„Sprungbrett“ für (angehende) Aufsichtsrätinnen

„Sprungbrett“ für (angehende) Aufsichtsrätinnen

Last Updated on 2024-01-29
Dr. Christine Domforth, 22.01.2024

Was können (angehende) Aufsichtsrätinnen vom Non-Profit-Bereich lernen? Diese Frage stand im Mittelpunkt des diesjährigen “Integrierte Corporate Governance” Seminars, das die Österreichische Female Board Pool Initiative gemeinsam mit INARA veranstaltete.

Eine engagierte, aber sehr diskrete Runde von Frauen, darunter auch einige bekannte Unternehmerinnen, traf sich dazu am 18. Jänner 2024 im Österreichischen Journalisten Club in der Wiener Innenstadt. Nach der Begrüßung durch Rita Knott, der Leiterin der Internationalen Female Board Pool Initiative, sprachen Prof. Dr. Martin Hilb über „Integrierte Corporate Governance“ und Rechtsanwalt Dr. Clemens Völkl über die Rechtsgrundlagen der Aufsichtsratstätigkeit. Beim anschließenden Lunch war intensives Netzwerken angesagt. Der gegenseitige Austausch ist für alle Teilnehmer:innen der Female Board Pool-Seminare immer ein wesentlicher Bestandteil der Veranstaltung.

INARA-Geschäftsführerin Dr. Brigitta Schwarzer präsentierte anschließend einen Überblick in Zahlen: Demnach gibt es beim Frauenanteil in Österreichs Aufsichtsräten noch viel Luft nach oben. Insgesamt lag er bei den Top-200-Unternehmen zuletzt bei 25,5 Prozent und steigt nur langsam. 50 dieser Unternehmen haben keine einzige Frau im Aufsichtsrat, nur in 31 eine AR-Vorsitzende.

Schwarzer ging dann auf NPO (Non Profit Organisationen) ein: „In deren Leitungsfunktionen können sich angehende Aufsichtsrätinnen relativ „gefahrlos“ Kompetenzen aneignen, die später für die Ausübung eines Aufsichtsratsmandats wichtig und nützlich sind. Denn auch im NPO-Bereich gibt es – abhängig von der Größe des Vereins – Strukturen und Organe, es sollte nach betriebswirtschaftlichen Methoden gehandelt werden. Sorgfaltspflichten und Haftung bestehen auch in NPO. Zudem geht auch hier der Trend in Richtung Professionalisierung. Ein Vorstandsmandat in einem größeren Verein könne daher durchaus als „Sprungbrett“ für eine spätere Tätigkeit im Aufsichtsrat einer Kapitalgesellschaft dienen, so Schwarzer.

Spannende Berichte aus der Praxis

Bei der anschließenden Panel-Diskussion mit dem Titel „Try before you buy“ gaben drei Damen und ein mutiger „Quotenmann“ Einblicke in ihre langjährige Tätigkeit im NPO-Bereich. Renate Androsch-Holzer ist seit 30 Jahren Unternehmerin und hat mehrere Vorstandsmandate in Vereinen, darunter bei „Frau im Fokus“. Dr. Gerhild Bensch-König ist in leitender Funktion im Wohnbau der Raiffeisen-Gruppe tätig. Zusätzlich ist sie Vereins-Präsidentin beim Salon Real, einem Netzwerk von Damen aus der österreichischen Immobilienwirtschaft. Roland Gehbauer war viele Jahre in leitenden Funktionen in der Erste Bank tätig und ist heute Rechnungsprüfer im Verein ASEP (Austria Senior Experts Pool). Eine Funktion im Wiener Kulturbereich hat Monika Grußmann inne: Sie leitet das Bezirksmuseum 7 Neubau.

Die vier Panelist:innen diskutierten, ob und wie sich die Arbeit in einem gewinnorientierten Unternehmen von der Tätigkeit im NPO-Bereich unterscheidet. Laut Bensch-König gibt es durchaus Ähnlichkeiten: „In einem größeren Verein hat man die gleiche Verantwortung, man muss das Budget, das sich aus den Mitgliedsbeiträgen speist, einhalten und für die Mitglieder spannende Veranstaltungen organisieren.“ Gehbauer sieht das ähnlich, allerdings sei der Druck in einem Verein geringer als in einem Unternehmen mit strengen Zielvorgaben. Und es gehe in Vereinen weniger hierarchisch zu, betonten Bensch-König und Gehbauer übereinstimmend.

Im Bezirksmuseum sind die Mitarbeiter:innen ehrenamtlich tätig, man kann niemandem etwas „anschaffen“. „Ich muss das Team motivieren und dafür sorgen, dass sich die Leute wohlfühlen,“ betonte Grußmann. Und sie fügte hinzu: „Wer Freiwillige managen kann, kann jede Art von Menschen führen.“

Nach Ansicht von Androsch-Holzer sind große Vereine durchaus mit einem gewinnorientierten Unternehmen vergleichbar. Im Verein lerne man u.a. Teamarbeit, Kommunikation und „alle unter einen Hut zu bringen“. Schließlich müssen auch im Verein Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden.

Beide Seiten können voneinander lernen

Schlussendlich war man sich am Podium einig, dass beide Seiten – Profit-Business und Non-Profit-Bereich – voneinander lernen können: erstere beispielsweise soziale Kompetenzen, die auch in der Wirtschaft immer wichtiger werden, letztere betriebswirtschaftliche Fähigkeiten, ohne die es im NPO-Bereich heute nicht mehr geht.

Den Abschluss der ganztägigen Veranstaltung bildete eine Pitching-Runde. Jede der Teilnehmerinnen musste sich in mehreren Durchgängen innerhalb von 60 Sekunden als „Marke“ präsentieren und darstellen, welche Fähigkeiten sie für ein bestimmtes Aufsichtsratsmandat mitbringt. Die Damen meinten übereinstimmend, dass sie bei diesem „speed dating“ enorm viel gelernt haben. „Es war zwar nur eine Übung, aber es hat sich echt angefühlt. Und deshalb war ich auch nervös,“ gestand eine Teilnehmerin. Knott betonte, wie wichtig es sei, nicht völlig unvorbereitet in stressige Situationen wie eben die Bewerbung um ein AR-Mandat zu gehen. Vorher sollte im „Trockentraining“ geübt werden. „Das geht natürlich am besten in einem geschützten Umfeld wie in unseren Seminaren,“ so Knott. Nicht nur beim Pitchen war die Stimmung gut, es wurde auch viel gelacht. Und nach dem offiziellen Teil gab es noch Gelegenheit zum Netzwerken.

Die Female Board Pool Initiative unter der Leitung von Prof. Dr. Martin Hilb wurde 2006 in der Schweiz gegründet und 2011 als Internationale Female Bord Pool Initiative unter Rita Knott in die EU ausgeweitet; sie umfasst heute sechs EU-Länder. Ziel ist es, mehr qualifizierte Frauen in Aufsichtsfunktionen zu bringen. In kompakten Seminaren erhalten Frauen mit entsprechender Fachkompetenz und operativer Führungserfahrung eine fundierte und umfassende Einführung in die Welt der Aufsichtsräte, Verwaltungsräte und Beiräte. Auf Wunsch werden die Seminarteilnehmerinnen in einen länderübergreifenden Kandidatinnen-Pool aufgenommen.

www.femaleboardpool.eu