Vom Mitarbeiter zum Aktionär

Vom Mitarbeiter zum Aktionär

Last Updated on 2019-08-23
Börsen-Kurier Online, 15.08.2019

Das neue Modell der Mitarbeiterstiftung hat eine Beteiligungswelle ausgelöst. Zahlreiche heimische Unternehmen nutzen bereits die Möglichkeit, Aktien günstig an die Belegschaft abzugeben, andere planen dies. Eine Ausweitung der steuerlichen Möglichkeit auf alle Rechtsformen liegt derzeit aber auf Eis.

Julia Kistner. Für einen neuen Beteiligungsboom sorgt das seit 2018 geltende Mitarbeiterbeteiligungsstiftungsgesetz. Eine Mitarbeiterbeteiligungsstiftung verwaltet und bündelt treuhändig Anteile, die unentgeltlich oder verbilligt an Mitarbeiter abgegeben werden. Sie kann so bis zu zehn Prozent der Stimmrechte ausüben. Es können Gratis- oder verbilligte Aktien bis zu 4500 Euro jährlich pro Dienstverhältnis steuer- und sozialversicherungsfrei an aktive und ehemalige Arbeitnehmer sowie deren (Ehe-)Partner und Kinder begünstigt abgegeben werden. Auch die Erträge wie Dividenden aus diesen Aktien sind steuer- und sozialabgabenbefreit. Sinn und Zweck der Mitarbeiterbeteiligungsstiftung ist es auch, die Mitarbeiter zu einem starken Kernaktionär zu machen, der vor feindlichen Übernahmen schützt.

Dies macht sie vor allem für ein Unternehmen wie Wienerberger interessant, das mit 100 Prozent Streubesitz ein beliebter Übernahmekandidat ist. „Ich bin kein Kommunist“, so Wienerberger-Vorstand Heimo Scheuch, „aber dass Mitarbeiter am Unternehmen beteiligt sind und ein gewisses Stimmrecht bekommen, finde ich gut. Wir werden nun jährlich Beteiligungsprogramme anbieten. Damit sollten über die nächsten Jahre einige Prozent zusammenkommen. Wir wollen das Modell auf die Wienerberger gesamt ausrollen. Derzeit sind nur Österreicher, die mehr als ein Jahr für die Gruppe in Österreich tätig sind, berechtigt, zwei Aktien zu erwerben und eine gratis zu bekommen. Die Kosten für das Sammeldepot trägt auch die Wienerberger.“ Scheuch findet es sehr erfreulich, dass sich 28 Prozent der berechtigten Mitarbeiter mit insgesamt 1,9 Millionen Euro in der ersten Runde beteiligt haben. Warum sie das tun? „Neben der Gratisaktie gibt es in Österreich Steuervorteile. Auch sind die Wachstumsaussichten für Wienerberger gut, man kann mit soliden Dividenden rechnen“, so Scheuch, „Die aktuelle Dividendenrendite liegt über zwei Prozent. Das ist deutlich mehr als ein Sparbuch.“

Auch die Oberbank AG richtete eine Mitarbeiterbeteiligungsstiftung nach dem neuen Gesetz ein, um einen weiteren stabilen Kernaktionär zu haben und um die Mitarbeiter ans Unternehmen zu binden. Dafür wurden in den vergangenen zwei Jahre insgesamt 20 Millionen Euro zurückgelegt, mit denen in den nächsten vier Jahren Oberbank-Aktien an die Mitarbeiter kostenlos und steuerbegünstigt übertragen werden. Die Höhe der Zuteilung richtet sich nach dem Gehalt, für jeden Mitarbeiter wird ein eigenes Treuhanddepot errichtet. Will dieser verkaufen, hat die Mitarbeiterstiftung Vorkaufsrecht. Aktive und Pensionisten halten inzwischen vier Prozent der Oberbank.

Ebenso überlegt die Post AG, bis zu zehn Prozent ihrer Aktien zurückzukaufen, um die Mitarbeiter am Unternehmen direkt zu beteiligen. Am Erfolg der Post AG sind Mitarbeiter schon seit 17 Jahren beteiligt und erhalten 2018 stolze 875 Euro pro Person. Ebenso haben die Erste Group, der Flughafen Wien, Rosenbauer oder auch die AMAG eine Mitarbeiterbeteiligungsstiftung ins Leben gerufen.

Pionier voestalpine
Pionier in Punkto Mitarbeiterbeteiligung ist die voestalpine. Rund 25.500 Mitarbeiter und ehemalige Beschäftigte halten 26 Millionen Stück Aktien. Dort spricht man von „gelebter innerbetrieblichen Sozialpartnerschaft“. Die Mitarbeiterbeteiligungsstiftung hält 14,8 Prozent am Linzer Stahlkonzern und kommt gemeinsam mit der Raiffeisen Landesbank Oberösterreich und der Oberbank auf eine Sperrminorität. Finanziert werden die Mitarbeiteraktien zum Teil aus den kollektivvertraglichen Lohnerhöhungen und aus jährlichen Erfolgsprämien.

„Mitarbeiterbeteiligungen können als starker Motivator dienen, der angloamerikanische Raum macht das vor“, betont Wiener Börse-Chef Christoph Boschan, „sie können auch ein guter Einstieg in die Welt der Börse sein. Mitarbeiterbeteiligungen sollten jedoch nicht der einzige Berührungspunkt bleiben. Stichwort Klumpenrisiko: Für private Anleger ist es wichtig, breit gestreut, langfristig und getaktet zu veranlagen.“

Weitere Steueretappen, bitte warten!
Eigentlich wollte man die Mitarbeiterbeteiligung mit der aktuellen Steuerreform noch ausweiten. So sollten ab 2022 Unternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform bis zu zehn Prozent des Gewinns, jedoch maximal jährlich 3000 Euro pro Mitarbeiter steuer- und sozialversicherungsfrei als 15. Gehalt oder als Gewinnbeteiligung gewähren können. Dazu kommt es vorerst nicht. „Die geplante Mitarbeiterbeteiligung wäre im Rahmen von Entlastung Österreich in der dritten Etappe für 2022 vorgesehen gewesen“, heißt es auf Anfrage des Börsen-Kurier aus dem Finanzministerium, „im Parlament wird nach aktuellem Kenntnisstand im Herbst nur über die erste Etappe entschieden.“

Börsen-Vorstand Boschan warnt grundsätzlich davor, vorgesehene steuerliche Förderungen der privaten Vorsorge auf die lange Bank zu schieben: „Angestellte und Arbeiter sollten generell bei der Veranlagung Steuervorteile genießen. Wer sein hoch versteuertes Arbeitseinkommen veranlagt, darf nicht mit Kapitalertragssteuer bestraft werden.“ Schon gar nicht wenn man langfristig anlege, fordert Boschan wieder ab einer Behaltefrist von einem Jahr die KESt-Freiheit für Kursgewinne.

Testen Sie Österreichs einzige Wirtschafts- und Finanzzeitung 4 Wochen unverbindlich und kostenfrei.
Mehr unter www.boersen-kurier.at