22 Sep Soziale Verantwortung ist ein Erfolgsfaktor im Wettbewerb
Last Updated on 2019-09-22
Diplom-Ökonom Rudolf X. Ruter, 11. Juli 2008
In Zukunft werden diejenigen Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich sein, die Nachhaltigkeit in die gesamte Wertschöpfungskette integrieren. Corporate Social Responsibility (CSR) wird zur Führungsaufgabe und auch zum Teil eines vorausschauenden Risikomanagements.
Unternehmen entdecken ihre soziale Ader: Sie fördern Kunst oder Sport, spenden für Kindergärten oder Seniorenheime, engagieren sich im Umweltschutz und für Straßenkinder im Ausland. Laut einer Umfrage der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer (ASU) aus Berlin meinen 92 Prozent der Familienunternehmer, dass gesellschaftliches Engagement über die wirtschaftlichen Aktivitäten hinaus zum Selbstbild gehöre. Allerdings: Für 59 Prozent der befragten Unternehmer müssen sich diese Wohltaten betriebswirtschaftlich nicht rechnen. Diese Einstellung gibt zu denken. Ob Anleger, Banken oder Investoren derselben Meinung sind, ist fraglich. Sie könnten Spenden und andere Aufwendungen für soziales Engagement auch als Geldverschwendung bezeichnen. Dabei zeigen andere Beispiele, dass sich soziales Engagement von Unternehmen für alle Beteiligten auszahlen kann. Gerade auch für die Spender, aber das nur, wenn Wohltaten in die Unternehmensstrategie und in die Wertschöpfungskette integriert und regelmäßig auch auf ihre Wirksamkeit hin kontrolliert werden.
Raubbau an natürlichen
CSR muss in eine langfristige Strategie eingebunden werden
Gesellschaft und Politik erwarten heute mehr denn je, dass Firmen für die Gemeinschaft aktiv werden und dass sie bei ihrem Streben nach Gewinnen weltweit ökologische, soziale und humane Standards beachten. Auch das Ansehen von Unternehmen beruht nicht mehr nur auf wirtschaftlichen Erfolgen. Die Öffentlichkeit reagiert sensibel auf Verstöße gegen Menschen- oder Arbeitsrechte oder den Ressourcen. Schlechte Nachrichten wiederum verbreiten sich blitzschnell rund um die Welt, werden im Internet ausgiebig diskutiert und führen nicht selten zu Boykottaufrufen gegen Marken und Produkte. Hier entsteht für Unternehmen ein enormes Risikopotenzial. Der US-amerikanische Investor Warren Buffett meint: „Es dauert zehn Jahre, einem Unternehmen ein positives Image zu verleihen, aber nur zehn Sekunden, dieses zu verlieren.”
Unternehmen sind gezwungen, sich stärker mit Themen wie Nachhaltigkeit, sozialer Verantwortung und mit der eigenen CSR zu beschäftigen. Sie sollten das jedoch nicht nur als Verpflichtung, sondern vielmehr als Chance begreifen! Gezielt organisiert hilft CSR, Risiken zu erkennen, Verluste zu vermeiden, aber auch neue Produkte anzuregen oder interne Prozesse zu verbessern. So verstanden stärkt CSR die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und wird zum Teil des Risikomanagements, das laut dem Deutschen Corporate Governance Kodex eine gute, verantwortungsvolle Führung ebenso kennzeichnet wie die nachhaltige Steigerung von Unternehmenswerten. Im Alltag sind solche Ansprüche bislang Theorie geblieben. Zwar erkennen laut einer Umfrage der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) die meisten Unternehmen nachhaltiges Wirtschaften und CSR als einen Erfolgsfaktor, doch die wenigsten verknüpfen diese mit strategischen Zielen. Die jüngste Umfrage der ASU bestätigt diese Beobachtung. CSR wird immer noch missverstanden als Mäzenatentum oder als Aktionsfeld für Wohltätigkeit, gerne an eine Eventagentur delegiert und aus Imagegründen von PR-Spezialisten verbreitet. Georg Müller-Christ, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Bremen und Sprecher des Forschungszentrum Nachhaltigkeit, kritisiert zu Recht:
„Die meisten Unternehmen verwenden CSR als semantischen Nebel, um Gewinn und Wachstumsstreben zu schützen. Doch so eine Imagepflege wird schnell als unglaubwürdig entlarvt, der Aufwand als Zweckentfremdung von Kapital interpretiert.”
Echte CSR ist hingegen weniger ein Kostenfaktor, sondern zielt bewusst auf eine stabile Win-Win-Beziehung zwischen Unternehmen und sozialem Umfeld. Tue Gutes und profitiere davon, heißt die Devise. Dann nützt unternehmerische Verantwortung allen Beteiligten. Ein gutes Beispiel dafür gibt die Mobilfunkgesellschaft O2: Vor einigen Jahren hat sie sich dem Jugendschutz verschrieben und einen Verhaltenskodex aufgelegt. Minderjährige werden vor Inhalten geschützt, die nur für Erwachsene bestimmt sind. Funk- und Internetdienste bieten Sperrmöglichkeiten für Themen, welche die Entwicklung von Kindern beeinträchtigen können. O2 finanzierte zudem die Entstehung des Handykurses „Poly und Fred” für Kinder ab acht Jahren. Spielerisch übt er den Umgang mit Mobiltelefonen und wurde in einigen Bundesländern offizieller Teil der Lehrpläne von Grundschulen. Das ist gesellschaftliches Engagement, gleichzeitig aber empfiehlt sich das Unternehmen als sachkundiger Partner für neue Informationstechnologien.
Ziele erreicht? Kontrolle ist bei CSR am wichtigsten
Voraussetzung für ein solches Geben und Nehmen ist eine langfristige Strategie. Deshalb ist CSR Chefsache. André Habisch, Professor für Sozialethik und Gesellschaftspolitik an der Katholischen Universität Eichstätt fordert deshalb auch:
„Aus sporadischen und unfokussierten Aktivitäten muss ein professionelles Handlungsfeld der Unternehmen werden, das von der Gesamtstrategie des Managements her gesteuert ist.”
Nur an der Unternehmensspitze fallen die Entscheidungen, laufen diejenigen Informationen zusammen, die für die Zukunft der Geschäfte den Ausschlag geben. Daher müssen hier auch die Ziele für eine CSR-Strategie formuliert, die dazu notwendigen Organisationsstrukturen aufgebaut und vor allem auch die Berichtssysteme zur Erfolgskontrolle etabliert werden. Die Frage ist, wie Unternehmen dies praktisch bewerkstelligen. Nach einer Analyse der wichtigsten sozialen und ökologischen Fragen, die das Kerngeschäft tagtäglich berührt, können Managementmethoden wie die Balanced Scorecard, die sich auch um das Thema Nachhaltigkeit und Verantwortung erweitern lässt, oder das Excellence-Modell der European Foundation für Quality Management bei der Implementierung von CSR-Strategien helfen. Allerdings sollten Unternehmen für Aktivitäten mit externen gesellschaftlichen Gruppen nicht nur mit finanziellen Mitteln planen. Sie können zusätzlich engagierte Mitarbeiter, Problemwissen zu ihren spezifischen Geschäftsthemen, Kontakte zu Politikern und Wissenschaftlern oder aber logistischen Infrastrukturen bereitstellen.
Bei allem Engagement – Kontrolle ist und bleibt das wichtigste Element der CSR. Sie weist frühzeitig auf mögliche Fehlentwicklung interner und externer Projekte hin, richtet den Blick auf entstehende Trends oder Forschungsfelder und bildet die Basis für die Kommunikation nach außen. Verschiedene Studien belegen, dass Firmen, die sich in ihrem Kerngeschäft von den Interessen der Mitarbeiter oder von den Ansprüchen relevanter gesellschaftlicher Gruppen leiten lassen, damit neues, für Geschäfte verwertbares Wissen erlangen und damit Risiken wie Bedürfnisse schneller aufspüren als ihre Wettbewerber. CSR verhilft also zu Wettbewerbsvorteilen – und sogar zu Einsparpotenzialen: Umweltschonende Produktionsverfahren bieten vielfältige Möglichkeiten, dauerhaft Kosten zu senken oder Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Wer schließlich Gesellschaft und Umwelt Gutes tut, darf dafür auch nachhaltig klappern. Auf der Grundlage testierter Zahlen ist sein Engagement objektiv nachprüfbar, also auch glaubwürdig – und im Zweifelsfall ein effizienter Schutz.
Ohne seine langfristig geplanten CSR-Strategien hätte sich die Hamburger Otto-Gruppe wohl längerfristig Ärger eingehandelt. Vor kurzem machte die Zeitschrift „Stern“ publik, eine Otto-Tochter biete Blusen an, die Kinder-Lohnsklaven in Indien bestickten. Dank des umfassenden Reportings von Zulieferbetrieben konnte der Hamburger Handelskonzern dem Vorwurf sofort nachgehen, die Verantwortlichen ausmachen und Gegenmaßnahmen ergreifen. Der negative Widerhall dieser Nachricht hielt sich in Grenzen – und Otto steht weiterhin als verantwortungsvolles, innovatives Unternehmen da.
Website: www.ruter.de