatsache. Ebenso die perverse Situation, dass für viele Personalchefs Menschen mit 50, Frauen sogar bereits ab Mitte 40 zum alten Eisen zählen, obwohl sie noch 15 bis 20 Jahre im Berufsleben vor sich haben.

Ich selbst als noch immer berufstätiges Mitglied der Babyboomer-Generation und als Mutter von drei erwachsenen Kindern sehe Generationenvielfalt als ein Gebot der Stunde an. Wir leben in Zeiten des Wandels, ja des Umbruchs, da sind sowohl Geschwindigkeit, für die eher die jungen Menschen stehen, als auch die Erfahrung der Älteren gefragt. Unsere rechte Gehirnhälfte funktioniert ja auch nicht ohne die linke und umgekehrt.

Diversität ist angesagt

In der Wirtschaftspraxis zeigt sich seit langem, dass gemischte Teams erfolgreicher agieren als völlig homogene. Diversität ist heute gefragt. Sie sollte sich aber nicht darauf beschränken, für Aufsichtsräte – früher ausschließlich aus honorigen älteren Herren bestehend – eine Frauenquote einzuführen. Es geht um eine breite Vielfalt auf allen Unternehmensebenen und da eben auch um ein Miteinander der Generationen.

Für die Millennials, die digitalaffin sind und deshalb schnell und unbekümmert an neue Technologien herangehen, muss ebenso Platz sein wie für die ältere Generation, die meist gelassener ist, Lebenserfahrung, analytische Fähigkeiten und oft auch den Blick für das Wesentliche hat. Übrigens hat die Generation 50plus in ihrem Berufsleben bereits mehrere technologische „Revolutionen“ bewältigt und dabei gezeigt, dass sie durchaus anpassungsfähig ist.