TBC und Corona: Viele Parallelen

TBC und Corona: Viele Parallelen

Last Updated on 2021-01-19
Dr. Christine Domforth

Beide Infektionskrankheiten fordern jährlich Millionen Tote, betroffen ist in beiden Fällen vor allem die Lunge, auch die Übertragung verläuft ähnlich.  Einer der Pioniere der Tuberkulose-Forschung war der österreichische Kinderarzt Clemens Pirquet.

Die Tuberkulose zählt weltweit zu den zehn häufigsten Todesarten und war bis 2019 jene Infektionskrankheit, die die meisten Todesfälle verursacht. Erst im Vorjahr wurde sie von Corona überholt. Während Jahr für Jahr weltweit rund zehn Millionen Menschen an Tuberkulose erkranken und davon etwa 1,5 Millionen sterben, forderte die Corona-Pandemie bisher rund zwei Millionen Todesopfer. Bei uns spielt die Tuberkulose, die früher auch als Schwindsucht oder weiße Pest bezeichnet wurde und im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert noch eine echte Volksseuche war, keine große Rolle mehr. Dies vor allem deshalb, weil sie in der Regel gut behandelbar ist.

Einige wenige Infektionen gibt es hierzulande aber nach wie vor. So treten in Österreich jährlich ein paar hundert Fälle von Tuberkulose auf, 15 bis 20 Personen sterben daran. In den ärmeren Ländern, überall dort, wo Ernährungs-, Hygiene- und Wohnverhältnisse besonders prekär sind und der Zugang zur medizinischen Versorgung schlecht ist, ist sie noch immer weit verbreitet. 95 Prozent der Fälle treten in den Entwicklungsländern auf.

Impfskepsis gab es schon vor 100 Jahren

Die beiden Krankheiten unterscheiden sich zwar durch ihre Erreger (bei der Tuberkulose ist es ein Bakterium, bei Corona ein Virus), es gibt aber auch Parallelen und Zusammenhänge. Dazu gehört die Übertragung, die bei beiden Krankheiten meist durch Tröpfchen in der Atemluft erfolgt. Bei der ansteckenden Lungentuberkulose werden diese durch Tröpfchen beim Husten, Sprechen oder Niesen übertragen, wobei das höchste Infektionsrisiko bei engem, mehrstündigem Kontakt besteht, also z.B. in der Familie oder in schlecht belüfteten Räumen. Das ist – wie wir mittlerweile alle wissen – bei Covid-19 ganz ähnlich. Das am meisten betroffene Organ ist bei beiden Krankheiten die Lunge, nicht jeder Infizierte entwickelt Symptome. Die Opferzahlen sind wie erwähnt bei beiden Erkrankungen enorm. Und nicht zuletzt ist auch die Impfskepsis kein neues Phänomen. So wie sich heute manche Menschen partout nicht gegen Corona impfen lassen wollen, gab es auch vor rund 100 Jahren heftigen Widerstand gegen die damals neu entwickelte Tuberkulose-Impfung. Vieles ist eben auch in der Medizin schon einmal da gewesen.

Im Vorjahr, als noch heftig an den diversen Corona-Impfstoffen geforscht wurde, tauchten Gerüchte auf, dass eine Tuberkulose-Impfung möglicherweise vor einem schweren Covid-19-Verlauf schützen kann. Studien konnten das allerdings nicht erhärten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt davor, dass Corona den Kampf gegen die Tuberkulose massiv erschwert. Viele ärmere Länder, die bisher bei der Bekämpfung der TBC recht aktiv waren, setzen jetzt Fachkräfte und Geld fast ausschließlich zur Eindämmung der Corona-Pandemie ein. Durch die Lockdowns verschlechterten sich auch die Behandlungsmöglichkeiten der Patienten. Experten schätzen, dass infolge von Corona noch mehr Menschen an Tuberkulose sterben könnten als bisher. Und für jene Menschen, die von Tuberkulose betroffen sind, stellt Covid-19 eine extreme Gefahr dar. TBC-Infizierte oder aktiv an Tuberkulose erkrankte Personen haben demnach eine erhöhte Anfälligkeit für eine Corona-Infektion, sie gelten als Höchstrisikogruppe. Und wenn sie Corona bekommen, dann nimmt die Krankheit bei ihnen meist einen schwereren Verlauf.

Pirquet entwickelte Tuberkulin-Test

Einer der Pioniere bei der Erforschung der Tuberkulose war der österreichische Kinderarzt Clemens Pirquet. Er wurde 1874 in Hirschstetten bei Wien geboren, stammte aus einer alten Patrizierfamilie und studierte zunächst Theologie und Philosophie. Doch dann entdeckte Pirquet seine Liebe zur Medizin, er studierte in Wien, Königsberg und Graz. Nach der Promotion im Jahr 1900 wandte er sich der Kinderheilkunde zu, die damals erst im Aufbau begriffen war. Nach Stationen in Baltimore und Breslau übernahm er 1911 den Lehrstuhl für Kinderheilkunde an der Wiener Universitäts-Kinderklinik, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1929 wirkte. Er baute die Klinik massiv aus, die bald Weltruf genoss. Auf dem Dach des Spitalsgebäudes installiert er eine Freiluftstation für Kinder, die an Tuberkulose litten.

Der vielseitige Mediziner konzentrierte sich bei seinen Forschungen auf Bakteriologie und Immunologie. Daneben gilt er als Entdecker der Allergien und beschäftige sich intensiv mit der richtigen Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern. Zwischen 1919 und 1921, als in Wien als Folge des Ersten Weltkriegs große Not herrschte, organisierte eine groß angelegte Kinderausspeisung.

1907 entwickelte Pirquet an der Kinderklinik eine Methode zur (Früh-)Diagnose der Tuberkulose, den Tuberkulin-Hauttest, der auch als Tuberkulinprobe oder Pirquet-Reaktion bezeichnet wurde. Mit diesem Test konnte man erstmals eine vorangegangene oder gegenwärtige Tuberkulose-Infektion verlässlich erkennen, was vor allem für die Prophylaxe und die TBC-Fürsorge wichtig war.

Anfang des 20. Jahrhunderts experimentierten die französischen Wissenschaftler Albert Camette und Camille Guérin mit abgeschwächten Tuberkulose-Erregern. 1921 gelang ihnen dann die Entwicklung der Tuberkulose-Impfung. Der Impfstoff wurde nach seinen Entdeckern BCG (Bacillus Calmette-Guérin)-Impfstoff genannt. Bei uns wird die Tuberkulose-Impfung nicht mehr empfohlen, weil das Infektionsrisiko zu gering ist. In Ländern, in denen Tuberkulose besonders häufig auftritt, rät die WHO jedoch nach wie vor, gegen TBC zu impfen. Weltweit wird an neuen, verbesserten Impfstoffen geforscht, die viele Todesfälle verhindern könnten.

Pirquet war ein großer Verfechter des Impfens, vor allem der Masern-Impfung. Er plädierte sogar für eine Impfpflicht. Das bescherte ihm viele Kritiker. Impfen war damals relativ neu, viele Eltern hatten Angst vor eventuellen Nebenwirkungen.

Für Nobelpreis nominiert, aber abgeblitzt

Insgesamt fünfmal wurde Pirquet für den Medizin-Nobelpreis nominiert. Bekommen hat er allerdings nie und ist damit in durchaus prominenter Gesellschaft. Der berühmteste Nicht-Nobelpreisträger unter den österreichischen Ärzten ist wohl Sigmund Freud. Er war 33-mal für die Medizin-Auszeichnung nominiert, einmal für den Literatur-Nobelpreis. Doch Freud ging leer aus, ebenso wie beispielsweise die Physikerin Lise Meitner und der Physiker Ludwig Boltzmann.

Insgesamt 22 Österreicher wurden bisher mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Die Liste beginnt mit Bertha von Suttner, der 1905 der Friedensnobelpreis zuerkannt wurde, und reicht bis zu Peter Handke, der 2019 den Literaturnobelpreis bekam. Insgesamt acht der österreichischen Nobelpreisträger, also mehr als ein Drittel, waren in der der Medizin oder Physiologie tätig. Die bekanntesten sind der Psychiater Julius Wagner-Jauregg, Karl Landsteiner, der die Blutgruppen und den Rhesusfaktor entdeckte, der Verhaltensforscher Konrad Lorenz sowie der in Wien geborene und später in die USA emigrierte Neurowissenschafter Eric Kandel.

Wären Ärzte die besseren Gesundheitsminister?

In Österreich gibt es erst seit der Ära Kreisky ein eigenes Gesundheitsministerium. Sehr oft waren die Gesundheitsminister aber zusätzlich auch für andere Agenden – Soziales, Konsumentenschutz etc. – zuständig. Seit 1972 gab es inklusive des derzeit amtierenden Ressortchefs Rudolf Anschober insgesamt 19 Minister, von denen sieben Mediziner waren. Die Liste reicht von Ingrid Leodolter bis zu Pamela Rendi-Wagner. Die Führung eines Ministeriums ist natürlich vor allem eine Managementaufgabe. So haben wir beispielsweise einen Philosophen als Finanzminister, eine Frau, die natürlich nie beim Bundesheer war, leitet das Verteidigungsministerium. Dennoch hätten Mediziner als Gesundheitsminister einen gewissen Startvorteil, vor allem beim fachlichen Austausch mit den Experten, der in Krisensituationen wie Corona natürlich besonders wichtig ist. Vielleicht lohnt da ein Blick ins Justizressort. Dort wäre es nämlich ein No-Go, einen Nichtjuristen zum Justizminister zu machen.