So soll die Wirtschaft „grün“ werden

So soll die Wirtschaft „grün“ werden

Last Updated on 2021-06-16
Dr. Christine Domforth

Die EU-Taxonomie-Verordnung definiert, welche Wirtschaftsaktivitäten ökologisch nachhaltig sind. Damit sollen Kapitalflüsse in Richtung Klima- und Umweltschutz gelenkt und ein wesentlicher Beitrag zum Green Deal der EU geleistet werden.

Die Bekämpfung des Klimawandels ist weltweit die große Herausforderung unserer Zeit. Mit dem Pariser Klimaschutzabkommen verpflichteten sich 2016 knapp 200 Staaten die Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Die EU legte sich mit ihrem Ende 2019 präsentierten „Green Deal“ darauf fest, bis zum Jahr 2050 als erster Kontinent klimaneutral zu sein. Um diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen, sind nicht nur massive Investitionen nötig, auch das Finanzwesen muss künftig verstärkt in Richtung Nachhaltigkeit ausgerichtet werden. Ein zentrales Element dabei ist die EU-Taxonomie-Verordnung. Sie soll für Transparenz sorgen und Verbrauchern sowie Investoren eine Orientierung bieten, ob Produkte tatsächlich nachhaltig sind. Weiters dient die Taxonomie dem Bekämpfen von „Green Washing“ (Unternehmen oder Produkte werden fälschlicherweise als umweltfreundlich dargestellt) sowie der Festlegung von Standards für die Ausgabe von Green Bonds.

Nachhaltige Investments sind jetzt schon bei institutionellen Investoren wie Pensionsfonds oder Versicherungen sehr gefragt, in Zukunft werden aber auch private Anleger verstärkt auf „grüne“ Finanzprodukte setzen. Dafür fehlte aber bisher eine einheitliche Definition, man musste sich an diversen Nachhaltigkeitsratings und Gütesiegeln orientieren. Hier gibt es durch die Taxonomie künftig klare Richtlinien.

Die EU-Taxonomie ist ein Klassifikationssystem, in dem erstmals europaweit standardisiert definiert wird, welche Wirtschaftsaktivitäten und damit auch Investments „grün“, also ökologisch nachhaltig sind. Beschlossen wurde die Taxonomie-Verordnung Mitte des Vorjahres, am 22. Juni 2020 trat sie nach Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft. Sie galt damit automatisch auch in Österreich, eine Umsetzung in nationales Recht war nicht erforderlich.

Wer davon betroffen ist

Die EU-Taxonomie-Verordnung 2020/852 gilt für drei große Gruppen:

  • Einmal für Finanzmarktteilnehmer, also Banken, Versicherungen, Fonds, Asset Manager, die in der EU grüne Finanzprodukte auf den Markt bringen.
  • Weiters für kapitalmarktorientierte Unternehmen aus der Realwirtschaft, die im Zuge der Non-Financial Reporting Directive (in Österreich durch ein eigenes Gesetz umgesetzt) z. B.im Rahmen ihrer Jahresberichte zu einer nicht finanziellen Berichterstattung verpflichtet sind.
  • Dritte Zielgruppe der EU-Taxonomie sind schließlich die EU und ihre Mitgliedstaaten.

Um entsprechend der Taxonomie-Verordnung als „grün“ zu gelten, müssen wirtschaftliche Aktivitäten eines Unternehmens einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der in der Verordnung gennannten Umweltziele leisten. Es sind dies

  • der Klimaschutz,
  • die Anpassung an den Klimawandel,
  • die nachhaltige Nutzung und der Schutz von Wasser- und Meeresressourcen,
  • der Übergang zur Kreislaufwirtschaft,
  • die Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
  • sowie der Schutz und die Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystem.

 

Die wirtschaftlichen Aktivitäten dürfen außerdem keinen anderen Umweltzielen einen signifikanten Schaden zufügen („do no significant harm-Regel“), außerdem sind bestimmte soziale Mindestanforderungen sowie von der EU festgelegte technische Bewertungskriterien zu erfüllen. Neben bereits grünen Wirtschaftsaktivitäten gibt es auch Übergangstätigkeiten und solche, die Aktivitäten erst ermöglichen. Während alles mit und rund um die Kohle aus der Taxonomie grundsätzlich ausgeschlossen ist, sorgte die Frage, ob Gas und Atomkraft als Übergangslösungen zugelassen sein sollen, EU-intern für heftige Streitigkeiten.

Langfristig breiter Anwendungsbereich

Die Taxonomie-Verordnung ist ab 1. Jänner 2022 (rückwirkend für das Geschäftsjahr 2021) für die Ziele Klimaschutz und Klimawandel anzuwenden. Für die restlichen vier Umweltziele – von Nachhaltigkeit bis Biodiversität – ist die Anwendung ab 1. Jänner 2023 (rückwirkend für das Geschäftsjahr 2022) vorgesehen. Auch wenn derzeit nur bestimmte kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie die Finanzbranche davon erfasst werden, sollten sich kleine und mittelständische Unternehmen ebenfalls mit der Taxonomie beschäftigen, weil ein nachhaltiges Geschäftsmodell auf Dauer unabdingbar sein wird. Außerdem werden die Banken stark darauf drängen, für klimaschädliche Aktivitäten dürfte es künftig nur schwer eine Finanzierung geben.