Schweizer Forscher: Stopp des Klimawandels ist noch möglich – mit viel mehr Wald

Schweizer Forscher: Stopp des Klimawandels ist noch möglich – mit viel mehr Wald

Last Updated on 2019-09-02
Beim Kampf gegen die rasant steigende Erwärmung des Planeten sei keine Maßnahme so billig und effektiv wie das Pflanzen von Bäumen, schreiben Forscher der ETH Zürich. Dazu brauche die Erde aber ein Drittel mehr Wälder als heute – wobei heutige Stadtflächen bestehen bleiben können.

Der Klimawandel könne durch nichts so effektiv bekämpft werden wie durch Aufforstung. Die Erde könne ein Drittel mehr Wälder vertragen, ohne dass Städte oder Agrarflächen beeinträchtigt würden, schreiben Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich im Fachmagazin “Science”.

Dort zeigen die Wissenschafter in einer Studie auf, wo auf der Welt neue Bäume wachsen könnten und wie viel Kohlenstoff sie speichern würden. Bäume zu pflanzen habe das Potenzial, zwei Drittel der klimaschädlichen CO2-Emissionen aufzunehmen, sagen sie.

Die Studie zeige erstmals, dass das vom Weltklimarat (IPCC) vorgegebene Ziel einer Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius erreichbar sei, schreiben die Autoren. Laut IPCC müssen dafür bis 2050 nicht nur die klimaschädlichen Treibhausgas-Emissionen begrenzt werden, etwa im Energie- und im Transportsektor. Zudem müssten auch bis zu eine Milliarde Hektar Land neu mit Bäumen bepflanzt werden. “Das ist zweifellos erreichbar”, heißt es in der Studie.

Die Erde ist nach Angaben der Forscher derzeit mit 2,8 Milliarden Hektar Wald bedeckt. Sie halten die Neubepflanzung von 900 zusätzlichen Millionen Hektar für möglich. Das entspräche ungefähr der Fläche der USA.

Die Forscher des Crowther Lab, die an der ETH Zürich nach natürlichen Lösungen für die Folgen des Klimawandels suchen, haben Städte und landwirtschaftliche Flächen bei ihrer Berechnung bewusst ausgespart. Es gehe vor allem um ehemals intakte, aber heute zerstörte Ökosysteme, schreiben der Studienleiter Jean-François Bastin und Kollegen. Besonders viele Flächen für eine Aufforstung habe Russland, gefolgt – mit Abstand – von den USA, Kanada, Australien, Brasilien und China.

Die neuen Wälder könnten rund 205 Milliarden Tonnen Kohlenstoff speichern, wenn sie herangewachsen sind. Das sind etwa zwei Drittel der 300 Milliarden Tonnen Kohlenstoff, die seit der industriellen Revolution durch den Menschen in die Atmosphäre gelangten. “Wir müssten aber schnell handeln, denn es wird Jahrzehnte dauern, bis die Wälder reifen und ihr Potenzial als natürliche CO2-Speicher ausschöpfen”, sagt Studienleiter Tom Crowther. Die zur Aufforstung geeignete Fläche werde durch den Klimawandel jedes Jahr kleiner.

Viele Wissenschafter gingen in ihren Berechnungen davon aus, dass die Baumbedeckung durch den Klimawandel steige, heißt es in der Studie. Das stimme zwar für die nördlichen Wälder, etwa in Sibirien. Die Berechnungen seien aber falsch, denn die Baumdichte liege dort durchschnittlich nur bei 30 bis 40 Prozent. Gleichzeitig gingen tropische Wälder mit einer Baumdichte von 90 bis 100 Prozent verloren.

Die Universität hat auf ihrer Website einen Rechner, der für jeden Ort der Erde berechnet, wie viele Bäume dort wachsen könnten und wie viel Kohlenstoff sie speichern würden.

“Die Studie setzt neue methodische Standards, weil sie das Potenzial der Aufforstung mit hoher räumlicher Auflösung und mithilfe von Methoden der künstlichen Intelligenz berechnet”, sagt Felix Creutzig vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin. “Die flächenreichen Länder Russland, Kanada, USA, Brasilien, Australien und China haben das meiste Potenzial für zusätzliche Bewaldung und können mehr hierin investieren. Gleichzeitig ist es aber noch wichtiger, dass erst einmal die Entwaldung gestoppt wird, speziell in Brasilien und Indonesien.”

Grundsätzlich betont der Forscher: “Die Aufforstung kann trotz allen Potenzials nur eine von vielen Maßnahmen für den Klimaschutz sein. Eine rasche Abkehr vom fossilen Wirtschaftsmodell ist notwendig und kann mithilfe eines sektorübergreifenden CO2-Preises am besten erreicht werden.”

Quelle: industriemagazin.at (dpa/apa/red)