Teamarbeit als Erfolgsfaktor

Teamarbeit als Erfolgsfaktor

Last Updated on 2021-09-30
Dr. Christine Domforth

Aufsichtsräte sollten sich bei ihrer Arbeit die kollektive Intelligenz ihrer Mitglieder zunutze machen. Damit das in der Praxis gut funktioniert, muss im Team Diversität herrschen. Der AR-Vorsitzende sollte als primus inter pares agieren und darf nicht das Alphatier spielen.

Intelligenz wird definiert als Fähigkeit, Informationen effizient zu verarbeitet, in der Psychologie ist Intelligenz ein Sammelbegriff für die kognitive bzw. geistige Leistungsfähigkeit. Doch nicht nur der Einzelne, auch ein Team kann Intelligenz besitzen. Wenn eine Gruppe von Individuen gemeinsam und im Konsens intelligente Entscheidungen trifft, spricht man von kollektiver Intelligenz. Der Begriff Schwarmintelligenz wird gelegentlich als Synonym dafür verwendet, bezieht sich aber oft auf das Tierreich, etwa auf Ameisen, Bienen oder Vögel. Sie nutzen die Schwarmintelligenz etwa bei der Nahrungsbeschaffung oder bei der Abwehr von Feinden.

Im Wirtschaftsleben kann sich der Aufsichtsrat eines Unternehmens das Phänomen der kollektiven Intelligenz zunutze machen, indem er verstärkt auf Teamarbeit setzt. Der Aufsichtsrat spielt als Brücke zwischen den Eigentümern und dem Vorstand eine zentrale Rolle in jedem Unternehmen, seine Arbeit ist für den Unternehmenserfolg mitentscheidend. Das gilt umso mehr in einer Zeit wirtschaftlicher Umbrüche, in der die Sachverhalte komplexer werden und Entscheidungen immer schneller getroffen werden müssen. Zusätzlich trägt der Aufsichtsrat auch ein Haftungsrisiko.

Komplementäre Kompetenzen einbinden

Damit die kollektive Intelligenz funktioniert, muss in der Gruppe Diversität herrschen. Das gilt natürlich auch für die Zusammensetzung von Aufsichtsratsgremien. Zunächst geht es um die fachliche Diversität: Die einzelnen Aufsichtsräte sollten komplementäre Kompetenzen besitzen, also inhaltlich möglichst viele Facetten des Wirtschafts-, Rechts- und Finanzwissens abdecken. Vereinfacht gesagt: Wenn im Aufsichtsrat eines Immobilienunternehmens nur Immobilienprofis sitzen, ist das kontraproduktiv.

Daneben sind aber auch andere Aspekte der Diversität bedeutsam. Bestanden diese Kontrollgremien früher oft ausschließlich aus älteren Herren, deren Herkunft, Bildung und beruflicher Werdegang sehr ähnlich waren, hat sich in den vergangenen Jahren die Erkenntnis durchgesetzt, dass „bunte“ Teams weit bessere Ergebnisse bringen. Gefragt sind Genderdiversität, die mittlerweile in Teilbereichen sogar gesetzlich eingefordert wird, weiters Altersvielfalt sowie Internationalität. Experten sind ebenso gefragt wie Generalisten. „More oft the same“ lässt hingegen keine kollektive Intelligenz zustande kommen. Die Vielfalt im Aufsichtsrat ist auch deswegen wichtig, weil dieses Gremium neben Routineaufgaben wie der Feststellung des Jahresabschlusses oder dem Absegnen zustimmungspflichtiger Geschäfte, einen „Spagat“ zu bewältigen hat: Es braucht einerseits den Blick für neue Entwicklungen und Risiken, andererseits auch das historische Verständnis für die Gesellschaft und deren Geschäftsmodell.

Auch soziale Fähigkeiten sind wichtig

Für das Funktionieren von Gruppen sind neben der Diversität auch die sozialen Fähigkeiten der Mitglieder von Bedeutung. Dazu gehört es u. a., Konflikte auszutragen sowie mit Widersprüchen umgehen zu können. Hier sollten die Personen im Aufsichtsrat weniger komplementär sein, sondern eher „ähnlich ticken“. Auch sollte innerhalb eines Aufsichtsrates die Chemie stimmen. Dabei müssen die einzelnen Mitglieder einander nicht freundschaftlich verbunden sein. Viel wichtiger sind eine kritische Distanz, die Bereitschaft zur Kommunikation, ein Umgang auf Augenhöhe sowie die gegenseitige Wertschätzung.

In hierarchischen Strukturen kann kollektive Intelligenz nicht funktionieren, das gilt auch für Aufsichtsräte. Die Zusammenarbeit sollte auf wechselseitigem Vertrauen basieren, jeder sollte ungestraft seine Meinung sagen können und dafür keine Kritik einstecken müssen. Dieser Appell richtet sich besonders an den AR-Vorsitzenden: Er leitet als primus inter pares zwar die Sitzungen, hat aber ebenso eine Stimme wie alle anderen Mitglieder des Gremiums und muss sich um einen kooperativen Führungsstil bemühen. Die Zeiten, da ein Aufsichtsrat von einem Alphatier geführt und dessen Entscheidungen von den anderen Mitgliedern lediglich abgenickt wurden, sollten endgültig vorbei sein.

Ohne Entscheidungsstärke geht es nicht

Kollektive Intelligenz kann also gute Ergebnisse bringen und Teamgeist ist wichtig für eine erfolgreiche Aufsichtsarbeit. Ebenso braucht es aber auch Entscheidungsstärke. Hier ist wieder der AR-Vorsitzende gefragt. Nach einer Zeit der Diskussion, in der sich alle Mitglieder einbringen können, sind in Beschlussangelegenheiten letztlich Entscheidungen zu treffen. Natürlich erst, nachdem alle Pro- und Contra-Argumente abgewogen wurden.

Zur Abrundung sei hier noch ein prominenter Praktiker zitiert. Norbert Reithofer, Aufsichtsratsvorsitzender des deutschen Autokonzerns BMW, warnte bei einer Rede vor einem blinden Glauben an Schwarmintelligenz. Viele Menschen gingen davon aus, dass etwas Intelligentes entstehe, wenn sich viele Tausend Facebook-Nutzer mit einem Thema befassen. „Wir wissen, dass das nicht der Fall ist und sollten von dieser Gläubigkeit in diese Richtung ein bisschen Abstand nehmen,“ so Reithofer.

Dass das Zusammenwirken von Individuen nicht automatisch zu guten Ergebnissen führen muss, ja sich sogar eine „Schwarmdummheit“ entwickeln kann, zeigte sich etwa im Jahr 2008. Damals führte der Herdentrieb an den internationalen Kapitalmärkten dazu, dass sich die Pleite der US-Bank Lehman zu einer weltweiten Finanzkrise auswuchs.